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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 11.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.13558#0114

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danksicher, theils in technischer Beziehung, zu wünschen. Dahin ge-
hört Karl Hübner's „Liebesbrief", ein unzählige Male auch in
dieser Weise behandeltes Thema, wo ein junges Mädchen niederen
Standes auf einer steinernen Bank vor dem Hause sitzt, einen Brief
auf dem Schooße hält und in Nachdenken darüber versunken ist,
während hinter ihr eine Alte in der geöffneten Hausthür steht und
zornigen Blickes in den Liebesbrief hineinschaut. Das Alles ist in
Leben und Ausdruck der beiden Personen recht gut behandelt, wenn
nur nicht die Mauer des Hauses die grünliche Farbe hätte und der
Reflex derselben sich auch auf den Armen des Mädchens wiederfände.
Man begreift nicht, woher sie kommt. Gegenüber hängt ein Bild
verwandten Inhalts: „Die Liebeserklärung", von dem mir noch un-
bekannten Genremaler Carl Porttmann in Düsseldorf. Die
beiden Liebenden sind mit tiefster Empfindung gemalt; sehr sinnreich,
wenn auch eben nicht tröstlich ist der Knabe, der, an unserm Pär-
chen kein Interesse nehmend, hinter dessen Rücken aus dem Fenster
schaut und Seifenblasen macht. Dem ganzen Bilde wäre eine weniger
große Ausdehnung in der umgebenden Scenerie zu wünschen. — Ebens o
anziehend und brav gemalt ist das „Wiedersehen zweier alter Freunde"
von Emil Schuback in Düffeldorf. Wir sehen vor uns ein
Zimmer, an dessen Tische ein altes Ehepaar mit treuherzigem, biederem
Ausdruck sitzt, hinter ihnen steht die erwachsene hübsche Tochter des
Hauses: da tritt nach langer Trennung ein alter Freund mit freud e-
strahlendem Antlitz herein und bringt gleich beim ersten Wiedersehen
seinen stattlichen Sohn mit, so daß man die Absicht des Kommens
deutlich merkt, aber nicht dadurch verstimmt wird.

Von diesem erftenlichen, Glück verheißenden Besuche wenden
wir uns zu dem im eigentlichen Sinne des Wortes unerfreulichen
„Unwillkommenen Besuche", den uns Eduard Swoboda in Wien
macht. . Sein ziemlich gedankenloses „Familienfest", dessen einziges
Thema der Eindruck der knallenden Champagnerflaschen war, ist uns
von der vorigen Ausstellung her noch in frischem Andenken. Hier
hat ein anderes Motiv seinen Pinsel in Bewegung gesetzt: die naive
Zudringlichkeit eines starken Besuches. Der Hausherr ist eben mit
dem Baumeister beim Durchsehen und Korrigiren eines Bauplanes
beschäftigt, hinter ihm steht seine Frau und eine jüngere Tochter,
während die ältere rechts im Bilde ihre Pianostunde hat. Wie

würde sich, muß man ftagen, beides als gleichzeitig in einem Zimmer
mit einander vertragen, auch wenn der liebenswürdige störende Be-
such nicht erschienen wäre? Dieser letztere besteht aus einer ziemlich
starken Familie, acht Personen, nämlich einem Ehepaar mit sechs er-
wachsenen und halberwachsenen Kindern, die, in Röcke, Pelze und
Muffen eingehüllt, mit rothgeftorenen Nasen vom Lande zu kommen
scheinen, um den banlustigen Hausherrn sobald nicht wieder zu ver-
lassen. Das Unwillkommene des Besuches liegt aber nicht nur in
der Zahl, sondern noch mehr in den auffallend häßlichen und stupiden
Gesichtszügen der Ankömmlinge. Das Bild hat kompositionell in
seiner allzugroßen Gedrängtheit und seinen wenig durchdachten Mo-
tiven große Aehnlichkeit mit dem früheren „Familienfeste" und zeichnet
sich dabei keineswegs durch Virtuosität der Technik aus. Sein an-
gemessenes Gegenstück wäre die noch verfehltere „Gänsefamilie" von
Karl Hausmann in Hanau. (Forschung folgt.)

