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bar ist, und es bleibt uns nur noch eine Bemerkung über den
.Zusammenhang zwischen dem Inhalt der verschiedenen Stufen
mit den für jede passendsten Darstellungsmitteln iibrig.
Wir beschränken uns, um uns nicht zu weit auszudehnen,
auf die Bemerkung, daß unter den von uns geschilderten Stufen
nur die drei ersten malbar sind, die vierte, die Stufe der
Thiersymbolik, dagegen nur für die graphische Illustration
oder höchstens für die Darstellung von grau in Grau ge-
eignet ist; wie denn auch Kaulbach seinen „Kinderfries" in:
Neuen Museum in wohl verstandener Würdigung seines sym-
bolischen Charakters in der letzteren Weise ausgeführt hat.
Unsere Behauptung gründet sich ans den von uns schon öfter
ausgesprochenen ästhetischen Grundsatz, daß die Malerei, als
die unter allen Darstellnngsartcn konkreteste, naturlebendigste
und direkteste Reproduction der Naturwirklichkeit, auch nur solche
Motive behandeln dürfe, welche eine direkte Lebenswahrheit haben.
Das Symbol, welches als solches nur eine indirekte, abstrakte
Bedeutung hat, kann auch nur durch eine von der direkten Wirk-
lichkeit abstrahirende Technik, also entweder durch die Skulptur,
welche von der Farbe, oder durch die Zeichnung, welche von Form
und Farbe abstrahirt, oder ähnliche Manieren, wo;u auch grau
in Gran u. s. w. gehört, dargestellt werden, ohne einen Wider-
spruch zwischen Inhalt und Form der Darstellung hervorzurufen.
Alles, was keine direkte (poetische) Wahrheit für uns hat — und
hiezu gehören nicht nur die im engeren Sinne symbolischen Mo-
tive, sondern auch die mythologischen —, wird besser in der
Zeichnung oder höchstens in einein gewissen Halbfarbenton seinen
ideellen Inhalt zur vollen und jedenfalls zu einer höheren kiinst-
lerischen Erscheinung bringen, als es in einem koloristisch ausge-
führten Gemälde möglich ist.
Welche Stellung nimmt nun aber gegenüber den oben be-
trachteten Darstellnngsweisen die Plastik ein? Die Beant-
wortung dieser Frage und damit den Abschluß der ganzen Be-
trachtung wollen wir uns bis zu dem Augenblicke aussparen, da
wir in unsrer Kritik der akademischen Ausstellung bis zu dem-
selben Punkte gelangt sind. (Schluß später.)
Korrespondenzen.
resden, 22. Febr. (Permanente Kunstausstellung
von Anton Elb. Schluß.)*) Der Künstler, welcher
das am Schluß meines vorigen Berichts erwähnte Werk
geschaffen, kann — wenn auch in Amerika geboren —
weniger durch seinen deutsch klingenden Namen, als nach
der aus seinem Bilde sprechenden poetisch angelegten
Natur, im Gegensätze zu der gespreizten Manier des Nankce-Künst-
lerthums, den gesunden, gemnthvollen, deutschen Charakter nicht ver-
leugnen. Das Gemälde muß zu de» sogenannten Kostüm-Genre-
bildern, jedoch nicht zu jener weitverzweigten Gattung, gerechnet
werden, bei welcher das Kostüm nicht des Gegenstandes, sondern
umgekehrt der Gegenstand wegen des Kostüms da zu sein scheint.
Dem Künstler, welcher sich diesem Genre widmet, Ivird es selbst bei
bedeutender Kunstfertigkeit niemals gelingen, etwas Großes zu leisten,
wenn dieselbe nicht durch eine seelische Gefühlsrichtung eine Unter-
stützung findet. Diese Unterstützung gewährt das zu besprechende
Gemälde seinem Autor in hohem Grade.
