Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 5.1888

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Schwäbisches aus der Münchener Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung von 1888
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.20203#0096

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schwarzwaldlandschaft geliefert. Eil: anderer Berliner Maler
H. Vogel bietet nns in einem in Saal 12 untergebrachten,
gut gemalten, im Kat. Nr. 2373 ans S. 151 (2. Ausgabe)
in Lichtdruck abgebildeten Kolossalstücke: „Ernst der Bekenner,
Herzog von Braunfchweig und Lüneburg, nimmt znm ersten-
male das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu Celle im Jahre
1530" ein Porträt (als eine der Hauptfiguren) des zu Langen-
argen am Bodenfee im Jahre 1489 geborenen, zu Celle 1541
gestorbenen Reformators Urbauns Rhegius. Wieder ein
Berliner, P. Graeb, stellt in nicht übler Ausführung den
„Chor der Stiftskirche zu Stuttgart" (in Saal 30; Kat.
Nr. 1097; verkäuflich) dar, in welchem — wohl zum Ent-
setzen mancher Altwürttemberger — ein im Ornat herum-
wandelnder katholischer Ministrant oder Mesnergehilse
auffällt. Nun — solche Lieenzen finden sich in der bildlichen
Darstellung hie und da — sahen wir doch in einer älteren
Auflage von Meyers Süddentschland bei einer Abbildung des
Ulmer Münsters, des „ersten protestantischen Domes", eine
große katholische Prozession „mit Kreuz und Fahnen" ans
dem Münsterplatz zum Tempel sich hinbewegen! — Noch
wären von schwäbischen Vorwürfen in der Ausstellung n. a.
zu erwähnen: „Motiv ans Bebenhansen" (in Saal 11;
Nr. 1374 des Kat.; verkäuflich) von Ernst Kielwein, und
„Flachsbrechen in Schwab eil" (Nr. 2087 in Saal 9; ver-
käuflich) von Theod. Schmidt in München — ganz nette
Bildchen. — Gehen wir von den schwäbischen Motiven zu
den — diesmal gerade nicht zahlreich in der Ausstellung ver-
tretenen — schwäbischen Künstlern selbst über, so sind es
neben R. Hangs wirklich ausgezeichneten und vorzüglich bis
ins kleinste Detail durchgesührten Schlachtenbildern: „Die
Preußen bei Möckern" und „Freiwillige Jäger" (in Saal 9;
Nr. 1165 und 1166), neben Ant. Braiths trotz „Spott-
vogel" vielbewnndertem „Gang zur Tränke" (in Saal 5;
Nr. 707 mit Abbildung), neben Rich. Winternitz' feinge-
feiltem „Schwertfeger" (in Saal 10, dir. 1484) und Friedr.
Tiedeinannö gutem Porträt (Nr. 2306, in Saal 12) u. a. —
vor allem Friedr. Kellers treffliche und durchaus würdevoll
gehaltene „Grablegung Christi" (in Saal 16, Nr. 1367)
— eines der besten religiösen Bilder in der ganzen Ausstel-
lung — und des Oberschwaben Gebh. Fngel vielversprechen-
des Kolossalbild (in Saal 31; Nr. 1037 mit Abbildung):
„Weinet nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder!",
welche besonders hervorgehoben zu werden verdienen. An den
an letztgenanntem Stücke von einigen Seiten gemachten Aus-
stellungen, wie daß es viel zu bunt und in der Gruppierung
zu unruhig sei, ist bloß so viel richtig, daß in demselben der
Hintergrund des Gemäuers zu mächtig hervortritt, infolge
dessen selbst das Kreuz Christi wie ein Teil desselben und
wie ans Stein erscheint. Auch der Mohrenknabe neben dem
Heiland, an sich trefflich gemalt, und dem Typus nach wohl eine
Karrikatnr irgend eines waschechten Jndenbnben, mit welcher
der begabte Künstler wohl etwas Apartes geben wollte, hätte
hier eher wegbleiben dürfen! Im großeil Ganzen ist aber das
Bild ebenso gut komponiert — die angebliche „Unruhe der
Gruppierung" ist auf Rechnung des Sujets selbst und auf
die in der Natur der Sache liegende Reichhaltigkeit der Kom-
position zu setzen — als vorzüglich gemalt und enthält eine
solche Reihe von Schönheiten, daß die paar Anstände den
großartigen Eindruck, welchen das Opus unwillkürlich hervor-
bringt, nicht zu verwischen im stände sind. Man sagt dem
Bilde allerdings nach — ob mit Grund wissen wir nicht,
da wir das nachbenannte Gemälde nie gesehen —, daß
eine der Hauptfiguren ans der berühmten Komposition

