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die Jahre 1831—49, die zweite 1850—60 umfaßte, die dritte
vom Jahre 1861 bis zum Tode datirte. — In der ersten
Periode war noch wenig von jenem träumerischen Gemüth, von
jener Feinfühligkeit für rhythmisch harmonische Linien, dem festen
sicheren Vortrag und der frischen blühenden Farbe zu sehen, wie
sie die späteren Werke auszeichneten. Dort geht Alles noch in
einer sorgfältigen Zeichnung auf, wobei dem Kolorit, den künst-
lerischen Bestrebungen jener Zeit völlig entsprechend, wenig Rech-
nung getragen wurde. Das ganze Stürmen und Drängen des
Künstlers tritt in der Uebergangsperiode am deutlichsten hervor.
Aber es ist kein vages Experimenüren,. sondern Schritt für
Schritt entwickelt sich die koloristische Reife innerhalb eines festen
bestimmten Strebens, bis seine Kunst in dem letzten Decennium
jene freudige Frische, jene hohe Eigenthümlichkeit und Vollendung
offenbarte, welche den Werken Schleich's eine gewisse Unmittel-
barkeit der Wirkung verliehen.
Der Lebensgang des Künstlers war schon in der Jugend
eher bewegt als ruhig. Eduard Schleich wurde am 12. Oktober
1812 als der Sohn eines Gutsbesitzers in Harbach bei Lauds-
hut geboren, wo er bis zum neunten Jahre bliebt) Die ersten
Eindrücke, welche der Knabe auf dem Lande in der weiten
landshuter Ebene empfing, mögen vielleicht bestimmend auf die
Richtung des Künstlers gewirkt haben, der besonders in seinen späte-
ren Schöpfungen weite Ebenen unter großartigen Lüften darstellte.
Als Schleich zehn Jahre alt war, schlugen seine Eltern ihre
Wohnung in dem alterthümlichen thurmreichen Landshut auf.
Ein Hauslehrer ertheilte dem Knaben Unterricht. Die deutschen
Aufsätze und lateinischen Exercitia interessirten ihn nur insofern,
als er sie eben machen mußte; die Gedanken beschäftigten sich
viel lebhafter mit der Außenwelt, aus der er gern, wie es eben
der Zufall brachte, Allerlei abzeichnete. Dieser Neigung folgte
er auch, als ein Jahr später die Eltern nach München über-
siedelten, wo der Vater die Liebhaberei des Sohnes noch da- *)
*) Die wichtigsten Momente theilte mir freundlichst die Schwester des
verstorbenen Künstlers mit, dieselben sind also authentisch. R. A.
durch lebhaft unterstützte, daß er ihm im Zeichneit Privatunter-
richt ertheilen ließ. Da starb der Vater, und mit dessen Tode
traten für den Knaben andere Verhältnisse ein. Im Alter von
vierzehn Jahren wurde er als Schüler des Seminars in Amberg
eingeschrieben, um daselbst zu studiren. Die strengen Seminar-
Disciplinen, verbunden mit dem langen Bücherhocken, entsprachen
jedoch wenig dem unruhigen, lebendigen Naturell des Knaben.
Das Zeichnen fing nachgerade an ihm über Alles zu gehen, er
vernachlässigte derartig die Aufgaben, daß die Lehrer dem Schüler
selten ein freundliches Gesicht zeigten, weil dieser seine Pensa
nur oberflächlich und nicht genügend ausarbeitete. So kam es
denn, daß er nach zwei Jahren das eonsilinm abenndi erhielt.
