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des Hauses wehen zu lassen, im Sinne Aller handelt, versteht sich
nicht minder von selbst. Unter Allen, die da jubeln, ist nur Einer,
dem die Sache doch nicht ganz gefällt, wenn er auch klug genug ist,
seinen wahren Gefühlen nicht Ausdruck zu geben: der katholische
Geistliche ward von der großen Nachricht nicht minder überrascht
als die Andern, aber die Ueberraschung war keine angenehme. Kein
Unbefangener wird dem Künstler die Berechtigung absprechen, diesen
Gegensatz der politischen Meinung zur Anschauung zu bringen, denn
jeder wahre Künstler bewegt sich im Gedankenkreise, der seine Zeit
beherrscht; aber die Gefahr, darin weiter zu gehen, als die über
politischen und kirchlichen Parteien stehende Kunst erlaubt, lag immer-
hin nahe, und darum verdient Zimmermann unser volles Lob dafür,
daß er das rechte Maaß eingchalten.
Kein Künstler ist in unseren Tagen so übel daran als der
Plastiker. Ganz abgesehen davon, daß er schon für einen bloßen Ent-
wurf verhältnißmäßig mehr Zeit und Baaraufwand machen muß als
der Maler in den meisten Fällen für sein fertiges Bild, abgesehen da-
von, daß die Plastik als im besten Sinne des Wortes aristokratische
Kunst ihrer Natur nach ein weit kleineres Publikum für sich hat
als die Malerei, für die sich leichter ein Verständniß erreichen läßt,
hat in unseren Tagen die Farbe in der Kunst eine Bedeutung ge-
wonnen, welche es begreiflich^) erscheinen ließe, wenn unsere moder-
nen Bildhauer nach dem Vorgänge ihrer hellenischen Kunstgenossen
daran gingen, ihren Statuen durch Anwendung von Farbe jenen
gesteigerten Schein von Wahrheit zu verleihen, welcher unserem
Publikum so wünschenswerth erscheint.
„Venus und Eros" — es giebt kaum einen künstlerischen Stoff,
der so vielfach behandelt worden wäre, und es gehört immerhin
einiger Muth dazu, denselben Gegenstand zur Darstellung zu wählen,
und der junge darmstädter Bildhauer Georg Bersch hatte ihn.
Im vorigen Sommer hatte er mit einer „badenden Nymphe" de-
bütirt und damit einen seltenen Adel der Auffassung und ein ener-
gisches Streben nach klassischer Formvollendung an Tag gelegt, das
alle Anerkennung verdiente. War an jener badenden Nymphe nicht
genug die Decenz der Ausführung zu loben, in Folge deren der Ein-
druck des Nackten oder Sinnlichen so entschieden zurücktrat wie in
wenig anderen nackten Mädchengestalten, so giebt seine Venus Ge-
legenheit dieses Lob zu wiederholen. Die Göttin der Schönheit und
Grazie hält den Arm des Sohnes fest, der ihr den Gürtel rauben
will, und der Künstler läßt die Frage offen, ob ihm der Raub ge-
lingen wird oder nicht. Das Ganze zeichnet sich durch edle, klas-
sische Haltung, höchst charakterische Silhouette und besonders ge-
lungene Behandlung der Fleischtheile vortheilhaft aus. Da ist
nichts von jener Diode gewordenen Effekthascherei, von jenem lüstern
machenden Kokettiren mit nackter Fülle, nichts von jener naturalisti-
schen Manier, die glauben machen will, der weibliche Körper bestehe
nur aus einigen Muskeln und viel Fett. Dem züchtigen Leib der
Göttin fehlt es nicht an Eleganz, aber auch nicht an innerem Halt,
wie ihn nur ein gut gebautes Knochengerüste geben kann. So
schwierig es auch ist, unter so schönen Theilen den schönsten her-
vorzuheben, so möcht' ich doch als diesen den Rücken mit seiner
jugendkräftigen Frische und Kernigkeit nennen, der sich eine wohl-
thuende Rundung paart. Aber weit höher als die einzelnen Schön-
heiten muß ich es anschlagen, daß der junge Künstler es verstanden
hat, im Geiste der Antike zu arbeiten.
f Darmstadt, Mitte April. (Kupferstecher H. Felsingf.)