Wir sehen vor uns das Interieur eines mittelalterlichen Prunk-
saales, dessen reiche Ornamentik uns an die Zeiten des ritterlichen
Glanzes erinnert. Im Borgrnndc, an einer sammetgedcckten Tafel,
zeigen sich an deren einem uns sichtbaren Ende eine Anzahl im
wirren Durcheinander befindlicher Prunkgcfäße, als: Vasen, Frucht-
körbe, angeschnittene Leckerbissen und halbgeleerte Pokale, als Merk-
mal, daß dieselben bei einem eben abgehaltenen Feste gebraucht
worden sind. — Die Gäste haben sich entfernt! An dieser Tafel
sitzt nun, in ihrem äoleo far liiente, eine reichgeschmückte, ä la Stuart
bekleidete, im vollen Reize der Jugend und Schönheit prangende
Frau, ihr liebliches Kind — ihr Ebenbild — auf dem Schoße,
welches sie, die zärtliche Mutter, nach dem Aufbruch der Gesellschaft
offenbar sogleich herbeigeholt hat, um mit ihm spielend sich zu unter-
halten. Welch reizendes Motiv! Die Mutter neckt sich mit dem
Kinde, indem sie ihm eine Traube vorhält, ohne sie ihm zu über-
lassen. Meisterhaft und von tiefem Eingehen in die Charakteristik des
Kinderlebens ist der krampfhaft ausgestreckte Arm und der Aus-
*) Berichtigend bemerke ich, daß der in dem vorigen Bericht erwähnte
A. v. Cramer nicht ein Münchener, sondern ein düsseldorfer Künstler
äst und daß der Titel seines Bildes „Die Belauschten" lautet.
druck in dem Kinderköpfchen, in welchem unerachtet des momentan
noch lachenden Antlitzes deutlich wahrnehmbar ist, daß der kleine
Tantalus die offenbar schon lang geübte Geduld sehr bald verlieren
und das Lachen sich in einen Aufschrei der Ungeduld verwandeln
wird. — So weit über den einfachen und sinnigen stofflichen In-
halt des Gemäldes, das außer seiner technisch meisterhaften Durch-
führung das Herz des Beschauers so heimisch anmuthet! Man wird
diesen Stempel der Meisterschaft selbst in der Behandlung des Neben-
sächlichen nicht verkennen, wenn man einen Blick wirft auf die Or-
namentik des alterthümlichen Saales, auf den prächtigen, mit Amo-
retten gezierten Marmorkamin, auf die elegante Malerei der antiken
Gefäße, namentlich aber auf die als Caryatide gedachte Figur eines
hohen Fruchtkorb's, deren Träger mit sehnsüchtigem Blick nach den
ihm unerreichbaren Früchten schaut. Ganz besonders aber sei noch
hingewiescn auf die graziöse Bewegung in de» lebenswarmen Ge-
stalten, sowie auf die plastische Modellirung und koloristische Wirkung
der feinen Köpfchen, von welchen letzteren wir nur jenen der schönen
Mutter etwas weniger rosig und glatt gewünscht hätten. Auch die
Frisur derselben ist der damaligen Mode nicht getreu und fast modern
zu nennen, was nur deshalb dein aufmerksamen Beschauer anffällt,
weil sich in allem übrigen kein ähnlicher Anachronismus anfsinden
läßt. — Die Behandlung der Gewandung kann dem Mieris zur
Seite gestellt werden. Uebrigens hat der Künstler im beschatteten
Hintergründe links ein Gemälde im Geschmack des van Dyk ange-
bracht, das allein ein kleines Kunstwerk bildet. Wir vermuthen, daß
derselbe, nach Analogie der alten Meister, damit sein eignes Portrait
gegeben hat.
Das in tiefem gesättigtem Farbenton pastös und breitgemaltc
Bild, bei meisterhafter Verwendung des Halbdunkels, bietet jeden-
falls, unerachtet einiger koloristischen Dissonanzen, ein so einheitliches
harmonisches Ganze, daß es sich den besten Werken dieser Art würdig
anschließen darf.
Wir werden später auch andere hervorragende Gemälde der
Elb'schen Kunstausstellung besprechen, deren Inhaber sich er-
folgreich bestrebt, dem kunstliebenden Publikum unsrer Residenz nur
immer solche würdige Kunstwerke vorzuführen und damit dem hier
althergebrachten Schlendrian, der von mancher engherzigen Seite be-
günstigt scheint, ein Paroli zu biegen. Vorläufig erwähnen wir nur,
bar ist, und es bleibt uns nur noch eine Bemerkung über den
.Zusammenhang zwischen dem Inhalt der verschiedenen Stufen
mit den für jede passendsten Darstellungsmitteln iibrig.