Frei athmete er auf, als er der Anstalt und den sie leitenden,
katholischen Geistlichen den Rücken kehrte. Wieder in München
eingetroffen, wurde nun im Familienrathe beschlossen, den jungen
Eduard einen solchen Beruf erlernen zu lassen, bei welchem ihm
Gelegenheit zur Ausübung im Zeichnen gegeben würde. Er sollte
demgemäß Architekt werden. Aber auch dabei fing es schon
wieder zu hapern an, denn Reißbrett und Reißschiene, geometrische
Aufrisse und Ornamentik, Styl- und Baukonstructionslehre waren
keineswegs diejenigen Materialien und Fächer, denen der Jüng-
ling eine große Verehrung zollte. Dazu kam noch die wenig
erquickliche Aussicht, später praktisch als Maurerlehrling mit
Kelle und Mörtel arbeiten zu müssen, wie es damals bei den der
Architektur sich widmenden Zöglingen Vorschrift war, und die mit
jener Ausübung stehenden zünftigen Ohrfeigen nach „Handwerks-
brauch und Gewohnheit".
Endlich sollten sich ihm die Pforten des Heils öffnen,
wo Künstler und Professoren ein- und ausgingen. Er wurde
Schüler der Münchener Akademie, derjenigen Anstalt, deren
Ehrenmitglied und Professor er später wurde. Allein, nur sehr
kurze Zeit nahm sie ihn in ihre Arme auf. Weil er gar so
wenig Talent besaß, ja dieses überhaupt als sehr zweifelhaft be-
zeichnet wurde, gaben ihm die Professoren die Weisung, die
Akademie zu verlassen und sich besser einem anderen Berufe, als
demjenigen der Malerei zu widmen. (Schluß folgt.)
Korrespondenzen.
nrlsruhe, den 10. März. (Ausstellungsbericht.)
Die Ausstellung dieser Woche brachte wieder manches
Neue und Anziehende. Riefstahl, seit einem halben
Jahr von Roni znrückgekehrt, weilt wieder in unsrer
aufblühenden Kunststadt und hat ein kleineres sehr
interessantes Bild ausgestellt. Riefstahl's eigentliches
Fach, Figuren mit Landschaft, ist jedenfalls eines der dankbar-
sten. Im besprochenen Bilde, „Klosterkirche am Inn", sehen wir
eine Anzahl Franziskaner-Mönche aus dem hohen Portal eines von
der Sonne grell beleuchteten Klosters treten. Einige Dorfjungen
und Weiber eilen herbei, um den Hochwürdigen die Hände zu küssen.
Im Mittelgründe sieht man den Jnnfluß und weiter hinten die Ge-
birge, die das enge, aber freundliche Thal (wahrscheinlich das En-
gadin) einschließen. Die Sonne, die auf das retcE) profilirte Portal
des Klosters, auf die Mönchsköpfe und auf das frische Grün der
Wiesen scheint, ist so frappant, daß man versucht ist zu glauben,
das ganze Bild sei nach der Natur gemalt. Gleichwohl können
wir die Stimmen nicht ganz überhören, welche mehr Accent auf
geistige Pointe gelegt wissen wollen. — Sehr breit und mit feinem
Sinn für Farbe und Wirkung behandelt ist ein Bild „Frühlings-
morgen am Chiemsee". Schade, daß die große Baumgruppe des
Vordergrundes in der Form zu flüchtig behandelt ist. Das Bild
ist von dem hier lebenden Maler A. von Waldenburg. —
„Sonntag in Oberbaiern" von Arnold Steffan in München, ist
so gemüthlich in der Auffassung, wie es der Stoff erfordert. Es
ist recht geschickt gemalt, nur etwas zu neblig gehalten. Mit etwas
mehr Bestimmtheit in Form und Farbe würde dieses recht hübsche
Bild noch günstiger wirken. — Noch ist zu erwähnen „Dorfpartie"
von P. Wern ecke, einem talentvollen Schüler der hiesigen Kunstschule.
