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Nachdem sich Schleich den Namen gemacht, wurde er mit
Aufträgen, besonders von Seiten der Kunsthändler, überhäuft, aber
bei der großen Leichtigkeit des Schaffens wußte er sie alle zu befrie-
digen. Als Vorlagen zu seinen Bildern dienten ihm die flüchtigsten
Bleistiftsskizzen, in denen aber Licht und Schatten bestimmt aus-
gesprochen waren. Mit einem regen feinen Sinn für die Ge-
setze der künstlerischen Linie und mit einem hervorragend bild-
mäßigen Erfassen des Gegenstandes begabt, kam es ihm gar
nicht darauf an, um die richtige Wirkung in einem Gemälde zu
erzielen, zuweilen eine falsche tiefe oder helle Farbe auf die
Bildfläche zu setzen, nur um das Für oder Wider in der Licht-
und Schattenwirknng zu prüfen. Nach dem gefaßten Entschlüsse
hatte er dann schnell den richtigen Ton gefunden.
Der Meister besaß wie Wenige viel Urtheil über die richtige
Organisation eines Bildes, sowohl in Zeichnung als Farbe. Er
war insofern recht eigentlich Kontrapunktist in der Malerei. Einst
besuchte er einen Genremaler, der ihm ein fertiges Bild zeigte.
Schleich sah sich dasselbe an und sagte: „Es fehlt Roth darin."
Der Künstler wollte aber das Urtheil des Landschaftsmalers
nicht recht respektiren, obwohl er wohl sah, daß das Bild noch
nicht ganz stimme. Nach mancherlei Veränderungen und Kor-
rekturen entschloß er sich endlich ein rothes Gewand zu malen
und sofort wirkte das Bild. Ueberhaupt legten auch solche
Künstler Gewicht auf das Urtheil Schleich's, welche einer an-
deren Abtheilung als der Landschaftsmalerei angehörten. Den
Einfluß der Farbe im Bilde stellte er sehr hoch, er pflegte
dabei zu sagen: Ein Bild könne schlecht komponirt sein, sei es
aber künstlerisch richtig und harmonisch kolorirt, so sei die
Farbe im Stande, jene Schwäche wesentlich zu lindern und dem
Bilde trotzdem einen bedeutenden künstlerischen Eindruck zu ver-
leihen.
Zur Zeit der wiener Weltausstellung wohnte ich mit
Schleich in einem Hotel (Hotel National). Wenn wir unten
morgens beim Kaffee zusammensaßen, kam das Gespräch meistens
auf die Leistungen der französischen Meister, namentlich auf die-
jenigen der Landschaftsmalerei. Er verkannte dabei keineswegs
die uns Deutschen eigenthümliche Strenge der Auffassung und
ein eingehendes dichterisches Erfassen des Gegenstandes, anderer-
seits aber meinte er und wohl mit Recht, daß wir von den
Franzosen die Entschiedenheit und Frische des Vortrags lernen
und wie diese nach Originalität streben sollten. Damit hatte
Schleich freilich besonders die Leistungen derjenigen französischen
Meister im Auge, die längst im ewigen Schlafe ausruhen: die
Meister Troyon und Rousseau.
Wenn Schleich ein neues Bild begann — er malte
meistens auf Holz — so zeichnete er den Gegenstand mit leichtem
Asphaltton auf und führte das Ganze Braun in Braun aus.
