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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 3.1886

DOI Artikel:
Roth, Rudolf: Die St. Martinskirche und Pfarrstelle in Leutkirch, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20205#0043

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sie verhängten die Fenster und Gitter mit Tüchern, husteten
ein paarmal zum Zeichen, das; sie da seien, verließen daun
das Kirchlein und zogen sich ins Gastzimmer, wo sie einen
Betsaal eingerichtet hatten, zurück. Der Pfarrer Degelin von
Reichenhofen erteilte den Klosterfrauen in diesem Betsaale von
Zeit zu Zeit die heiligen Sakramente der Buße und des
Altars.
Der Ausgang des schmalkaldischen Krieges und das auf
dem Reichstage am 15. Mai 1548 geschlossene Interim brachte
die Kirche wieder in den Besitz der Katholiken zurück. Die
Freude der Klosterfrauen und aller Parochianen war eine
große, als am 24. Juli 1548 wiederum die erste Vesper von
der von Wuchzenhofeu zurückgekehrteu Geistlichkeit gesungen
wurde.
Kaiser Karl V. war bemüht, dem Interim volle Geltung
zu verschaffen. Schon am 30. Mai war ein kaiserliches Schrei-
ben in Leutkirch eiugetrosseu mit der Anordnung, daß die strittige
Religionssache ans eine Erörterung des allgemeinen Konzils
gestellt, und inan sich demselben unterwürfig zu machen und
zu geloben habe. Bis zum Ende und Austrage des Konzils
in Neligions- und anderen Sachen soll es, um friedlich bei-
einander bleiben und in Ruhe, Einigkeit leben und gemeinen
Frieden befördern zu können, mit Ausnahme der Kommunion
unter beiderlei Gestalt und der Priesterehe bei den bisherigen
Kirchenlehren, Ordnungen und Satzungen der alten christ-
lichen Religion sein Verbleiben haben.
Das Schreiben drückt die Hoffnung aus, daß die Stadt
Leutkirch dieser Aufforderung Nachkommen und das Interim
annehmen werde, und verlangt schließlich noch eine bestimmte
Antwort, welche innerhalb fünf Tagen durch eine eigene Ge-
sandtschaft, die aus dem Bürgermeister, zwei Räten und zwei
Gemeindevertretern bestehen sollte, zuzuseudcn sei.
Am 11. Juni 1548 wurde von Leutkirch ein allerunter-
thänitzstes Schreiben abgesandt, worin es heißt: „Wir wollen
solch ein von Ew. Römischen Kaiserl. Majestät gestelltes In-
terim und allerguädigst Bedenken Ew. Majestät als unseren
allergnädigstem Herrn zu uuterthänigem Gefallen bis auf ein
gemeines General-Konzilium in aller Uuterthänigkeit anzuneh-
men und bewilligt haben."
Allein die Stadt richtete sich, außer der wiederum auf-
gerichteten und eingeführten Messe in keinem Stücke darnach
ein. Der Kaiser sandte am 24. Oktober d. I. ein zweites
Schreiben von Brüssel aus an den Bürgermeister und Rat,
worin er demselben einschärfte, das Interim durchzuführen und
sie ermahnte, daß sie die gemachten Änderungen und Neuerun-
gen zurückzunehmen und abzuthun haben, er erwarte dies
umsomehr, als dieselben erst in der letzten Kriegsempörung
eingeführt worden seien. Der Kaiser beklagte sich noch be-
sonders darüber, daß gerade die Prädikanten am ärgsten da-
gegen schreien und predigen dürfen. Dieses Ärgernis soll nicht
mehr geduldet und abgeschafft werden. Indem der Kaiser sie
nochmals ermahnt, bei den alten Neligionsgcbränchen zu ver-
bleiben, verlangt er zugleich eine Antwort, damit er wisse,
wie sie entschlossen seien.
Es scheint, daß der Magistrat der Stadt Leutkirch dem
Kaiser auf das vorstehende Schreibeil gar keine Antwort ge-
geben, vielmehr in den vorgenommenen Gebräuchen ruhig
fortgemacht habe.
Im Aufträge des Kaisers schrieb der Bischof von Kon-
stanz und Herr zu Reichenau au den Bürgermeister der Stadt
Leutkirch und ermahnte sie ernstlich, den Befehlen des Kaisers
als der rechtmäßigen, von Gott gesetzten Obrigkeit zu gehorchen

