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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 11.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.13558#0176

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höchstes Alter die ungeschwächte Kraft des Geistes und Körpers
sich zu bewahren; ja selbst seine äußere imposante Erscheinung
hatte wie die Goethe's etwas Olympisches, auf seiner hohen
Stirn thronte, wie auf der des Dichterkönigs, die ewige Jugend
des Lieblings der Götter. — Noch andere Berührungspunkte
ließen sich hervorheben zwischen diesen beiden Heroen der moder-
nen Kunstentwickelung, so ein gewisser, bei Goethe erst im späteren
Alter hervortretender und stets durch feine Urbanität verhüllter
Egoismus, der zuweilen bis zur despotischen Härte ging.

Rauch's Leben, und zwar dessen bester und edelster Theil
koncentrirt sich in den von ihm hinterlassenen unsterblichen
Werken, welche, von seinem ersten bedeutenden und, was Em-
pfindung betrifft, nie übertroffenen Werke, dem unvergleichlich
schönen „Grabdenkmal der Königin Luise" im Mauso-
leum des charlottenburger Schloßgartens, herab bis zu seiner
„Mosesgruppe" und zur „Thaerstatue", eine Künstler-
Biographie im großartigsten Lapidarstyl darstellen. Es ist nicht
meine Absicht, hier in eine ausführliche Biographie Rauch's ein-
zugehen; ich bemerke daher nur beiläufig der Vollständigkeit halber,
daß er am 2. Januar 1777 zu Arolsen geboren war. Sein
Vater war Kammerdiener. Im 13. Jahre brachte ihn dieser
zu dem Hofbildhauer Balentini und später zum Professor
Ruhl nach Kassel. Durch den Tod seines Vaters der Sub-
sistenzmittel beraubt, kam er durch Vermittelung eines Freundes
desselben an den Hof nach Potsdam und erhielt bei der Königin
Luise eine Kammerdienerstelle. Sein künstlerisches Talent blieb
nicht unbemerkt; er erhielt die Erlaubniß, die Akademie zu be-
suchen und ging im Jahre 1804 auf Kosten der Königin nach
Rom, wo er, durch Wilhelm von Humboldt begünstigt, in
den Ateliers von Canova und Thorwaldsen arbeitete. Als
1810 die Königin gestorben, wurde Rauch von Thorwaldsen
zur Ausführung ihres Grabdenkmals in Vorschlag gebracht,
welches schon 1814 vollendet und aufgestellt wurde. Seit dieser
Zeit hat Rauch, der inzwischen nach Berlin zurückgekehrt war,
diese Stadt auf längere Zeit nicht wieder verlassen. Sein Ruhm
verbreitete sich jetzt mit reißender Schnelle, von allen Seiten
strömten Aufträge ihm zu, und so ist es geblieben bis zu seinem
Tode. Nach jenem wunderbaren Grabdenkmal, in dessen Ge-
staltung sich die ganze Fülle seiner dankbaren Liebe zu der holden
Fürstin in unverwischbaren Zügen ausdrückte, schuf er später
noch die „Grabdenkmäler des Königs Ernst August von Han-
nover und seiner Gemahlin", sowie das „Grabdenkmal der (in
jugendlichem Alter verstorbenen) Prinzessin von Hessen-Darm-
stadt". — In die Zwischenzeit aber fallen eine Reihe von
Werken anderer Natur, da die nächstfolgende Zeit — es war kurz
nach Beendigung der Freiheitskriege — ihn von den idealen Auf-
gaben ab auf ein Gebiet führte, in dem er wahrhaft schöpferisch
zu wirken vermochte. Es sind damit seine F eld Herren statuen
und Fürstendenkmäler gemeint.