Nachdem so das Bild in Licht und Schatten untertuscht war,
pflegte er dasselbe mit leichten Lasurfarben zu koloriren, nur
die höchsten Lichter der Luft, des Terrains oder Baumschlags
malte er mit fetterem Jmpasto. Schleich hatte nie Schüler im
eigentlichen Sinne, trotzdem war sein Einfluß ans die Entwicklung
der Münchener Landschaftsmalerei ein ganz bedeutender. Er
wollte ungestört für sich allein arbeiten, um so die ganze geistige
Koncentration in seine Gemälde zu übertragen. Als ich ihn einst
besuchte, sagte er in humoristischer Laune zu mir: „Sehen Sie,
da wurde mir heute ein ganz hübsches Reitpferd als Geschenk
angeboten." „Weshalb nahmen Sie es nicht?" „Ja, es war
die Bedingung daran geknüpft, daß ich den Eigenthümer als
Schüler bei mir aufnehme. Maler N. hat mich gestern besucht,
mir sein wunderschönes Reitpferd, einen Apfelschimmel, gegeigt
und mich gebeten, ich möchte ihn versuchsweise reiten. Das
Pferd geht sehr gut, hat eine hübsche Haltung, nicht zu viel
Temperament — es ist mit einem Worte ein sehr schönes Reit-
pferd. Als ich es lobte, sagte er mir, er mache es mir zum
Geschenk, wenn ich ihn als Schüler aufnehme, aber ich kann
mich, trotzdem er Talent besitzt, principiell nicht dazu entschließen."
Opferfreudig widmete Schleich aber gern solchen Künstlern
manchen Nachmittag, die ihn um sein Urtheil baten.
Die Last der Jahre drückte den Künstler wenig. Inner-
halb eines gewissen Ernstes, wie es der Grundzug des Genies ist,
wurde man durch das Wohlwollen und die Liebenswürdigkeit,
welche seine Gespräche erwärmten, leicht mit ihm bekannt. Er
hatte viel gelesen. Den Tagesfragen und politischen Ereignissen
folgte er mit größtem Interesse. Wenn er auch nicht gerade
viel sprach, so merkte man doch bald, daß man es mit einem
Künstler von allgemeiner Bildung zu thun habe. Jedenfalls hatte
Schleich dasjenige, was er etwa in der Schule versäumt, in
späteren Jahren durch Selbstunterricht reichlich nachgeholt.
Schleich war Dichter im vollsten Sinne. Mit reicher
lyrischer Empfindung begabt, vermied er im Vortrag jede penible
Manier, die so gern das Gefolge des Alters ist. Er schaffte
mit einer Frische und Originalität, um die ihn junge Künstler
beneideten. Die Vollendung und Meisterschaft gaben sich nicht
nur in der Breite des Vortrags, der Transparenz der Farbe
kund, sondern ebenso in großer harmonischer Gesaunntwirknng
in dein seinen Verständniß für Form und Linie, obgleich er jene
immer unterzuordnen schien. Er malte in den letzter: Jahren
nur Dasjenige, was sein Herz ihm eingab. Dekorativen, koketten
Stoffen mit überschwänglicher Komposition, wie sie das große
Publikum liebt, kehrte er den Rücken. Seine Sujets, die er
rneistens der Umgebung Münchens, zuweilen auch Holland und
anderen Ländern eirtlehnte, behandeln im Vordergründe die ein-
fachsten Motive, reicher gestaltete er den Mittelgrund und die
ganze Empfindung seiner dichterischen Seele legte er in die
weiten Fernen. Die alten niederländischen Meister mit ihrer
ungesuchten lyrischen Einfachheit blieben bis an's Lebensende seine
Vorbilder.
So arbeitete der Meister, dem man die Monotonie des
Alters weder im Aeußern noch in seinen Werken ansah, glück-
lich in begeisterter Ausübung der Kunst. An Auszeichnungen
fehlte es ihm nicht. Er war k. Professor, Ritter des bayrischen
Verdienstordens vom heil. Michael und des k. k. österreich-
Ordens der eisernen Krone, dann Ehrenmitglied der Akademien
von München, Wien, Stockholm re. Im engen Verkehr mit
seinen Freunden Voltz und Spitzweg, iiberall anregend und mit
freundlichem Rathe zur Hand rrnd arrfstreberrde Talente ernum-
ternd, konnte er mit dem Dichter der „Jahreszeiten" sagen:
„Gleite fröhlich dahin, gieb Rath dem werdenden Schüler,
Freue des Meisters dich und so genieße des Tags."
