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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 20.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.13551#0129

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ihren Bruder bereits im Bette, der iiber Unwohlsein klagte,
was jedoch Nichts zu bedeuten hätte. Nachts gegen drei Uhr
aber wurde sie in ihrem Schlafzimmer durch heftiges Klopfen
ihres Bruders geweckt, der wie in Todesangst rief: „Steh' auf,
steh' auf! ich sterbe!" Die Schwester eilte schnell zu einem
Cholera-Stationsarzt, der den Zustand Wohl bedenklich, aber
noch nicht lebensgefährlich fand. Morgens fühlte sich Schleich
besser. Im Laufe des Vormittags jedoch sagte er zu seiner
Schwester: „Ich werde nicht mehr gesund und werde an der
Cholera sterben. Wenn es nur schnell mit mir zu Ende ginge
und ich mich nicht lange quälen müßte." Der Arzt fand die
Krankheit verschlimmert und fragte Schleich in Betreff des
letzten geistlichen Beistandes. „Du siehst, wie es mit mir steht",
sagte er zur Schwester, „aber ich bitte dich, verschone mich mit
den Geistlichen". Um halb zehn Uhr Abends am 8. Januar,
nach vier und zwauzigstündigem Krankenlager verschied Schleich.

Ein rauher Winternachmittag schiittelte die Schneeflocken
auf das frische Grab, in das man den Meister gebettet. Schon
schläft er seit einem Jahre. Mit freundlicher Hand hat die
Schwester, die ihrem Bruder mit herzlicher Liebe zngethan war
und mit der er als Junggeselle in nie gestörter Eintracht lange
Jahre gelebt, Wohnung und Atelier unverändert so erhalten,
wie zu Lebzeiten Schleich's. Es schwebt noch ein warmer Lebens-
hauch mit voller Anmuth in diesem Künstler-Daheim. Die Hand
hat aber aufgehört zu schaffen, der Künstler kehrt nie wieder,
der uns die tageshellen Lüfte und deren Leuchtkraft, den Wechsel
der Morgen- und Abendstimmungen und den ganzen poetischen
Reiz stiller Mondnächte mit gleicher Meisterschaft schilderte.

Die Liebe seiner Schwester und seiner Freunde haben ihm
in ihren Herzen ein unvergeßliches Denkmal errichtet, er selbst
setzte sich durch seine Werke das dauerndste in der Kunstgeschichte.

Robert Aßmus.

Korrespondenzen.

^eipzig, Mitte April. (Akademie; del Vecchio's
Kunstausstellung.) Unsere Kunstakademie hat
seit der Berufung des Professor Nie per neuen Auf-
^Ischwung genommen, der sich nicht blos in der wesent-
^ nJ Uch stärkeren Frequenz, sondern auch hauptsächlich in der
^-9" Heranziehung tüchtiger Lehrkräfte - äußert. Bei allen
Verdiensten, die sich der frühere Leiter der Anstalt, der im Jahre
1871 verstorbene Professor Gustav Jäger, um die bildende
Kunst überhaupt und die leipziger Akademie im Besonderen er-
worben hat, huldigte er doch zu sehr der kirchlich-orthodoxen Richtung
und duldete nur mit Widerstreben das Studium antiker und mo-
dern weltlicher Vorwürfe. Der Einfluß Schnorr von Carolsseld,
dem Jäger bekanntlich seine Ausbildung verdankte, wies diesen vor-
zugsweise auf historisch-biblische Stoffe hin, und wenn sich auch gegen
diese einseitige Richtung des Künstlers nichts einwenden läßt, von
dem Vorstand eines Kuustiustituts darf mau universellere
Grundsätze erwarten. Nieper huldigt diesen, und der Erfolg zeigt,
daß er damit das Richtige getroffen hat, so daß sich bereits eine
räumliche Erweiterung der Uuterrichtslokale erforderlich machte.
Innerhalb des letzten Jahres wurden nicht weniger als vier neue
Lehrer berufen: Kupferstecher Seifert aus Rom, Baumeister Vieh-
weger aus Leipzig, Prof. Zurstraßen aus Nürnberg und Ar-
chitekt Scheffers aus Altona. Von großer Wichtigkeit ist es für
die theoretische Ausbildung der Schüler, daß die Professoren Over-
beck und Springer denselben den Besuch ihrer Vorlesungen an
hiesiger Universität in liberalster Weise gestatteten.

