Tennstedt.
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In politischer Beziehung erfuhr Tennstedt im Allgemeinen dieselben Schick-
sale und Wandlungen wie die grössere Nachbarstadt Langensalza. — Für die Be-
theihgung an dem Bauernaufruhr 1525 musste das Städtchen nach der Häuserzahl
3050 Gulden Strafe an Fierzog Georg zahlen. — Die Reformation wurde 1551
eingeführt. — Im dreissigjährigen Kriege erlitt Tennstedt 6 Plünderungen, und
wurde 1684 und 1685 von zwei grossen Feuersbrünsten heimgesucht, wobei nur
die Kirche, Pfarr-, Schul- und 5 Häuser in der Vorstadt verschont blieben.*) In
den Befreiungskriegen wurden die Acten des Rathsarchivs von französischen und
russischen Heeresabtheilungen beim Wachtfeuer verbrannt.
Tennstedt hat drei Kirchen: die Pfarrkirche, die Gottesackerkirche und die
Hospitalkirche.
Die an der südlichen Stadtmauer ziemhch hoch gelegene Pfarrkirche zur
h. Dreifaltigkeit, deren Gründung unbekannt ist, besteht aus dem dreischiffigen
Langhause und dem einschiffigen Altarhause von der Breite des Mittelschiffes.
Ersteres aus leicht auflöshchem Stein erbaut, ist nach einem Brande von 1636
bis 1659 wieder hergesteht und mit einer Holzdecke versehen worden. Sonderbar
nimmt sich das Westportal mit den an beiden Seitenwandungen ganz verschiedenen
Profilirungen, die im Scheitel des Spitzbogens so disharmonisch auf einander
stossen, dass ein Rund- oder Birnstab der einen Seite mit einer Hohlkehle der
anderen Seite zusammentrifft, was sich zweimal wiederholt. Das dreiseitig ge-
schlossene Altarhaus ist mit Kreuzgewölben überspannt, und eine an der nord-
östlichen Aussenwand befindliche Minuskelinschrift
anno.i . in . cccc .
p . tu . fcba . p9 . io
bilate . e . boc . 3 icbob (?inceptum)
giebt Auskunft über die Erbauungszeit im J. 1418. Bemerkenswerth ist die An-
ordnung zweier quadratischer Thürme in den Winkeln zwischen dem Altarhause
und den Seitenschiffen, welche über die flucht der Seitenschiffe hinaustreten, und
von denen der südliche, einen grösseren Flächenraum bedeckend als der nörd-
liche, im Grundplane der Kirche kreuzarmartig erscheint. Der Nordthurm ist mit
einem spitzen Helm gekrönt, und der höher aufsteigende Südthurm geht nach
oben in Barokformen über. Die Kanzel datirt von 1659, der mit vier Säulen und
Tabernakeln geschmückte Taufstein von 1682. — Das Innere der Kirche ist 1875
restaurirt.
In der Sakristei befinden sich drei auf Holz gemalte Brustbilder von Bischöfen
oder in führten Aebten, nicht ohne allen Kunstwerth.
Auf beiden Tliürmen vertheilt sind vier schöne Glocken von 1,86, 1,46, 1,03,
0,70m Durchmesser. Die grösseste ist von Jacob König in Erfurt 1641 gegossen
und mit vielen Personalnachrichten versehen. Auf jeder Seite sind zwei Medaillons
*) Beiläufig mag' hier erwähnt werden, dass den Chronisten zufolge die Stadt jedesmal
den durchreisenden Landesfürsten „den Tisch habe decken lassen und ganz in specic mit frisch
gebackenem Speck- und Zwiebelkuchen tractirt habe.4’ — Diesem alten Brauche gemäss wurde
bei der ersten Durchreise Königs Friedrich Wilhelm 1Y. demselben der herkömmliche Kuchen
in den Reisewagen gereicht und so das Vorrecht der guten Stadt gewahrt.