Am 7. Januar v. I. kehrte Schleich Abends zeitiger als gewöhn-
lich heim. Als die Schwester aus dem Theater karn, fand sio
Nachdem sich Schleich den Namen gemacht, wurde er mit
Aufträgen, besonders von Seiten der Kunsthändler, überhäuft, aber
bei der großen Leichtigkeit des Schaffens wußte er sie alle zu befrie-
digen. Als Vorlagen zu seinen Bildern dienten ihm die flüchtigsten
Bleistiftsskizzen, in denen aber Licht und Schatten bestimmt aus-
gesprochen waren. Mit einem regen feinen Sinn für die Ge-
setze der künstlerischen Linie und mit einem hervorragend bild-
mäßigen Erfassen des Gegenstandes begabt, kam es ihm gar
nicht darauf an, um die richtige Wirkung in einem Gemälde zu
erzielen, zuweilen eine falsche tiefe oder helle Farbe auf die
Bildfläche zu setzen, nur um das Für oder Wider in der Licht-
und Schattenwirknng zu prüfen. Nach dem gefaßten Entschlüsse
hatte er dann schnell den richtigen Ton gefunden.
Der Meister besaß wie Wenige viel Urtheil über die richtige
Organisation eines Bildes, sowohl in Zeichnung als Farbe. Er
war insofern recht eigentlich Kontrapunktist in der Malerei. Einst
besuchte er einen Genremaler, der ihm ein fertiges Bild zeigte.
Schleich sah sich dasselbe an und sagte: „Es fehlt Roth darin."
Der Künstler wollte aber das Urtheil des Landschaftsmalers
nicht recht respektiren, obwohl er wohl sah, daß das Bild noch
nicht ganz stimme. Nach mancherlei Veränderungen und Kor-
rekturen entschloß er sich endlich ein rothes Gewand zu malen
und sofort wirkte das Bild. Ueberhaupt legten auch solche
Künstler Gewicht auf das Urtheil Schleich's, welche einer an-
deren Abtheilung als der Landschaftsmalerei angehörten. Den
Einfluß der Farbe im Bilde stellte er sehr hoch, er pflegte
dabei zu sagen: Ein Bild könne schlecht komponirt sein, sei es
aber künstlerisch richtig und harmonisch kolorirt, so sei die
Farbe im Stande, jene Schwäche wesentlich zu lindern und dem
Bilde trotzdem einen bedeutenden künstlerischen Eindruck zu ver-
leihen.
Zur Zeit der wiener Weltausstellung wohnte ich mit
Schleich in einem Hotel (Hotel National). Wenn wir unten
morgens beim Kaffee zusammensaßen, kam das Gespräch meistens
auf die Leistungen der französischen Meister, namentlich auf die-
jenigen der Landschaftsmalerei. Er verkannte dabei keineswegs
die uns Deutschen eigenthümliche Strenge der Auffassung und
ein eingehendes dichterisches Erfassen des Gegenstandes, anderer-
seits aber meinte er und wohl mit Recht, daß wir von den
Franzosen die Entschiedenheit und Frische des Vortrags lernen
und wie diese nach Originalität streben sollten. Damit hatte
Schleich freilich besonders die Leistungen derjenigen französischen
Meister im Auge, die längst im ewigen Schlafe ausruhen: die
Meister Troyon und Rousseau.
Wenn Schleich ein neues Bild begann — er malte
meistens auf Holz — so zeichnete er den Gegenstand mit leichtem
Asphaltton auf und führte das Ganze Braun in Braun aus.