und sich vor Ungnaden und allem andern Schaden, welche
sie sich durch Nichtbefolgen zuziehen würden, zu bewahren.
Indem der Bischof ihnen nochmals aus Amtspflicht eint
ernstliche Ermahnung giebt, versichert er sie aller Gnade und
alles Wohlwollens und schließt sein langes und sehr ernstes
Schreiben:
„Und wir sind euch mit allem nützlichen Fleiß dazu ver-
helfen und zu befördern, und also hiezu an Jhro Kaiserlichen
Majestät Befehl und unserem bischöflichen Amte einiges erwidern
zu lassen. Mörsburg den 31. Novb. 1548. Christoph, Bi-
schof von Konstanz."
Aus diesem Schreiben ersieht mau klar, daß Kaiser
Karl V. von der Stadt Leutkirch weder eine Antwort erhielt,
noch weniger, daß mau seinen Befehlen uachgekommcn war-
Allein es wurde jetzt mit aller Gewalt darauf gedrungen, das
Interim zur Durchführung und Geltung zu bringen.
Ein zweites Schreiben desselben Bischofs zeigte der Stadt
Leutkirch au, daß vermöge der durch den Neichstagöabschlnh
zu Augsburg ausgegaugeuen Reformation nach kaiserlich^
Äuorduung die Bischöfe in ihren Sprengeln eine Visitation
vorzuuehmen haben und er nun auch eine solche auordue. 6's
werden daher die Herren Mattheusen Segenschmid, der Rechte"
Lizentiat zu Wolberatzschweuden, der wohlgelehrte Jakob Ce-
leiner zu Bregenz, Pfarrer und des Nuralkapitelö Ravens-
burg und Lindau Dechanten, in ihrer Stadt Leutkirch d«e
geistlichen Personen, Kirchen und Gotteshäuser visitieren.
dem der Bischof die Hoffnung ansdrückt, daß mau den ge-
dachten Visitationen nicht hinderlich, sondern förderlich sei"
werde, erweise man ihm und der Kaiserlichen Majestät eine"
angenehmen Gefallen. Mörsburg den 1. Febr. 1550. Chri-
stoph, Bischof von Konstanz.
Ein Resultat über diese Visitation ist nicht näher bekannt',
es scheint aber, daß dieselbe im engen Zusammenhänge nnt
der bald darauf abgehaltcnen kaiserlichen Visitation gestan-
den habe.
Wie wir aus der vorigen Abhandlung vernommen haben,
hat der Abt in Stamö seine Patronatsrechte und alle andern
Gerechtsame und Einkünfte der katholischen Pfarrkirche und
Pfarrstelle wegen der weiten Entfernung und vielen Ver-
drießlichkeiten am 5. Sept. 1547 gegen einen dem Kloster
Weingarten gehörigen Maierhof zu Laua, im Burggrafenaiw
gelegen, in Tirol vertauscht. Infolge dieses Wechsels ge-
rieten der Bürgermeister und Rat zu Leutkirch gegen den
neuen Patrouatshcrren der katholischen Kirche und Pscrrrstelle,
den Abt Gerwikh von Weingarten in vielfache Streitigkeiten
und Prozesse. Nach dem im Münchener Archive liegenden
coctex Aeilnunicu 4967 verglich Abt Gerwikh die religiösen
Angelegenheiten im Jahre 1549 dahin, daß die Kirche den
Katholiken zurückgegebeu ward und daß er mit den kaiserliche"
Kommissorien einen katholischen Rat eiusetzte und die evan-
gelischen Prediger entließ.
Der Abt Gerwikh übersandte am 4. Mai 1550 eine
Beschwerdeschrift an den Bürgermeister und Rat der Stadt
Leutkirch, worin er hervorhebt, daß sie nach einem ihm zuge-
kommenen glaublichen Berichte ihren neuen Pfarrer, als der-
selbe letzthin nach allein löblichen Gebrauche und Herkommen
aller seiner Vorfordern das Fest der heiligen Kreuzerfindung
auf der Kanzel verkündet und zu feiern geboten habe, den-
selben alsbald zu sich fordern ließen und ihm vorgehalten
hätten, wie er so keck sein dürfe, dieses Fest so hoch zu ge-
bieten, dieweil es nicht im Interim mit inbegriffen sei, der
Pfarrer möge mit den alten Gebräuchen schweigen und stl
ihm verboten, am Feierabend mit den Glocken läuten zu lasse"'
 
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