121
von tadelloser Ausführung. Die am Boden liegende, von der dem
eiugeschlafeuen Kind entfallenen Puppe umgeworfeue und zerschlagene
Vase mit Blumen, der Teppich, das Polster, auf welchem das Kind
sitzt, dieses selbst und endlich der Hintergrund des Ganzen: dieses
Alles hat der Künstler in kräftiger pastoser Farbenbehandlung zu
einem höchst wirkungsvollen malerischen Ensemble zu vereinigen ge-
wußt. —
Auch die am Schluß meines vorigen Berichtes kurz ange-
zeigten Bilder der National-Gallerie erfreuen sich nach wie vor
der verdienten Anerkennung von Seiten der Kunstfreunde. Außer-
dem kamen in letzter Zeit Landschaften von C. Scheitz hier „Etsch-
thal bei Meran", von Höfler „Italienischer See", von Türke
in Dresden „Motiv von Capri" und von I. Hut,h „Marine" zur
Ausstellung. Zwei Bilder von Delfs in Hamburg „Nach dem
Regen", Landschaft mit Viehstaffage, und ein „Vormarsch von Truppen
des 10. Armeecorps gegen Le Mans" leiden bei sonstigen Vorzügen,
guter Stimmung und Charakteristik, an mangelhafter Durchführung.
Namentlich ist die Viehstafsage des ersteren Bildes zum Theil sehr
oberflächlich behandelt. (Schluß folgt.)
A Düsseldorf, Anfang April. (Aus den permanenten
Ausstellungen. Schluß.) Das Motiv des Vautier'schen Bildes,
dem schwäbischen Dorfleben entnommen, ist folgenden Inhalts. Aus
einen: reichen Bauernhanse wird die geliebte Tochter — und sie
ist wirklich liebenswcrth diese blonde, schlanke, echt gefühlvolle Jung-
frau — von dem glücklichen Bräutigani fortgeführt. Im Ueber-
maaß der Freude schwingt der Jüngling den bebänderten Hut
und jauchzt den Gefährten zu/ schade nur, daß er nicht von
ferne an die Schönheit seiner Braut hinanreicht und auch die Ge-
stalt wenig jugendlich erscheint, was doch wohl nicht allein der
schwerfälligen Tracht zugeschriebcn werden kann. Vor dem Hause in
der anmuthigen Landschaft, aus der das nahe Dörfchen heraufwinkt,
sieht man den Wagen stehen, die blanken Braunen angespannt, der
Knecht des Winkes zur Abfahrt harrend, bereit das Paar von dannen
zu tragen. Schon sind Bräutigam und Braut die hölzerne Freitreppe
hinab, da umschlingt die jüngere Schwester die ältere, und birgt das
Köpfchen weinend am Busen der Scheidenden. Sehr richtig ist die
Abstufung des Schmerzes bei den beiden Mädchen wiedergegeben/
die jüngere verliert ohne Ersatz, bei der älteren hält die Freude dem
Leid die Waage. Ueber das rosige Gesicht, in das die blonden
krausen Haare sich aus dem schwarzen Käppchen hinabdrängen, zuckt
die Wehmuth nur leise, wie Regen beim Sonnenschein anzusehen.
Die Eltern, welche unmittelbar hinter jenen die Stiege Hinabkommen,
sind gehaltener in ihren Gefühlen, der Vater ernst sinnend, die
Mutter voll Genugthuung über die gute Versorgung der Tochter.
Freundinnen folgen, unter ihnen ein kleines Mädchen, das man des
gefühlvollen Ausdrucks wegen für eine zweite jüngere Schwester der
Braut halten könnte. Dies Kind ist das Juwel des Bildes, ebenso
natürlich als schön, ein kleines Meisterstück, noch dem reizenden
Köpfchen des an der Mauer stehenden braunen ernstzuschauenden
Mädchens vorzuzieheu. Weniger sagt uns das rothblonde Mädchen
zu, welches neben dem Kinde herabkommt, obgleich Kolorit und Aus-
druck gelungen sind; aber der Oberkörper erscheint zu lang und die
Stellung gezwängt, wie uns auch ein Gleiches bei den: untenstehen-
den blumenbekränzten Kinde auffällt. In den Musikanten, welche
oben auf dem Vorplatz spielen, in den jubelnden Paaren, die aus den
Fenstern winken, in der Kellnerin und dem Burschen vor dem Hause
ist die laute Freude ohne allen ernsten Beigeschmack vertreten. Auch
die Armuth fehlt in diesem Kreise nicht, aber sie verdüstert ihn nicht,
denn Alle, die alte Scheuerfrau, die baarfüßigen Jungen, der Bettler
unten auf der Bank, nehmen Theil am Wohlstand und der Frei-
gebigkeit des gastlichen Hauses. Was nun die Farbe des Bildes
betrifft, so ist dieselbe eine in sich harmonische, aber nicht freudig
genug, um die Wirkung des Ganzen zu heben, vielmehr wird diese
etwas trübe Stimmung den ersten Eindruck ohne Zweifel beein-
trächtigen.