Am 29. März d. I. starb hieselbst der Kupferstecher Heinrich
Fels in g. Er war der älteste Sohn eines darmstädter Künstlers, der
Stich und Druck mit gleichem Erfolge betrieb. Nach dem frühen
*) Begreifen laßt cs sich wohl, aber auch rechtfertigen? (Die Red.)
Tode des Vaters ging der Sohn zu seiner weiteren Ausbildung nach
Paris. Er erkannte daselbst bald, daß bei erhöhten Kunstan-
forderungen die beiden Theile des Kupferstichs und des Kupferdrucks
wesentlich verschiedenartige Geschicklichkeiten erfordern, deshalb ent-
sagte er dem Stiche und widmete sich dem seinem praktischen Sinne
mehr zusagenden Theile des Kupferdrucks. Ausgerüstet mit ange-
borener künstlerischer Begabung und mit allen in seinem Fache noth-
wendigen Kenntnissen in Chemie und Mechanik übernahm er die vom
Vater hinterlassene Werkstätte, welche er alsbald zu einer Kunstin-
dustrieanstalt erhob. Bon den damals blühenden Kunsthandlungs-
häusern Artaria in Mannheim und Arnold in Dresden wurde ihm
der Druck der großen Kunstblätter italienischer und deutscher Meister
übertragen, wodurch sein Name als der eines vorzüglichen Druckers
allgemeine Verbreitung fand. Sein Verständniß für die zu erzielende
Wirkung hob ihn über eine blos technische Fertigkeit empor; alle
besseren Stiche wurden seiner sorgfältigen Behandlung anvertrant,
wobei die Schonung der Platten znni Vortheil einer größeren An-
zahl von guten Drucken nicht wenig beitrug. Mehrmals wurde
Felsing nach Italien berufen, um die Platten der dortigen berühmten
Stecher zu drucken. Auf verschiedenen Industrieausstellungen wurden
seinen Arbeiten Verdienstmedaillen zuerkannt, auch schmückte ein groß-
herzoglich hessischer Orden seine Brust. — Mehr noch als durch
seine anerkannte Geschicklichkeit war er in seiner Vaterstadt beliebt
und gekannt durch seinen tüchtigen Charakter. Es war seine größte
Freude, mit Rath und That überall einzugreifen, wo man seine Hilft
verlangte, und wozu seine Kenntnisse in fast jeder Art technischer
Geschicklichkeit ihn befähigten. Die beiden Söhne desselben, Otio
und Friedrich, haben durch ihre Niederlassung in Berlin und
München den guten Ruf der Felsing'schen Kupferdruckerei in weitere
Kreise verbreitet.
□ I?om. Bei der Bedeutung, welche in neuester Zeit die
verschiedenen Zweige der Kunstindustrie allerorten gewonnen und
noch gewinnen, konnte es nicht fehlen, daß die Erfindung des sogen,
venetianischen Spitzenstiches durch Rinaldi-Mazzanti die Auf-
merksamkeit der bezüglichen Kreise auf sich zog. Frau Rinaldi-
Mazzanti, eine geborene Römerin, erhielt von einigen Spekulanten
eine Einladung nach England zu kommen, doch zog sie es vor, da-
hier eine Arbeitsschule zu errichten und darin Mädchen in ihrer
Kunst zu unterweisen. Die Schule ward im Oktober 1873 in der
Bia Magnanapoli eröffnet und hat bereits so schöne Erfolge er-
rungen, daß Frau Rinaldi-Mazzanti eine Ausstellung von Arbeiten
ihrer Schülerinnen im Industrie-Museum in San Lorenzo zu Lucina
veranstalten konnte, welche sehr tüchtige Leistungen aufzuweisen hat.
t Florenz, 6. April. (Die Erzgießerci.) Unser Unter-
richtsminister, Herr Bong hi, läßt sich keine Gelegenheit zu einem
Fiasco entgehen. Im Jahre 1837 ward in unserer Stadt eine
Schule gegründet zu dem Zwecke, den Erzguß wieder in's Leben zu
rufen, und es gelang ihr unter des trefflichen Papi Leitung wirk-
lich, eine Reihe von Werken zu erzeugen, welche die allgemeine Auf-
merksamkeit auf sich zogen und Schüler heranzuziehen, welche weit
über Florenz hinaus bekannt wurden — und nun kam Herr Bonght
unbegreiflicher Weise auf den Einfall, diese Anstalt, welche der ita-
lienischen Kunst so viel Ehre gemacht, mit einem einzigen Federzuge
aufzuheben. Ausfälliger Weise hat die einheimische Presse diese Maaß-
regel fast durchgehend ignorirt. Im Gemeinderath dagegen hat Herr
Cambray Digny, früher Finanzministee Italiens, den Sindaco
Herrn Peruzzi wegen des Dekretes interpellirt, das die Erzgießerei
aufhob, in Folge dessen Herr Bonghi unfern Sindaco durch den
Telegraphen die Mittheilung machte, er sei bereit, jene Verfügung
zurückzunehmen.