Wir beschränken uns, um uns nicht zu weit auszudehnen,
auf die Bemerkung, daß unter den von uns geschilderten Stufen
nur die drei ersten malbar sind, die vierte, die Stufe der
Thiersymbolik, dagegen nur für die graphische Illustration
oder höchstens für die Darstellung von grau in Grau ge-
eignet ist; wie denn auch Kaulbach seinen „Kinderfries" in:
Neuen Museum in wohl verstandener Würdigung seines sym-
bolischen Charakters in der letzteren Weise ausgeführt hat.
Unsere Behauptung gründet sich ans den von uns schon öfter
ausgesprochenen ästhetischen Grundsatz, daß die Malerei, als
die unter allen Darstellnngsartcn konkreteste, naturlebendigste
und direkteste Reproduction der Naturwirklichkeit, auch nur solche
Motive behandeln dürfe, welche eine direkte Lebenswahrheit haben.
Das Symbol, welches als solches nur eine indirekte, abstrakte
Bedeutung hat, kann auch nur durch eine von der direkten Wirk-
lichkeit abstrahirende Technik, also entweder durch die Skulptur,
welche von der Farbe, oder durch die Zeichnung, welche von Form
und Farbe abstrahirt, oder ähnliche Manieren, wo;u auch grau
in Gran u. s. w. gehört, dargestellt werden, ohne einen Wider-
spruch zwischen Inhalt und Form der Darstellung hervorzurufen.
Alles, was keine direkte (poetische) Wahrheit für uns hat — und
hiezu gehören nicht nur die im engeren Sinne symbolischen Mo-
tive, sondern auch die mythologischen —, wird besser in der
Zeichnung oder höchstens in einein gewissen Halbfarbenton seinen
ideellen Inhalt zur vollen und jedenfalls zu einer höheren kiinst-
lerischen Erscheinung bringen, als es in einem koloristisch ausge-
führten Gemälde möglich ist.
Welche Stellung nimmt nun aber gegenüber den oben be-
trachteten Darstellnngsweisen die Plastik ein? Die Beant-
wortung dieser Frage und damit den Abschluß der ganzen Be-
trachtung wollen wir uns bis zu dem Augenblicke aussparen, da
wir in unsrer Kritik der akademischen Ausstellung bis zu dem-
selben Punkte gelangt sind. (Schluß später.)
Korrespondenzen.
resden, 22. Febr. (Permanente Kunstausstellung
von Anton Elb. Schluß.)*) Der Künstler, welcher
das am Schluß meines vorigen Berichts erwähnte Werk
geschaffen, kann — wenn auch in Amerika geboren —
weniger durch seinen deutsch klingenden Namen, als nach
der aus seinem Bilde sprechenden poetisch angelegten
Natur, im Gegensätze zu der gespreizten Manier des Nankce-Künst-
lerthums, den gesunden, gemnthvollen, deutschen Charakter nicht ver-
leugnen. Das Gemälde muß zu de» sogenannten Kostüm-Genre-
bildern, jedoch nicht zu jener weitverzweigten Gattung, gerechnet
werden, bei welcher das Kostüm nicht des Gegenstandes, sondern
umgekehrt der Gegenstand wegen des Kostüms da zu sein scheint.
Dem Künstler, welcher sich diesem Genre widmet, Ivird es selbst bei
bedeutender Kunstfertigkeit niemals gelingen, etwas Großes zu leisten,
wenn dieselbe nicht durch eine seelische Gefühlsrichtung eine Unter-
stützung findet. Diese Unterstützung gewährt das zu besprechende
Gemälde seinem Autor in hohem Grade.
