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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 11.1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.13558#0288

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274

alten Schadow, also etwa seit einem halben Menschenleben,
noch immer keinen Direktor, ja seit dem Tode Herbigs nicht
einmal einen Vicedirektor hat, ist eine Thatsache, die zn mannig-
fachen Bedenken Anlaß giebt. Diese Thatsache ist so aufsallend
und abnorm, daß, wenn man sich nicht allmälig daran gewöhnt
hätte, sie dem Unbefangenen kaum glaublich erscheinen müßte.
Man hat verschiedene Versuche gemacht, Künstler von Ruf zu
dieser Stelle heranzuziehen: bald hieß es, Professor I. Hübner
sei dazu designirt, dann verlautete, es sei eine Aufforderung an
Bendemann ergangen, endlich wurde mit Bestimmtheit ver-
sichert, mit Kreling in Nürnberg seien bereits Unterhand-
lungen angeknüpft. Wie viel oder wie wenig diesen nur ge-
rüchtweise in's Publikum gedrungenen Nachrichten Glauben zu
schenken, ist gleichgültig: es wird aber dadurch konstatirt, einer-
seits daß man wenigstens im Publikum ernstlich die Nothwen-
digkeit einer Neubesetzung der Direktorstelle gefühlt, andrerseits
daß Berlins akademischer Kontingent, wie es scheint, keinen für
diese Stelle passenden Künstler aufzuweisen hat. Es ist unsre Ab-
sicht nicht, das Für oder Wider dieser Ansicht in Betracht zu
ziehen, obschon wir unsre Meinung nicht verhehlen wollen, daß
man doch wohl in Berlin einen passenden Direktor finden
könnte, wenn man nur nach der rechten Richtung hin suchen
wollte; einen Direktor, der nicht nur die Kunstschule, welche
die eine Seite der Akademie bildet, mit Intelligenz und Kraft
leiten könnte, sondern auch — was keineswegs hierbei zu unter-
schätzen — die genügende allgemeine Weltbildung und das Re-
präsentationstalent besäße, um als würdige Spitze der obersten
preußischen Kunstanstalt als officieller Behörde deren Ansehn und
seine Würde, wo es gälte, zu behaupten.

Es könnte daher wohl noch ein andrer Grund als der
Mangel einer passenden Persönlichkeit dafür obwalten, daß diese
Stelle bisher immer noch unbesetzt geblieben ist, nämlich der,
daß, bei der vorhandenen Mangelhaftigkeit des bisherigen Lehr-
und Verwaltungsshstem der Akademie, eine Besetzung, weil sie
auf Grund der jetzigen veralteten Organisation geschehen müßte,
nothwendig als eine Konsolidirung dieses einer durchgreifenden
Regenerirung bedürftigen Zustandes aufgefaßt werden müßte.
Die Bestimmung des Direktoriums nach Umfang und Inhalt
dieser einflußreichen Stellung, und zwar nicht nur im Verhält-
niß zu den Mitgliedern, Lehrern und Schülern der Akademie,
sondern auch in Beziehung auf das Kultusministerium, sowie
auf die andern Kunsteinrichtungen und das gesammte Kunst-
leben des Staats, ist undenkbar ohne vorherige Feststellung
der Principien, auf welche die Reorganisation gegründet werden
soll. Das Direktorium ist die letzte Spitze dieser Reorganisation,
die letzte Schöpfung in dem neuen System, der Giebel des Ge-
bäudes, welches erst gebaut werden soll. Wie man bei einem
Hause nicht mit dem Dach beginnen kann, sondern zuerst das
Fundament legen und den ganzen Bauplan fertig schaffen muß,
so kann man auch — hat man wirklich die Nothwendigkeit einer
Reorganisation erkannt und die feste Absicht, sie auszuführen —
nicht mit der Wahl eines definitiven Direktors beginnen, son-
dern diese Wahl muß der letzte Akt sein, der das fertige
Ganze krönt.