des Franzoseil Nochegrosse: „Der Todesgang des Kaisers
Vitellins" mit fataler Aehnlichkeit kopiert sei. Will man
den Schlachtenmaler O. v. Faber du Faur noch
den schwäbischen Künstlern beizählen, so erinnert dessen
in nur zu großen Dimensioneil gehaltenes Stück (in Saal 10,
Nr. 962): „v. der Tann bei Orleans" lebhaft an das in der
Stuttgarter Ausstellung vom Jahre 1881 befindlich gewesene
Bild vom Kampf bei Champigny. In die sarkastische Ab-
fertigung dieses Bildes durch den gen. Kritiker: „Der Schmutz
der Stiefel ist mit großer Natnrwahrheit gemalt, sonst läßt
sich nicht viel Lobenswertes daran findeil", vermögen wir jedoch
nicht eiilzustimmen; mag das Bild auch seine Fehler haben
so ist doch das Porträt v. d. Tanns gelungen und der Ge-
samteindrnck kein übler. Feiner ist allerdings das weiter von
diesem Meister ausgestellte Bild (in Saal 12, Nr. 963): „Ma-
rokkanische Reiter", welches der geil. Kritiker ganz übergeht.
Von Franz Karl Baumeister, welcher die altdeutsche Ma-
lerei wieder so sehr zu Ehreil gebracht und sich mit einer
hl. Elisabeth (s. Nr. 579 des Kat.) angesagt, sahen wir dies-
mal iil der Ausstellung leider nichts; ebensowenig war Historien-
maler Häberlin vertreten. Aus der „guten alten Zeit" —
die diesmalige Ausstellung ist nämlich zugleich eine knnst-
historische, insofern sie schon ans dem Zeitalter der Kurfürsten
Karl Theodor und Map Joseph, dann hauptsächlich ans der
goldenen Aera des Knnstkönigs Ludwig I. gegen 400 Ge-
mälde und damit die seltene Gelegeilheit bietet, viele da- und
dorthin zerstreute, meist im Privatbesitze befindliche sehr gute
Bilder der hervorragendsten Meister dieser Zeiten wieder ein-
mal beisammen sehen zu dürfen — erfreut uns der gemütliche
Kaspar Kaltenmoser 8en. mit einem reizenden Bildchen:
In der Kinderstube (223 n des Kat.). — In der plastischeil
Abteilung ragt Jos. Kopf mit einer ergreifendeil marmornen
„runter clolorosn" und einer sehr gelungenen männlichen
Marmorbüste (2902 des Kat. mit Abbildung) hervor. — Um
noch etwas ans die Kllnstgewerbeanöstellnilg überzngehen, so
ist Württemberg, welches die sechste Gruppe (in Saal 8
Nr. 899—940 des Kat.; S. 157—166) bildet, z. B. gegen-
über von Baden nicht zahlreich darin vertreten. Hervorzuheben
ans dem württembergischen Ausstellungsgebiet sind n. a. vor
allem die wahrhaft großartige Kollektiv-Ausstellung der gra-
phischen Künste in Stuttgart von 17 dortigen Firmen;
die imponierende Kollektion des kgl. H ü ttenwerkes W a s s e r-
alfi ngen, bekanntlich ursprünglich einer Gründung der
gefürsteten Propstei Ellwangen i. I. 1670; die vom Preis-
gerichte als hervorragend bezeichnet Paramcnten-
auöstellnng der in dieser Branche rühmlichst bekannten Firma
Geschwister Osiander in Ravensburg. Ferner wären
noch die geätzten Eisenarbeiten, Bucheinbände und Intarsien
des Zeichenlehrers Ferdinand Bosch daselbst, bezw. des Buch-
binders Emil Schwa ilder zll erwähneil, welchen auch die ver-
diente Auszeichnung geworden ist. Viele Beachtung habeil
die durch Stiltrene und Geschmack sich anszeichnenden
Arbeiten des U l m e r Juweliers Rob. M erath, insbesondere
dessen Kirche ngcräte (Ciborinm, Kelch, Tanfkanne w., ganz
von der Hand mit Hammer und Punzen gearbeitet) und dessen
Spezialitäten von Ulmerschmuck (faeetierter Onyp in Gold
gefaßt, durchaus Handarbeit) gefunden. Auch das in der
U lmer M ünsterbauhütte, speziell voll Bildhauer Ehr.
Ehrhardt und Knnstschreiner Friedr. Krauß in llso der
wirklichen Größe in Birnbaninholz ansgeführte Modell des
Ulmer Hanptdomturmes in seiner Vollendung hat um so mehr
die Aufmerksamkeit ans sich gezogen, als der früher nie mehr
für möglich gehaltene Ansball des Riesenwerks in zwei Jahreil
 
Annotationen