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Der Spnichenpforte drcimatische Darstellung. Teil VI.
die Lockungen der Sinne im Zaume halten. Diese pflegen unsere
Begierden zu reizen und dermaßen irrezuführen, daß wir uns in
Dinge verstricken, die nichts mit unserem wahren Glücke zu thun
haben, nnd durch Scheingüter bethören lassen. Und indem wir dann
in erster Linie treiben, was wir erst in zweiter betreiben sollten, ge-
brauchen wir nicht das Lebeu, sonderu genießeu es, nein wir genießen
nicht einmal, wir lebeu ruhelos. Dies ist der Fall, wenn wir der
Bcgierde nach Genuß, nach Reichtum, Ehre und Wissen ohne Maß
nachgeben und so in die häßlichcn Laster der Schwelgerei, der Wollust,
Habsucht, Ehrsucht und Neugierde hinabsinken.
(Darcmf treten zwei Schwclger auf mit dicken Bäuchcn uud Hängebacken, der
ciuc Schüsseln tragend, der audere mit drei oder vier au seinem Gürtel hängendcn
Krügeu, mit einem besouders großeu iu dcr Hand. Beide taumeln uud straucheln,
doch fasseu sie sich bisweilen an unter rohem Jauchzen, dann wieder geratcn sie
iu Streit und drohen oder schlageu ciuch cinander mit ihren Fäusteu. Dieseu
sieht der Lehrer mit deu Seinigen einc Zeitlang zu, dauu spricht cr zu den
Seinigen:)
Seht Jhr diese Ungetüme? Diese gefräßigen und trunksüchtigen
Schmauser und Schlemmer, wie sie das Jhrige durch dcn Schlund
jagen, und diese schlingenden Wüstlinge, wie sie sich wohl täglich toll
und voll saufen und ihren unersättlichen Wanst vollstopfen? Sind
sie aber gar betrunken, so lärmen und schreieu sie in roher Lust,
schlagen sich, wanken und schwanken, rlilpsen und speien und (mit
Verlaub) lassen laufen, lassen fahren, still und lautU, gerben, und
schlucken bloß nicht wieder, was sie erbrochen haben, tierische Menschen!
Was soll ich noch sagen? Wie der Vcrstand der Nüchternen klar
sieht, so macht Unvcrstand die Trunkcnen stumpf und wild. (Denu
die von schwerem Weine Trunkenen werden streitsüchtig, die von
leichtem Wcine hcftig^); daranf belästigt der gestrige Weinrausch am
folgenden Tage dic Trunkenen; die Trunkenbolde aber plagt Zittern,
Schwindel, Gicht nnd andere schmerzvolle Krankheiten und jagen sie
unter Qualcn ans dem Leben. Das sind die süßcn Früchte der Gc-
nußsucht!
(Nachdcm dcircmf diesc Schlcmmer herciusgegangen sind, fährt er fort:)
Du, Jüngling, sei mäßig und nüchtern, enthalte Dich überflüssiger
Nahrung! Wenn Du hungrig bist, so iß! Wenn Du durstig bist, so
trinke soviel als genügt! Du Stndierender und jeder, der eine sitzende
Lebensweise sührt, sollst Dich begnügcn mit einer Mittags-3) und
Abendmahlzeit^), das Frühstück^) und Nachmittagsbrot deu Arbeitern
^) mszunt, visiunt, psckunt. — 2) fpsmulsnti tluut turbulsnti, vino-
Isnti violsnti (ll,. ck. Ism-sto (vino Arnvi) ubstinsns). — ch xrLnäium
oibus msriäiLnus (li/. ll.) — ^) sosnnm xnru, ns subitum sumus iusosnnti
(ill. ll.) — ^) jsntnsulum matutinus sibus (ll. ll.)
Der Spnichenpforte drcimatische Darstellung. Teil VI.
die Lockungen der Sinne im Zaume halten. Diese pflegen unsere
Begierden zu reizen und dermaßen irrezuführen, daß wir uns in
Dinge verstricken, die nichts mit unserem wahren Glücke zu thun
haben, nnd durch Scheingüter bethören lassen. Und indem wir dann
in erster Linie treiben, was wir erst in zweiter betreiben sollten, ge-
brauchen wir nicht das Lebeu, sonderu genießeu es, nein wir genießen
nicht einmal, wir lebeu ruhelos. Dies ist der Fall, wenn wir der
Bcgierde nach Genuß, nach Reichtum, Ehre und Wissen ohne Maß
nachgeben und so in die häßlichcn Laster der Schwelgerei, der Wollust,
Habsucht, Ehrsucht und Neugierde hinabsinken.
(Darcmf treten zwei Schwclger auf mit dicken Bäuchcn uud Hängebacken, der
ciuc Schüsseln tragend, der audere mit drei oder vier au seinem Gürtel hängendcn
Krügeu, mit einem besouders großeu iu dcr Hand. Beide taumeln uud straucheln,
doch fasseu sie sich bisweilen an unter rohem Jauchzen, dann wieder geratcn sie
iu Streit und drohen oder schlageu ciuch cinander mit ihren Fäusteu. Dieseu
sieht der Lehrer mit deu Seinigen einc Zeitlang zu, dauu spricht cr zu den
Seinigen:)
Seht Jhr diese Ungetüme? Diese gefräßigen und trunksüchtigen
Schmauser und Schlemmer, wie sie das Jhrige durch dcn Schlund
jagen, und diese schlingenden Wüstlinge, wie sie sich wohl täglich toll
und voll saufen und ihren unersättlichen Wanst vollstopfen? Sind
sie aber gar betrunken, so lärmen und schreieu sie in roher Lust,
schlagen sich, wanken und schwanken, rlilpsen und speien und (mit
Verlaub) lassen laufen, lassen fahren, still und lautU, gerben, und
schlucken bloß nicht wieder, was sie erbrochen haben, tierische Menschen!
Was soll ich noch sagen? Wie der Vcrstand der Nüchternen klar
sieht, so macht Unvcrstand die Trunkcnen stumpf und wild. (Denu
die von schwerem Weine Trunkenen werden streitsüchtig, die von
leichtem Wcine hcftig^); daranf belästigt der gestrige Weinrausch am
folgenden Tage dic Trunkenen; die Trunkenbolde aber plagt Zittern,
Schwindel, Gicht nnd andere schmerzvolle Krankheiten und jagen sie
unter Qualcn ans dem Leben. Das sind die süßcn Früchte der Gc-
nußsucht!
(Nachdcm dcircmf diesc Schlcmmer herciusgegangen sind, fährt er fort:)
Du, Jüngling, sei mäßig und nüchtern, enthalte Dich überflüssiger
Nahrung! Wenn Du hungrig bist, so iß! Wenn Du durstig bist, so
trinke soviel als genügt! Du Stndierender und jeder, der eine sitzende
Lebensweise sührt, sollst Dich begnügcn mit einer Mittags-3) und
Abendmahlzeit^), das Frühstück^) und Nachmittagsbrot deu Arbeitern
^) mszunt, visiunt, psckunt. — 2) fpsmulsnti tluut turbulsnti, vino-
Isnti violsnti (ll,. ck. Ism-sto (vino Arnvi) ubstinsns). — ch xrLnäium
oibus msriäiLnus (li/. ll.) — ^) sosnnm xnru, ns subitum sumus iusosnnti
(ill. ll.) — ^) jsntnsulum matutinus sibus (ll. ll.)