R. München, 22. März. (Wanderungen durch K u n st -
Werkstätten.) Meister Linden sch mit verbleibt auch nach seiner
Ernennung zun: Professor an der Akadeniie in seinem Privat-Atelier,
bis der Akademie-Neubau vollendet sein wird. Zur Zeit legt er
eben die letzte Hand an ein größeres Gemälde aus der Reformations-
zeit: „Luther's Unterredung mit dem Kardinal Thomas de Vio von
Gaeta in Augsburg im Oktober 1518". Es hat genau dieselben
Maaßverhältnisse wie des Künstlers im vorigen Jahre ausgestelltes
„Religionsgespräch in Marburg", doch geht ein größerer Zug durch
die Komposition, welche auch die einzelnen Figuren weit über ihre
wirkliche Größe hinausgehend erscheinen läßt. Cajetanus war in
päpstlichem Aufträge nach Augsburg gekommen, den Augustiner
Mönch, der im Jahre vorher die ganze gelehrte Welt in Bewegung
gebracht, zu verhören und entweder als Ketzer zu verhaften oder,
falls er widerriefe, zu absolviren. Nun steht der Letztere begeisterten
Blickes dein gelehrten Kardinal gegenüber, um von seinen An-
schauungen nicht ein Jota zu ändern, und seine einfache schwarze
Mönchskutte bildet einen kräftigen Gegensatz gegen das faltenreiche
Purpurgewand des Kirchenfürsten, der finster nach ihm hinübcrschant.
Hinter dem Kardinal stehen ein paar welsche Höflinge mit scharf
ausgeprägtem nationalem Typus, während an seinem Tische der ge-
lehrte Konrad Peutinger, der freien Reichsstadt Augsburg Syndicus,
und noch ein Delegirter Platz genommen haben und zwei Herren
aus Sachsen, die Luthern das Geleite nach Augsburg gegeben,
diesem wie schützend zur Seite stehen. Das Verhör hat sichtlich auf
alle Anwesenden den tiefsten Eindruck gemacht; jeder scheint sich der
weltgeschichtlichen Bedeutung der Scene bewußt zu sein und sich zu
sagen: ein Manu, der mit so vielem Freünuthe für seine Sache ein-
tritt, wird nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Was den Auf-
bau des Ganzen anlangt, so kann dies neueste Werk Lindenschuüt's
auch als das reifste seines bisherigen Schaffens bezeichnet werden,
da es auch in koloristischer Hinsicht einen nanihaften Fortschritt zeigt,
während die Charakteristik wie immer meisterhaft ist. Nächst den
beiden Hauptpersonen ist es namentlich Dr. Peutinger, der die Auf-
merksamkeit des Beschauers in Anspruch nimmt. Der treffliche
Staatsmann und vielseitige Gelehrte verfolgt den Gang des Ge-
spräches n:it gespanntester Aufmerksamkeit, und selbst wer nicht wüßte,
daß Peutinger einer der Ersten war, die sich in seiner Vaterstadt
der neuen Lehre zuwendeten, müßten in seinen Zügen lesen, daß es
noch etwas anderes ist als das Interesse an den wissenschaftlichen
Fragen, die eben verhandelt werden, oder persönliche Theilnahme an
dem kühnen Mönch, was die Seele Peutinger's erfüllt, dessen ganze
Erscheinung nicht blos den Gelehrten, sondern auch den pfiffigen
Schwaben erkennen läßt, dessen hohe diplomatische Begabung seiner
Vaterstadt so oft zu Statteu kam.