Wir sehen vor uns das Interieur eines mittelalterlichen Prunk-
saales, dessen reiche Ornamentik uns an die Zeiten des ritterlichen
Glanzes erinnert. Im Borgrnndc, an einer sammetgedcckten Tafel,
zeigen sich an deren einem uns sichtbaren Ende eine Anzahl im
wirren Durcheinander befindlicher Prunkgcfäße, als: Vasen, Frucht-
körbe, angeschnittene Leckerbissen und halbgeleerte Pokale, als Merk-
mal, daß dieselben bei einem eben abgehaltenen Feste gebraucht
worden sind. — Die Gäste haben sich entfernt! An dieser Tafel
sitzt nun, in ihrem äoleo far liiente, eine reichgeschmückte, ä la Stuart
bekleidete, im vollen Reize der Jugend und Schönheit prangende
Frau, ihr liebliches Kind — ihr Ebenbild — auf dem Schoße,
welches sie, die zärtliche Mutter, nach dem Aufbruch der Gesellschaft
offenbar sogleich herbeigeholt hat, um mit ihm spielend sich zu unter-
halten. Welch reizendes Motiv! Die Mutter neckt sich mit dem
Kinde, indem sie ihm eine Traube vorhält, ohne sie ihm zu über-
lassen. Meisterhaft und von tiefem Eingehen in die Charakteristik des
Kinderlebens ist der krampfhaft ausgestreckte Arm und der Aus-
*) Berichtigend bemerke ich, daß der in dem vorigen Bericht erwähnte
A. v. Cramer nicht ein Münchener, sondern ein düsseldorfer Künstler
äst und daß der Titel seines Bildes „Die Belauschten" lautet.
druck in dem Kinderköpfchen, in welchem unerachtet des momentan
noch lachenden Antlitzes deutlich wahrnehmbar ist, daß der kleine
Tantalus die offenbar schon lang geübte Geduld sehr bald verlieren
und das Lachen sich in einen Aufschrei der Ungeduld verwandeln
wird. — So weit über den einfachen und sinnigen stofflichen In-
halt des Gemäldes, das außer seiner technisch meisterhaften Durch-
führung das Herz des Beschauers so heimisch anmuthet! Man wird
diesen Stempel der Meisterschaft selbst in der Behandlung des Neben-
sächlichen nicht verkennen, wenn man einen Blick wirft auf die Or-
namentik des alterthümlichen Saales, auf den prächtigen, mit Amo-
retten gezierten Marmorkamin, auf die elegante Malerei der antiken
Gefäße, namentlich aber auf die als Caryatide gedachte Figur eines
hohen Fruchtkorb's, deren Träger mit sehnsüchtigem Blick nach den
ihm unerreichbaren Früchten schaut. Ganz besonders aber sei noch
hingewiescn auf die graziöse Bewegung in de» lebenswarmen Ge-
stalten, sowie auf die plastische Modellirung und koloristische Wirkung
der feinen Köpfchen, von welchen letzteren wir nur jenen der schönen
Mutter etwas weniger rosig und glatt gewünscht hätten. Auch die
Frisur derselben ist der damaligen Mode nicht getreu und fast modern
zu nennen, was nur deshalb dein aufmerksamen Beschauer anffällt,
weil sich in allem übrigen kein ähnlicher Anachronismus anfsinden
läßt. — Die Behandlung der Gewandung kann dem Mieris zur
Seite gestellt werden. Uebrigens hat der Künstler im beschatteten
Hintergründe links ein Gemälde im Geschmack des van Dyk ange-
bracht, das allein ein kleines Kunstwerk bildet. Wir vermuthen, daß
derselbe, nach Analogie der alten Meister, damit sein eignes Portrait
gegeben hat.
Das in tiefem gesättigtem Farbenton pastös und breitgemaltc
Bild, bei meisterhafter Verwendung des Halbdunkels, bietet jeden-
falls, unerachtet einiger koloristischen Dissonanzen, ein so einheitliches
harmonisches Ganze, daß es sich den besten Werken dieser Art würdig
anschließen darf.
Wir werden später auch andere hervorragende Gemälde der
Elb'schen Kunstausstellung besprechen, deren Inhaber sich er-
folgreich bestrebt, dem kunstliebenden Publikum unsrer Residenz nur
immer solche würdige Kunstwerke vorzuführen und damit dem hier
althergebrachten Schlendrian, der von mancher engherzigen Seite be-
günstigt scheint, ein Paroli zu biegen. Vorläufig erwähnen wir nur,