F. K. München, Mitte März. (Ausstellung im Kunst-
Verein. Schluß.) Am Schlüsse des Vereinsjahres waren neben
den Novitäten zugleich diejenigen Werke ausgestellt, welche im Laufe
des Jahres vom Vorstande des Kunstvereins zur Verloosung unter
die Mitglieder angekauft worden sind. Man hat über die Art der
Ankäufe sowohl während der Sitzungen des Vorstandes als auch
die Jahre 1831—49, die zweite 1850—60 umfaßte, die dritte
vom Jahre 1861 bis zum Tode datirte. — In der ersten
Periode war noch wenig von jenem träumerischen Gemüth, von
jener Feinfühligkeit für rhythmisch harmonische Linien, dem festen
sicheren Vortrag und der frischen blühenden Farbe zu sehen, wie
sie die späteren Werke auszeichneten. Dort geht Alles noch in
einer sorgfältigen Zeichnung auf, wobei dem Kolorit, den künst-
lerischen Bestrebungen jener Zeit völlig entsprechend, wenig Rech-
nung getragen wurde. Das ganze Stürmen und Drängen des
Künstlers tritt in der Uebergangsperiode am deutlichsten hervor.
Aber es ist kein vages Experimenüren,. sondern Schritt für
Schritt entwickelt sich die koloristische Reife innerhalb eines festen
bestimmten Strebens, bis seine Kunst in dem letzten Decennium
jene freudige Frische, jene hohe Eigenthümlichkeit und Vollendung
offenbarte, welche den Werken Schleich's eine gewisse Unmittel-
barkeit der Wirkung verliehen.
Der Lebensgang des Künstlers war schon in der Jugend
eher bewegt als ruhig. Eduard Schleich wurde am 12. Oktober
1812 als der Sohn eines Gutsbesitzers in Harbach bei Lauds-
hut geboren, wo er bis zum neunten Jahre bliebt) Die ersten
Eindrücke, welche der Knabe auf dem Lande in der weiten
landshuter Ebene empfing, mögen vielleicht bestimmend auf die
Richtung des Künstlers gewirkt haben, der besonders in seinen späte-
ren Schöpfungen weite Ebenen unter großartigen Lüften darstellte.
Als Schleich zehn Jahre alt war, schlugen seine Eltern ihre
Wohnung in dem alterthümlichen thurmreichen Landshut auf.
Ein Hauslehrer ertheilte dem Knaben Unterricht. Die deutschen
Aufsätze und lateinischen Exercitia interessirten ihn nur insofern,
als er sie eben machen mußte; die Gedanken beschäftigten sich
viel lebhafter mit der Außenwelt, aus der er gern, wie es eben
der Zufall brachte, Allerlei abzeichnete. Dieser Neigung folgte
er auch, als ein Jahr später die Eltern nach München über-
siedelten, wo der Vater die Liebhaberei des Sohnes noch da- *)
*) Die wichtigsten Momente theilte mir freundlichst die Schwester des
verstorbenen Künstlers mit, dieselben sind also authentisch. R. A.
durch lebhaft unterstützte, daß er ihm im Zeichneit Privatunter-
richt ertheilen ließ. Da starb der Vater, und mit dessen Tode
traten für den Knaben andere Verhältnisse ein. Im Alter von
vierzehn Jahren wurde er als Schüler des Seminars in Amberg
eingeschrieben, um daselbst zu studiren. Die strengen Seminar-
Disciplinen, verbunden mit dem langen Bücherhocken, entsprachen
jedoch wenig dem unruhigen, lebendigen Naturell des Knaben.
Das Zeichnen fing nachgerade an ihm über Alles zu gehen, er
vernachlässigte derartig die Aufgaben, daß die Lehrer dem Schüler
selten ein freundliches Gesicht zeigten, weil dieser seine Pensa
nur oberflächlich und nicht genügend ausarbeitete. So kam es
denn, daß er nach zwei Jahren das eonsilinm abenndi erhielt.