Somit gewinnt es den Anschein, als ob die Zögerung,
die Direktorstelle zu besetzen, vielmehr einen günstigen Schluß

auf den festen Entschluß der Regierung ziehen lasse, die Aka-
demie einer gründlichen Reorganisation zu unterwerfen. In der
That glauben wir gegründeten Anlaß zu der Vermuthung zu
haben, daß diese Frage bereits länger und zu wiederholten
Malen im Schooß der Regierung zur Sprache gekommen ist,
daß verschiedene Gutachten über einen Reorganisationsplan ein-
geholt und erörtert worden sind, und daß nur die vis major
der politischen Fragen und der letzten kriegerischen Ereignisse
nebst den sich daran knüpfenden Verhandlungen der äußeren
Politik die Aufmerksamkeit vorläufig von diesen inneren Kultur-
fragen abgelenkt haben.

Die Frage der definitiven Besetzung des akademischeu Di-
rektoriums ist ohne Zweifel eine Principiensrage, und deshalb
eine offene. Ehe man an eine passende Persönlichkeit für diese
Stellung denkt, muß diese Stellung selber erst definirt werden.
Dies ist nun der Punkt, an den wir einige Vorschläge knüpfen
wollen.

Man hat bisher die Ernennung eines ständigen Direktors
(auf Lebenszeit) als selbstverständliche Voraussetzung gelten
lassen und hieran weitere Folgerungen geknüpft. Allein, ist
denn — fragen wir — die Ernennung einer bestimmten Person
zum lebenslänglichen Direktor durchaus nothwendig, ja nur
wünschenswerth? Wäre nicht ein unter den Mitgliedern des
Senats nach einem bestimmten Modus — etwa nach der An-
ciennetät oder nach freier Wahl— alternirendes einjäh-
rig es Direktorium in mehrfacher Beziehung vortheilhafter?

Diese Frage dürste wohl einer näheren Betrachtung werth
sein. —

Zunächst ist klar, daß keinerlei Nothwendigkeit für
die Ernennung eines lebenslänglichen Direktors vorhanden ist:
dies beweisen unsere Universitäten, deren Direktorium, die
Würde des Uaotor magnificus, alljährlich unter den ordent-
lichen Professoren der verschiedenen Fakultäten wechselt. Es
liegt durchaus kein Grund zu der Annahme vor, daß die Stel-
lung eines akademischen Direktors — sei es aus Rücksichten
der Administration oder der Repräsentation — mehr an eine
bestimmte Person gebunden sein müsse als die eines Ueetor
magnitiens der Universität. Das Direktorium beschränkt sich
hier wie dort aus die Function einer Vollziehungsbehörde der
Senatsbeschlüsse; der Senat also ist der eigentliche administra-
tive Körper, welcher nach Stimmenmehrzahl beschließt, während
der Direktor diese Beschlüsse nur auszuführen, eventuell den
Behörden und der Oeffentlichkeit gegenüber zu vertreten hat.
Er ist nur die formelle Spitze des Senats. An welche
Person sich diese Function knüpfe, ist gleichgültig, vorausgesetzt,
daß diese Person — was doch wohl von allen Mitgliedern des
Senats erwartet werden darf — überhaupt befähigt ist, dieser
formellen Function zu genügen.

Wenn aber keine Nothwendigkeit für die Ernennung eines
lebenslänglichen Direktors vorhanden ist, so bleibt nur noch die
praktische Seite, die Frage der Zweckmäßigkeit, zu betrachten.

Hiebei dürfte es nun kaum zweifelhaft sein, daß die jedem
einzelnen Mitgliede des Senats eröffnete Aussicht, die Würde
eines Direktors zu bekleiden, namentlich wenn die Modalität der
freien Wahl eingeführt würde, nicht ohne einen wohlthätigen
Einfluß auf dieselben bleiben dürfte, insofern Jeder dahin stre-
 
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