Da es ohnehin unmöglich ist, die in dem Rauchmuseum
vereinigten Modelle auch nur den Hauptwerken nach — es sind
162 Nummern — genauer zu charakterisiren, und es mir, wie
ich hier sogleich bemerken will, vielmehr darauf ankommt, einer-
seits die Stellung Rauchs in der modernen Kunst-

Geschichte in Betracht zu ziehen, andererseits die sich in seiner
Gesammthätigkeit offenbarenden besonderen Ent-
wickelungsphasen anzudeuten, wie sie sich aus der allerdings
nicht chronologisch geordneten Zusammenstellung seiner Modelle
im Museum ergeben, so mag hier gleich äußerlich erwähnt
werden, daß trotz der großen Menge der ausgestellten Modelle
doch die Sammlung keineswegs vollständig ist. Namentlich aus
seiner früheren Zeit fehlt Manches, was theils von ihm selbst
zerstört und unbeachtet gelassen, theils verschenkt wurde. Es
sind darunter manche bedeutende Werke, die theils in anderen
Besitz übergegangen, theils in Metallgießereien mißachtet und
zerbrochen wurden. So fehlt z. B. die schöne stehende „Mädchen-
figur, einen Schmetterling haltend", deren Marmorausführung,
im Besitze der Familie von Humboldt, sich im Schlosse Tegel
befindet, sowie das eben dort befindliche Relief, den frühsten
Arbeiten des Meisters angehörend. Das Modell zur „Frauke-
Gruppe" ist an das Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin
verschenkt worden, eine „Statue Gneisenau's" an das Kadetten-
corps; die Modelle der beiden „Statuen Blücher's" sind im
berliner Zeughause aufgestellt, das der „Dürer-Statue" in der
Akademie zu Nürnberg, das des sitzenden „Königs Max Joseph
von Bayern" in Schleißheim bei München, das des „Groß-
herzogs Paul von Mecklenburg-Schwerin" in der Gießerei zu
Lauchhammer. Von den berühmten „Victorien" fehlt die eine
im Charlottenburger Park; auch von dein einen der Reliefs am
„Denkmal Bülow's" ist das Originalmodell, an dem Rauch
vielfach korrigirt und geändert hatte, abhanden gekommen.

Der Katalog, dem wir diese Notiz über die fehlenden
Modelle entnehmen, bemerkt dazu mit Recht, daß es eine „fort-
gesetzte Aufgabe der Verwaltung des Museums sein wird, das
Fehlende durch Abformnng der ausgeführten Denkmäler zu er-
setzen", wenn es nicht möglich sein sollte, einige Original-
Modelle, z. B. zu den Blücherstatuen, sowie die in Lauchhammer
und Nürnberg befindlichen Werke, zurückzuerhalten.

Nach dieser Zwischenbemerkung wollen wir auf Grund
einer Betrachtung der aufgestellten Werke eine chronologische
Uebersicht über dieselben zu geben versuchen, die um so nöthiger
erscheint, als leider die Lokalität des Museums eine Anordnung
der Werke nach ihrer zeitlichen Entstehung nicht zugelassen hat.

Wenn die erste Epoche der Rauch'schen Kunstthätigkeit mehr
in einem idealen Schaffen sich bewegte, welches durch die Natur
seiner Aufgabe, ein Grabdenkmal zu gestalten, begründet war,
so machte bald die lebendige Gegenwart ihre sehr realen Forde-
rungen geltend; es galt, die Helden der Freiheitskriege
in würdigen Denkmälern zu gestalten. Vielleicht war es ein
Glück für Rauch, daß diese Forderung an ihn herantrat, da
seine ganze Anschauung des Lebens, so erfüllt sie auch von den
Idealformen der Antike war, eine wesentlich reale Basis hatte.
Ein ideales Werk wie das „Grabdenkmal der Königin Luise" hat
er in dieser Reinheit nicht wieder geschaffen, und die demselben
später folgenden, obengenannten Grabdenkmäler (mit Ausnahme
vielleicht des der Königin von Hannover) tragen bereits ersicht-
lich die Spuren eines Mangels an innerlicher Vertiefung und
poetischer Empfindung. (Fortsetzung folgt.)
 
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