Frei athmete er auf, als er der Anstalt und den sie leitenden,
katholischen Geistlichen den Rücken kehrte. Wieder in München
eingetroffen, wurde nun im Familienrathe beschlossen, den jungen
Eduard einen solchen Beruf erlernen zu lassen, bei welchem ihm
Gelegenheit zur Ausübung im Zeichnen gegeben würde. Er sollte
demgemäß Architekt werden. Aber auch dabei fing es schon
wieder zu hapern an, denn Reißbrett und Reißschiene, geometrische
Aufrisse und Ornamentik, Styl- und Baukonstructionslehre waren
keineswegs diejenigen Materialien und Fächer, denen der Jüng-
ling eine große Verehrung zollte. Dazu kam noch die wenig
erquickliche Aussicht, später praktisch als Maurerlehrling mit
Kelle und Mörtel arbeiten zu müssen, wie es damals bei den der
Architektur sich widmenden Zöglingen Vorschrift war, und die mit
jener Ausübung stehenden zünftigen Ohrfeigen nach „Handwerks-
brauch und Gewohnheit".
Endlich sollten sich ihm die Pforten des Heils öffnen,
wo Künstler und Professoren ein- und ausgingen. Er wurde
Schüler der Münchener Akademie, derjenigen Anstalt, deren
Ehrenmitglied und Professor er später wurde. Allein, nur sehr
kurze Zeit nahm sie ihn in ihre Arme auf. Weil er gar so
wenig Talent besaß, ja dieses überhaupt als sehr zweifelhaft be-
zeichnet wurde, gaben ihm die Professoren die Weisung, die
Akademie zu verlassen und sich besser einem anderen Berufe, als
demjenigen der Malerei zu widmen. (Schluß folgt.)
Korrespondenzen.
nrlsruhe, den 10. März. (Ausstellungsbericht.)
Die Ausstellung dieser Woche brachte wieder manches
Neue und Anziehende. Riefstahl, seit einem halben
Jahr von Roni znrückgekehrt, weilt wieder in unsrer
aufblühenden Kunststadt und hat ein kleineres sehr
interessantes Bild ausgestellt. Riefstahl's eigentliches
Fach, Figuren mit Landschaft, ist jedenfalls eines der dankbar-
sten. Im besprochenen Bilde, „Klosterkirche am Inn", sehen wir
eine Anzahl Franziskaner-Mönche aus dem hohen Portal eines von
der Sonne grell beleuchteten Klosters treten. Einige Dorfjungen
und Weiber eilen herbei, um den Hochwürdigen die Hände zu küssen.
Im Mittelgründe sieht man den Jnnfluß und weiter hinten die Ge-
birge, die das enge, aber freundliche Thal (wahrscheinlich das En-
gadin) einschließen. Die Sonne, die auf das retcE) profilirte Portal
des Klosters, auf die Mönchsköpfe und auf das frische Grün der
Wiesen scheint, ist so frappant, daß man versucht ist zu glauben,
das ganze Bild sei nach der Natur gemalt. Gleichwohl können
wir die Stimmen nicht ganz überhören, welche mehr Accent auf
geistige Pointe gelegt wissen wollen. — Sehr breit und mit feinem
Sinn für Farbe und Wirkung behandelt ist ein Bild „Frühlings-
morgen am Chiemsee". Schade, daß die große Baumgruppe des
Vordergrundes in der Form zu flüchtig behandelt ist. Das Bild
ist von dem hier lebenden Maler A. von Waldenburg. —
„Sonntag in Oberbaiern" von Arnold Steffan in München, ist
so gemüthlich in der Auffassung, wie es der Stoff erfordert. Es
ist recht geschickt gemalt, nur etwas zu neblig gehalten. Mit etwas
mehr Bestimmtheit in Form und Farbe würde dieses recht hübsche
Bild noch günstiger wirken. — Noch ist zu erwähnen „Dorfpartie"
von P. Wern ecke, einem talentvollen Schüler der hiesigen Kunstschule.
F. K. München, Mitte März. (Ausstellung im Kunst-
Verein. Schluß.) Am Schlüsse des Vereinsjahres waren neben
den Novitäten zugleich diejenigen Werke ausgestellt, welche im Laufe
des Jahres vom Vorstande des Kunstvereins zur Verloosung unter
die Mitglieder angekauft worden sind. Man hat über die Art der
Ankäufe sowohl während der Sitzungen des Vorstandes als auch