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In politischer Beziehung erfuhr Tennstedt im Allgemeinen dieselben Schick-
sale und Wandlungen wie die grössere Nachbarstadt Langensalza. — Für die Be-
theihgung an dem Bauernaufruhr 1525 musste das Städtchen nach der Häuserzahl
3050 Gulden Strafe an Fierzog Georg zahlen. — Die Reformation wurde 1551
eingeführt. — Im dreissigjährigen Kriege erlitt Tennstedt 6 Plünderungen, und
wurde 1684 und 1685 von zwei grossen Feuersbrünsten heimgesucht, wobei nur
die Kirche, Pfarr-, Schul- und 5 Häuser in der Vorstadt verschont blieben.*) In
den Befreiungskriegen wurden die Acten des Rathsarchivs von französischen und
russischen Heeresabtheilungen beim Wachtfeuer verbrannt.
Tennstedt hat drei Kirchen: die Pfarrkirche, die Gottesackerkirche und die
Hospitalkirche.
Die an der südlichen Stadtmauer ziemhch hoch gelegene Pfarrkirche zur
h. Dreifaltigkeit, deren Gründung unbekannt ist, besteht aus dem dreischiffigen
Langhause und dem einschiffigen Altarhause von der Breite des Mittelschiffes.
Ersteres aus leicht auflöshchem Stein erbaut, ist nach einem Brande von 1636
bis 1659 wieder hergesteht und mit einer Holzdecke versehen worden. Sonderbar
nimmt sich das Westportal mit den an beiden Seitenwandungen ganz verschiedenen
Profilirungen, die im Scheitel des Spitzbogens so disharmonisch auf einander
stossen, dass ein Rund- oder Birnstab der einen Seite mit einer Hohlkehle der
anderen Seite zusammentrifft, was sich zweimal wiederholt. Das dreiseitig ge-
schlossene Altarhaus ist mit Kreuzgewölben überspannt, und eine an der nord-
östlichen Aussenwand befindliche Minuskelinschrift
anno.i . in . cccc .
p . tu . fcba . p9 . io
bilate . e . boc . 3 icbob (?inceptum)
giebt Auskunft über die Erbauungszeit im J. 1418. Bemerkenswerth ist die An-
ordnung zweier quadratischer Thürme in den Winkeln zwischen dem Altarhause
und den Seitenschiffen, welche über die flucht der Seitenschiffe hinaustreten, und
von denen der südliche, einen grösseren Flächenraum bedeckend als der nörd-
liche, im Grundplane der Kirche kreuzarmartig erscheint. Der Nordthurm ist mit
einem spitzen Helm gekrönt, und der höher aufsteigende Südthurm geht nach
oben in Barokformen über. Die Kanzel datirt von 1659, der mit vier Säulen und
Tabernakeln geschmückte Taufstein von 1682. — Das Innere der Kirche ist 1875
restaurirt.
In der Sakristei befinden sich drei auf Holz gemalte Brustbilder von Bischöfen
oder in führten Aebten, nicht ohne allen Kunstwerth.
Auf beiden Tliürmen vertheilt sind vier schöne Glocken von 1,86, 1,46, 1,03,
0,70m Durchmesser. Die grösseste ist von Jacob König in Erfurt 1641 gegossen
und mit vielen Personalnachrichten versehen. Auf jeder Seite sind zwei Medaillons
*) Beiläufig mag' hier erwähnt werden, dass den Chronisten zufolge die Stadt jedesmal
den durchreisenden Landesfürsten „den Tisch habe decken lassen und ganz in specic mit frisch
gebackenem Speck- und Zwiebelkuchen tractirt habe.4’ — Diesem alten Brauche gemäss wurde
bei der ersten Durchreise Königs Friedrich Wilhelm 1Y. demselben der herkömmliche Kuchen
in den Reisewagen gereicht und so das Vorrecht der guten Stadt gewahrt.