Nachdem so das Bild in Licht und Schatten untertuscht war,
pflegte er dasselbe mit leichten Lasurfarben zu koloriren, nur
die höchsten Lichter der Luft, des Terrains oder Baumschlags
malte er mit fetterem Jmpasto. Schleich hatte nie Schüler im
eigentlichen Sinne, trotzdem war sein Einfluß ans die Entwicklung
der Münchener Landschaftsmalerei ein ganz bedeutender. Er
wollte ungestört für sich allein arbeiten, um so die ganze geistige
Koncentration in seine Gemälde zu übertragen. Als ich ihn einst
besuchte, sagte er in humoristischer Laune zu mir: „Sehen Sie,
da wurde mir heute ein ganz hübsches Reitpferd als Geschenk
angeboten." „Weshalb nahmen Sie es nicht?" „Ja, es war
die Bedingung daran geknüpft, daß ich den Eigenthümer als
Schüler bei mir aufnehme. Maler N. hat mich gestern besucht,
mir sein wunderschönes Reitpferd, einen Apfelschimmel, gegeigt
und mich gebeten, ich möchte ihn versuchsweise reiten. Das
Pferd geht sehr gut, hat eine hübsche Haltung, nicht zu viel
Temperament — es ist mit einem Worte ein sehr schönes Reit-
pferd. Als ich es lobte, sagte er mir, er mache es mir zum
Geschenk, wenn ich ihn als Schüler aufnehme, aber ich kann
mich, trotzdem er Talent besitzt, principiell nicht dazu entschließen."
Opferfreudig widmete Schleich aber gern solchen Künstlern
manchen Nachmittag, die ihn um sein Urtheil baten.
Die Last der Jahre drückte den Künstler wenig. Inner-
halb eines gewissen Ernstes, wie es der Grundzug des Genies ist,
wurde man durch das Wohlwollen und die Liebenswürdigkeit,
welche seine Gespräche erwärmten, leicht mit ihm bekannt. Er
hatte viel gelesen. Den Tagesfragen und politischen Ereignissen
folgte er mit größtem Interesse. Wenn er auch nicht gerade
viel sprach, so merkte man doch bald, daß man es mit einem
Künstler von allgemeiner Bildung zu thun habe. Jedenfalls hatte
Schleich dasjenige, was er etwa in der Schule versäumt, in
späteren Jahren durch Selbstunterricht reichlich nachgeholt.
Schleich war Dichter im vollsten Sinne. Mit reicher
lyrischer Empfindung begabt, vermied er im Vortrag jede penible
Manier, die so gern das Gefolge des Alters ist. Er schaffte
mit einer Frische und Originalität, um die ihn junge Künstler
beneideten. Die Vollendung und Meisterschaft gaben sich nicht
nur in der Breite des Vortrags, der Transparenz der Farbe
kund, sondern ebenso in großer harmonischer Gesaunntwirknng
in dein seinen Verständniß für Form und Linie, obgleich er jene
immer unterzuordnen schien. Er malte in den letzter: Jahren
nur Dasjenige, was sein Herz ihm eingab. Dekorativen, koketten
Stoffen mit überschwänglicher Komposition, wie sie das große
Publikum liebt, kehrte er den Rücken. Seine Sujets, die er
rneistens der Umgebung Münchens, zuweilen auch Holland und
anderen Ländern eirtlehnte, behandeln im Vordergründe die ein-
fachsten Motive, reicher gestaltete er den Mittelgrund und die
ganze Empfindung seiner dichterischen Seele legte er in die
weiten Fernen. Die alten niederländischen Meister mit ihrer
ungesuchten lyrischen Einfachheit blieben bis an's Lebensende seine
Vorbilder.
So arbeitete der Meister, dem man die Monotonie des
Alters weder im Aeußern noch in seinen Werken ansah, glück-
lich in begeisterter Ausübung der Kunst. An Auszeichnungen
fehlte es ihm nicht. Er war k. Professor, Ritter des bayrischen
Verdienstordens vom heil. Michael und des k. k. österreich-
Ordens der eisernen Krone, dann Ehrenmitglied der Akademien
von München, Wien, Stockholm re. Im engen Verkehr mit
seinen Freunden Voltz und Spitzweg, iiberall anregend und mit
freundlichem Rathe zur Hand rrnd arrfstreberrde Talente ernum-
ternd, konnte er mit dem Dichter der „Jahreszeiten" sagen:
„Gleite fröhlich dahin, gieb Rath dem werdenden Schüler,
Freue des Meisters dich und so genieße des Tags."
Am 7. Januar v. I. kehrte Schleich Abends zeitiger als gewöhn-
lich heim. Als die Schwester aus dem Theater karn, fand sio