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Zeitschrift für christliche Kunst — 20.1907

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Hasak, Max: Die Erweiterungsbauten der Stadtpfarrkirche zu Leobschütz in Oberschlesien und der Pfarrkirche St. Mauritius zu Friedrichsberg bei Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4119#0168

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261

1907. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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Die Praxis lehrt. Mit Theorie ist nicht viel
zu helfen. Die Platzfrage spielt dabei die
Hauptrolle. Nicht immer liegt der verfügbare
Raum da, wo man ihn haben möchte,
nämlich in der Verlängerung der Kirche.
Wie geschickt sich die mittelalterlichen Bau-
meister erwiesen haben — Handwerksmeister
waren es nicht — zeigen die geistreichen
Lösungen. Nehmen wir z. B. die sehr be-
kannte Pfarrkirche von Schwaz in Tirol. Sie
steht als wundersames Beispiel einer vier-

daß es bisher übersehen worden ist, wider-
legt auch die heftigen Angriffe der Ruinen-
freunde gegen die geistreichen Wiederher-
steller der den Einsturz drohenden Baureste.
Bemüht sich der Baumeister, bei seiner Er-
neuerung dieselbe Formensprache zu reden,
welche die vorhandenen Reste angeben, dann
behauptet man, das sei eine Fälschung. Keiner
könne nunmehr wissen, was alt und neu
sei. Im selben Atem ertönt aber die An-
klage, die Wiederherstellung sei so roh und

Abb. 2. GrundriTs der katholischen Stadtpfarrkirche zu Leobschütz nach dem Umbau.

schiffigen Kirche in den Kunstgeschichten.
Daß sie ein Erweiterungsbau einer drei-
schiffigen Kirche ist, hat man nicht gemerkt,
so geschickt ist der mittelalterliche „Steinmetz-
meister" vorgegangen. Im Westen, Norden
und Osten begrenzen Straßen die Kirche.
Nach diesen Richtungen hin war eine Er-
weiterung also ausgeschlossen; nur nach dem
Friedhof, nach Süden hin, ließ sich die Kirche
genügend vergrößern. So setzte der Bau-
meister an Stelle des einen Seitenschiffes noch
ein dem Mittelschiff gleich breites drittes
Schiff nebst dem alten Seitenschiffe wieder
an. Daß der mittelalterliche Baumeister die
Verbreiterung so geschickt vorgenommen hat,

schlecht, man könne alles Neue mit Händen
greifen. Ein Vorwurf hebt den andern auf.
Die Kritiker übersehen völlig zweierlei. Einmal
ist die Kunstgeschichte auch der nicht wieder-
hergestellten Bauwerke recht irrig geschrieben
worden. C'est la fable convenue. Anderer-
seits aber befinden sich die Kritiker in der
beneidenswerten Lage, daß sie nie ein Bau-
werk wiederhergestellt haben. Im Augenblick
der eigenen Betätigung würden sie genau so
siegesgewisse Kritiker finden, die nie etwas
selbst geschaffen haben, und sie würden den
Wert solcher Kritik begreifen. Nur Bau-
werke, die in Benutzung bleiben, überliefert
ein Jahrhundert dem anderen. Bauwerke, dit
 
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