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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 2.1886

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Heuser, G.: Lüneburger Drechslerarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.4121#0167

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Stickerei in Seide und Schnnr ciuf violetter Seide. Jtalien, 16.—17. Jahrh.

§üneburger Drechslerarbeiten.

Von G. Heuser.

Mt Abbildungen.

Jn norddeutschen Kunstsammlungen kom-
men uns oft Drechslerarbeiten zu Gesicht, die
durch ihre subtile Ausführung. durch geschickte
Überwindung ansgesuchter Schwierigkeiten auf-
sallen. Meist sind es Gewürzdosen, Pokale,
Schachspiele und Spinnrüder, die ehemals bei
Znnstprüfungen als Meisterstück gedient haben.
Bienenfleiß des Handwerkers hat dabei ost zu
Übertreibungen und Ansartnngen gefiihrt nnd so
mögen jene Dinge mehr als Kuriositäten denn
als Gebrauchsgegenstände erscheinen.

Wer mit architektonischen Formen einiger-
maßen vertraut ist, wird von der Thatsache
überrascht, daß die Drechslermeister noch im
Anfang dieses Jahrhunderts an den Motiven
der Renaissance festgehalten haben. Der kon-
servative Sinn der Norddeutschen, die zunft-
mäßige Ehrfurcht vor der Überlieferung machten
eine so lange andanernde Anwendung von
Kunstformen möglich. So finden bekanntlich
auch in Bauernhöfen der Marschlande heute
noch Stickmuster Anwendung, die mehrere
Jahrhunderte alt sind. Bei den Jnnungsver-
bänden wnrde der Gebrauch alter Vorbilder
besonders dadurch gefestigt, daß bei der Meister-
Prüfung gewisse Anforderungen stereotyp waren.
Dies war besonders bei Kunstformen der Fall,
die eine vollendete Übnng der Technik ver-
langten. — Wir gaben hierüber schon früher
in dem bekannten Sammelwerke: „Deutsche
Renaissance" eine kurze Notiz für die auf
Bl. 10 des Heftes „Hamburg" dargestellten zwei
Randskizzen. Etwas Näheres möge jetzt mit-
geteilt werden zn den hier dargestellten Kunst-
erzeugnissen, welche verschiedenen Jahrhunderten

angehören. Die Gegenstände befinden sich alle
im Lüneburger Museum. Nur der in Fig. 1 ge-
gebene Zinnpvkal befiudet sich im Biuseum fiir
Kunst und Gewerbe zu Hamburg *). Er trägt
die Jahreszahl 1634, stammt aus Wilster inHol-
stein und ist ein Willkommsbecher der Schuh-
macherinnung. Wir haben ihn hier mit abgebildet
wegen der für diese Zeit frühen Form der Kugel
auf dem Deckel, welche aus einzelnen Bügeln be-
steht. Bekanntlich bedient man sich in der Renais-
sance der Kugeln oder Ballen, wenn zentrische
Zweck- vder Zierformen kräftig gegliedert werdeu
solleu. Um diesen Balleu die Wirkung kom-
pakter Masse zu uehmen, setzte man entweder
leichten Schmuck, wie Rosetten und Köpfe, auf
oder man formte, wie hier, die Ballen aus
einzelnen Bogen. Die gleichen Ballen befinden
sich nnn auch an den Zierspitzen des einem
Baldachin ähnlichen Deckels des elfenbeinernen
Jnnungspokals der Lünebnrger Sülzer
(Fig. 2). Als Abzeichen der Jnnung hängen im
Deckel zwei Eimer. Die gewundenen Säulen
lassen vermuten, daß der Pokal aus dem An-
fang des 18. Jahrhunderts stammt.

Wie an den schwierig zu fertigenden Kugeln,
welche die Drechsler Hohlkugeln nennen, zeigte
der Geselle gerne noch seine Geschicklichkeit bei
Ausführung der sogenannteu Hohlkroneu. Hier-

1) Der Pokal ist 72 vm hoch, reich gravirt und
durch eingelegte schmale Messingstreifsn verziert. Die
Jnschrist um den Rand lautet: OI8 . 181' . OlZL.
862V81LK. IHLL . 8I6LLR . 6W862LIIW .
OOVI . L.V6LML . VIV . VLV . VIAI8. — Ein
Zinnstempel findet sich nicht.

(Mitteil. von Dir. Brinckmann.)

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