D e l V e c ch i o 's K u n st a u s st e l l u n g bietet in diesem Augen-
blicke manches Sehcnswerthe, wenn sich auch nichts von epoche-
machender Bedeutung darunter befindet. Das interessanteste Bild ist
unstreitig eine kleine Landschaft von Alexander Calame, welche
von der Firma del Vecchio acquirirt wurde. An der Echtheit dieses
Gemäldes ist selbstverständlich nicht zu zweifeln; wer aber die ge-
waltigen Alpenscenerien Calame's mit ihrem energischen Naturalismus,
ihrer Farbentiefe und kühnen Komposition kennt, wer desselben
Künstlers „Ruinen von Pästnm", dieses Meisterwerk grandioser Be-
leuchtungseffekte, gesehen hat, der wird freilich in dieser bescheidenen
Arbeit den unvergeßlichen Künstler schwerlich wiedererkennen. Mit
dem Namen des Meisters verbindet sich unwillkürlich die Vorstellung
gigantischer Objekte; man ist daher einigermaaßen erstaunt, einer
Arbeit Calame's in so engem Rahmen und in fast bagatellmäßiger

Behandlung zu finden. Dennoch ist das Bild nicht ohne künst-
lerischen Werth, selbst wenn ihm nicht durch den Namen seines
Schöpfers der Nimbus der Klassicität verliehen worden wäre.

Eine „Waldlandschaft" von Do nzette in Berlin fällt umgekehrt
schon durch ihre bedeutenden Dimensionen iu's Auge. Um so strengere
Anforderungen hat mau aber deshalb an die Zeichnung zu stellen,
deren Korrektheit, namentlich in der Baumskelettirung viel zu wünschen
übrig läßt. Ueberhaupt macht die ganze Behandlung den Eindruck
einer fabrikmäßigen Gewandtheit. — „Herbstabend" von Buch holz
in Weimar ist dagegen ein stimmnngsvolles, poetisch gedachtes Land-
schaftsbild, dem der Künstler jenen schwermüthigen Hauch verliehen
hat, welcher dieser Jahreszeit eigen ist. Die welken, vergilbten
Blätter, die nur noch spärlich die Bäume schmücke», die dunstige,
herbstliche Atmosphäre, eine Schaar gefiederter Sänger, im Begriff
die große Reise nach dem warmen Süden anzutreten — das alles
in wohldurchdachter Wechselwirkung weckt jene eigenthümlich traurigen
Empfindungen, die uns beschleichen, wenn die Natur sich zuni
Winterschlafe rüstet.

Festlich heimelt uns dagegen Ernst Hehn's Aquarelle „Früh-
lingsmorgen auf dem Lande" an. Auch hier hat der Künstler durch
die glückliche Zusammenstellung passender Motive eine vortreffliche
Wirkung erzielt. Sonntäglich gekleidete Kirchgänger, blühende Bäume,
sonnige Beleuchtung und klarer Himmel — was braucht cs mehr,
um einen lachenden Frühlingsmorgen barzustellen? Als Aquarellist
verdient Heyn entschiedene Aufmunterung, ja wir glauben sogar, daß
er künftig in diesem Fache größere Erfolge zu verzeichnen haben wird
denn als Oelmaler. Bei dieser Gelegenheit möchten wir die Notiz
einschalten, daß Professor Karl Werner soeben eine nene Orient-
reise angetreten hat, von welcher er im Herbste zurückzukehren gedenkt;
auf die künstlerische Ausbeute seiner Skizzenbücher darf man mit Recht
gespannt sein.

Ein trefflich durchgeführtes Genrebild von Leon Pohle in
Weimar, Mädchen mit Feldblumen darstellend, sowie einige Humores-
ken von Reicheubach ebendaselbst und Naumann in München
möchten wir, da der knapp bemessene Raum eingehendere Besprechung
nicht gestattet, wenigstens lobend erwähnen.

Rk. Dresden, Anfang April. (Die Ausstellung dcr
Konkurrenzentwürfe für den Hauptvorhang des neuen
hiesigen Hoftheaters. Schluß.) In dieser inhaltlichen Be-
ziehung interessanter und bedeutender ist ein Entwurf mit dem
 
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