F. München, den 26. März. (Neue Cartons von
Kaulbach.) W. v. Kaulbach hat im Auftrag des Königs Lud-
wig II. zwei Cartons ausgeführt, die wohl zu seinen vorzüglichsten
Arbeiten gerechnet werden müssen. Indem er sich an die Aufgabe
gehalten, Scenen aus zwei Schiller'schen Dramen zu schildern, ist
er zu einer dramatischen Darstellungsweise fortgeschritten, die nach
den „Göthe'schen Frauenbildern" überrascht. Die erste Zeichnung
hat die Rettung Baumgartens (in dem ersten Auftritt von „Wilhelm
Tell") zum Gegenstand und zeigt uns den Aufruhr in den geängsteten,
zur Verzweiflung getriebenen Menschen und in den empörten Ele-
menten, und inmitten von beiden die Helfer und Retter, in selbst-
bewußter Kraft und Seelenruhe: Wilhelm Tell. — Die zweite Zeich-
nung ist von „Don Carlos" genommen und schildert den Moment,
wo König Philipp mit den Fürsten und den Granden eingetreten
in's Gefängniß, wo Carlos über die Leiche des geliebten Freundes
sich geworfen und nun dem königlichen Vater die leidenschaftliche
und vernichtende Rede hält, die diesen zum Verstummen bringt, die
Großen des Reichs aber ringsumher in Entsetzen. Die Gestalt des
Königs Philipp, das Sinken seiner Kräfte, dem er seinen energischen
Willen, doch erfolglos, entgegensetzen will, gehört unstreitig zu den
bedeutendsten Leistungen dieser begabten Künstlerhand.

Kunst-Khronik.

Berlin. Der Bildhauer zur Straßen ist von der hol-
ländischen Kunstakademie zum Mitglied erwählt worden.

— Der Aquarellmaler Karl Werner in Leipzig, dessen Aqua-
rellen bis vor Kurzen im hiesigen Kunstvereinslokal ausgestellt waren,
ist zum Professor ernannt worden.

— Der Genremaler Knaus wird dem Vernehmen nach definitiv
nach Düsseldorf übersiedeln, wo er ein Grundstück angekauft hat, um
sich darauf ein Haus erbauen zu lassen.

— Aus Nürnberg meldet der „N-Korr.", daß der Direktor
der dortigen Kunstgewerbeschule, Herr Maler Kreling, einen Ruf
hierher für die Akademie erhalten habe. Da ähnliche Nachrichten,
z. B. in Betreff der Herren Direktor Bendemann in Düsseldorf,
Prof. Hübner in Dresden u. s. f. sich als grundlos herausstellten,
so geben wir diese Nachricht vorläufig als unverbürgt.

Unter den hiesigen Zeitungen, welche diese Nachricht ebenfalls
bringen, bemerkt die Sp. Z. mit officiöser Miene, daß dieselbe, „wenn
etwas Wahres daran sein sollte, sich schwerlich auf die Akademie
selbst, sondern wohl nur auf die mit der hiesigen Akademie ver-
bundene Kunst- und Gewerkschule beziehen dürfte", und fährt dann
fort: „Denn obwohl (!) Hr. Kreling Kaulbach's Schwieger-

sohn, so ist er doch als Künstler nicht bekannt, sondern seine
Verdienste beziehen sich auf die Leitung einer Kunst- und Gewerbe-
schule, ähnlich unseren Provinzial-Kunstschulen. Es ist daher wohl
nicht anzunehmen, daß an seine Berufung an die Spitze der preußi-
schen Akademie ernstlich gedacht worden sei." — Was hat — fragen
wir — die verwandtschaftliche Stellung Herrn Kreling's zu Kaulbach
mit seiner künstlerischen Bedeutung zu thun? Wenn übrigens der
Sp. Z. Herr Kreling als Künstler nicht bekannt ist, so beweist sie da-
mit nur ihre eigne Unbekanntschaft mit ihm. Dergleichen Insinuationen
sind um so unpassender, als es sich bei Besetzung des akademischen
Direktorats noch um ganz andere Dinge und Eigenschaften handelt,
als um eine größere oder geringere künstlerische Popularität: nämlich
um eine gründliche Bildung, um Einsicht in die Bedürfnisse des
heutigen Kunstlebens, um ein organisatorisches Talent und um Festig-
keit des Charakters; Eigenschaften, die allerdings leider selten in
hinreichendem Maaße vereinigt sind. Daß die Berufung Herrn
Kreling's, da sie gewisse Kombinationen und Pläne durchkreuzen
dürste, hier von manchen Seiten auf Widerstand stoßen werde, liegt
zwar auf der Hand; eben so gewiß aber gebietet es auch das Interesse
des Instituts selbst, daß das bisherige Provisorium endlich aufhöre.
 
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