Noch sind nicht volle fünf Jahre verflossen, seit wir Zeugen
jener welterschütternden Ereignisse gewesen, aus denen das neue
deutsche Reich hervorging und schon muthen sie uns wie Geschichte
an. Und so müssen wir auch des trefflichen Reinh. Seb. Zimmer-
mann's Bild aus jenen Tagen, das wir jüngst auf seiner Staf-
felei sahen, dem historischen Genre einreihen. Wir befinden uns in
der Schänke eines Landstädtchens. Eben ist die Nachricht von der
Schlacht von Sedan und der Gefangennahme Napoleons eingetroffen
und wir dürfen es den ehrlichen Schwaben nicht verübeln, wenn
sie darüber außer Rand und Band gerathen. Daß die Weingläser
lustig zusammenklingen, versteht sich von selbst, und daß der junge
Mann, der die schwarzrothweiße Fahne herbeiholt, um sie vom First
von tadelloser Ausführung. Die am Boden liegende, von der dem
eiugeschlafeuen Kind entfallenen Puppe umgeworfeue und zerschlagene
Vase mit Blumen, der Teppich, das Polster, auf welchem das Kind
sitzt, dieses selbst und endlich der Hintergrund des Ganzen: dieses
Alles hat der Künstler in kräftiger pastoser Farbenbehandlung zu
einem höchst wirkungsvollen malerischen Ensemble zu vereinigen ge-
wußt. —
Auch die am Schluß meines vorigen Berichtes kurz ange-
zeigten Bilder der National-Gallerie erfreuen sich nach wie vor
der verdienten Anerkennung von Seiten der Kunstfreunde. Außer-
dem kamen in letzter Zeit Landschaften von C. Scheitz hier „Etsch-
thal bei Meran", von Höfler „Italienischer See", von Türke
in Dresden „Motiv von Capri" und von I. Hut,h „Marine" zur
Ausstellung. Zwei Bilder von Delfs in Hamburg „Nach dem
Regen", Landschaft mit Viehstaffage, und ein „Vormarsch von Truppen
des 10. Armeecorps gegen Le Mans" leiden bei sonstigen Vorzügen,
guter Stimmung und Charakteristik, an mangelhafter Durchführung.
Namentlich ist die Viehstafsage des ersteren Bildes zum Theil sehr
oberflächlich behandelt. (Schluß folgt.)
A Düsseldorf, Anfang April. (Aus den permanenten
Ausstellungen. Schluß.) Das Motiv des Vautier'schen Bildes,
dem schwäbischen Dorfleben entnommen, ist folgenden Inhalts. Aus
einen: reichen Bauernhanse wird die geliebte Tochter — und sie
ist wirklich liebenswcrth diese blonde, schlanke, echt gefühlvolle Jung-
frau — von dem glücklichen Bräutigani fortgeführt. Im Ueber-
maaß der Freude schwingt der Jüngling den bebänderten Hut
und jauchzt den Gefährten zu/ schade nur, daß er nicht von
ferne an die Schönheit seiner Braut hinanreicht und auch die Ge-
stalt wenig jugendlich erscheint, was doch wohl nicht allein der
schwerfälligen Tracht zugeschriebcn werden kann. Vor dem Hause in
der anmuthigen Landschaft, aus der das nahe Dörfchen heraufwinkt,
sieht man den Wagen stehen, die blanken Braunen angespannt, der
Knecht des Winkes zur Abfahrt harrend, bereit das Paar von dannen
zu tragen. Schon sind Bräutigam und Braut die hölzerne Freitreppe
hinab, da umschlingt die jüngere Schwester die ältere, und birgt das
Köpfchen weinend am Busen der Scheidenden. Sehr richtig ist die
Abstufung des Schmerzes bei den beiden Mädchen wiedergegeben/
die jüngere verliert ohne Ersatz, bei der älteren hält die Freude dem
Leid die Waage. Ueber das rosige Gesicht, in das die blonden
krausen Haare sich aus dem schwarzen Käppchen hinabdrängen, zuckt
die Wehmuth nur leise, wie Regen beim Sonnenschein anzusehen.
Die Eltern, welche unmittelbar hinter jenen die Stiege Hinabkommen,
sind gehaltener in ihren Gefühlen, der Vater ernst sinnend, die
Mutter voll Genugthuung über die gute Versorgung der Tochter.
Freundinnen folgen, unter ihnen ein kleines Mädchen, das man des
gefühlvollen Ausdrucks wegen für eine zweite jüngere Schwester der
Braut halten könnte. Dies Kind ist das Juwel des Bildes, ebenso
natürlich als schön, ein kleines Meisterstück, noch dem reizenden
Köpfchen des an der Mauer stehenden braunen ernstzuschauenden
Mädchens vorzuzieheu. Weniger sagt uns das rothblonde Mädchen
zu, welches neben dem Kinde herabkommt, obgleich Kolorit und Aus-
druck gelungen sind; aber der Oberkörper erscheint zu lang und die
Stellung gezwängt, wie uns auch ein Gleiches bei den: untenstehen-
den blumenbekränzten Kinde auffällt. In den Musikanten, welche
oben auf dem Vorplatz spielen, in den jubelnden Paaren, die aus den
Fenstern winken, in der Kellnerin und dem Burschen vor dem Hause
ist die laute Freude ohne allen ernsten Beigeschmack vertreten. Auch
die Armuth fehlt in diesem Kreise nicht, aber sie verdüstert ihn nicht,
denn Alle, die alte Scheuerfrau, die baarfüßigen Jungen, der Bettler
unten auf der Bank, nehmen Theil am Wohlstand und der Frei-
gebigkeit des gastlichen Hauses. Was nun die Farbe des Bildes
betrifft, so ist dieselbe eine in sich harmonische, aber nicht freudig
genug, um die Wirkung des Ganzen zu heben, vielmehr wird diese
etwas trübe Stimmung den ersten Eindruck ohne Zweifel beein-
trächtigen.
R. München, 22. März. (Wanderungen durch K u n st -
Werkstätten.) Meister Linden sch mit verbleibt auch nach seiner
Ernennung zun: Professor an der Akadeniie in seinem Privat-Atelier,
bis der Akademie-Neubau vollendet sein wird. Zur Zeit legt er
eben die letzte Hand an ein größeres Gemälde aus der Reformations-
zeit: „Luther's Unterredung mit dem Kardinal Thomas de Vio von
Gaeta in Augsburg im Oktober 1518". Es hat genau dieselben
Maaßverhältnisse wie des Künstlers im vorigen Jahre ausgestelltes
„Religionsgespräch in Marburg", doch geht ein größerer Zug durch
die Komposition, welche auch die einzelnen Figuren weit über ihre
wirkliche Größe hinausgehend erscheinen läßt. Cajetanus war in
päpstlichem Aufträge nach Augsburg gekommen, den Augustiner
Mönch, der im Jahre vorher die ganze gelehrte Welt in Bewegung
gebracht, zu verhören und entweder als Ketzer zu verhaften oder,
falls er widerriefe, zu absolviren. Nun steht der Letztere begeisterten
Blickes dein gelehrten Kardinal gegenüber, um von seinen An-
schauungen nicht ein Jota zu ändern, und seine einfache schwarze
Mönchskutte bildet einen kräftigen Gegensatz gegen das faltenreiche
Purpurgewand des Kirchenfürsten, der finster nach ihm hinübcrschant.
Hinter dem Kardinal stehen ein paar welsche Höflinge mit scharf
ausgeprägtem nationalem Typus, während an seinem Tische der ge-
lehrte Konrad Peutinger, der freien Reichsstadt Augsburg Syndicus,
und noch ein Delegirter Platz genommen haben und zwei Herren
aus Sachsen, die Luthern das Geleite nach Augsburg gegeben,
diesem wie schützend zur Seite stehen. Das Verhör hat sichtlich auf
alle Anwesenden den tiefsten Eindruck gemacht; jeder scheint sich der
weltgeschichtlichen Bedeutung der Scene bewußt zu sein und sich zu
sagen: ein Manu, der mit so vielem Freünuthe für seine Sache ein-
tritt, wird nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Was den Auf-
bau des Ganzen anlangt, so kann dies neueste Werk Lindenschuüt's
auch als das reifste seines bisherigen Schaffens bezeichnet werden,
da es auch in koloristischer Hinsicht einen nanihaften Fortschritt zeigt,
während die Charakteristik wie immer meisterhaft ist. Nächst den
beiden Hauptpersonen ist es namentlich Dr. Peutinger, der die Auf-
merksamkeit des Beschauers in Anspruch nimmt. Der treffliche
Staatsmann und vielseitige Gelehrte verfolgt den Gang des Ge-
spräches n:it gespanntester Aufmerksamkeit, und selbst wer nicht wüßte,
daß Peutinger einer der Ersten war, die sich in seiner Vaterstadt
der neuen Lehre zuwendeten, müßten in seinen Zügen lesen, daß es
noch etwas anderes ist als das Interesse an den wissenschaftlichen
Fragen, die eben verhandelt werden, oder persönliche Theilnahme an
dem kühnen Mönch, was die Seele Peutinger's erfüllt, dessen ganze
Erscheinung nicht blos den Gelehrten, sondern auch den pfiffigen
Schwaben erkennen läßt, dessen hohe diplomatische Begabung seiner
Vaterstadt so oft zu Statteu kam.
Noch sind nicht volle fünf Jahre verflossen, seit wir Zeugen
jener welterschütternden Ereignisse gewesen, aus denen das neue
deutsche Reich hervorging und schon muthen sie uns wie Geschichte
an. Und so müssen wir auch des trefflichen Reinh. Seb. Zimmer-
mann's Bild aus jenen Tagen, das wir jüngst auf seiner Staf-
felei sahen, dem historischen Genre einreihen. Wir befinden uns in
der Schänke eines Landstädtchens. Eben ist die Nachricht von der
Schlacht von Sedan und der Gefangennahme Napoleons eingetroffen
und wir dürfen es den ehrlichen Schwaben nicht verübeln, wenn
sie darüber außer Rand und Band gerathen. Daß die Weingläser
lustig zusammenklingen, versteht sich von selbst, und daß der junge
Mann, der die schwarzrothweiße Fahne herbeiholt, um sie vom First