des Hauses wehen zu lassen, im Sinne Aller handelt, versteht sich
nicht minder von selbst. Unter Allen, die da jubeln, ist nur Einer,
dem die Sache doch nicht ganz gefällt, wenn er auch klug genug ist,
seinen wahren Gefühlen nicht Ausdruck zu geben: der katholische
Geistliche ward von der großen Nachricht nicht minder überrascht
als die Andern, aber die Ueberraschung war keine angenehme. Kein
Unbefangener wird dem Künstler die Berechtigung absprechen, diesen
Gegensatz der politischen Meinung zur Anschauung zu bringen, denn
jeder wahre Künstler bewegt sich im Gedankenkreise, der seine Zeit
beherrscht; aber die Gefahr, darin weiter zu gehen, als die über
politischen und kirchlichen Parteien stehende Kunst erlaubt, lag immer-
hin nahe, und darum verdient Zimmermann unser volles Lob dafür,
daß er das rechte Maaß eingchalten.
Kein Künstler ist in unseren Tagen so übel daran als der
Plastiker. Ganz abgesehen davon, daß er schon für einen bloßen Ent-
wurf verhältnißmäßig mehr Zeit und Baaraufwand machen muß als
der Maler in den meisten Fällen für sein fertiges Bild, abgesehen da-
von, daß die Plastik als im besten Sinne des Wortes aristokratische
Kunst ihrer Natur nach ein weit kleineres Publikum für sich hat
als die Malerei, für die sich leichter ein Verständniß erreichen läßt,
hat in unseren Tagen die Farbe in der Kunst eine Bedeutung ge-
wonnen, welche es begreiflich^) erscheinen ließe, wenn unsere moder-
nen Bildhauer nach dem Vorgänge ihrer hellenischen Kunstgenossen
daran gingen, ihren Statuen durch Anwendung von Farbe jenen
gesteigerten Schein von Wahrheit zu verleihen, welcher unserem
Publikum so wünschenswerth erscheint.
„Venus und Eros" — es giebt kaum einen künstlerischen Stoff,
der so vielfach behandelt worden wäre, und es gehört immerhin
einiger Muth dazu, denselben Gegenstand zur Darstellung zu wählen,
und der junge darmstädter Bildhauer Georg Bersch hatte ihn.
Im vorigen Sommer hatte er mit einer „badenden Nymphe" de-
bütirt und damit einen seltenen Adel der Auffassung und ein ener-
gisches Streben nach klassischer Formvollendung an Tag gelegt, das
alle Anerkennung verdiente. War an jener badenden Nymphe nicht
genug die Decenz der Ausführung zu loben, in Folge deren der Ein-
druck des Nackten oder Sinnlichen so entschieden zurücktrat wie in
wenig anderen nackten Mädchengestalten, so giebt seine Venus Ge-
legenheit dieses Lob zu wiederholen. Die Göttin der Schönheit und
Grazie hält den Arm des Sohnes fest, der ihr den Gürtel rauben
will, und der Künstler läßt die Frage offen, ob ihm der Raub ge-
lingen wird oder nicht. Das Ganze zeichnet sich durch edle, klas-
sische Haltung, höchst charakterische Silhouette und besonders ge-
lungene Behandlung der Fleischtheile vortheilhaft aus. Da ist
nichts von jener Diode gewordenen Effekthascherei, von jenem lüstern
machenden Kokettiren mit nackter Fülle, nichts von jener naturalisti-
schen Manier, die glauben machen will, der weibliche Körper bestehe
nur aus einigen Muskeln und viel Fett. Dem züchtigen Leib der
Göttin fehlt es nicht an Eleganz, aber auch nicht an innerem Halt,
wie ihn nur ein gut gebautes Knochengerüste geben kann. So
schwierig es auch ist, unter so schönen Theilen den schönsten her-
vorzuheben, so möcht' ich doch als diesen den Rücken mit seiner
jugendkräftigen Frische und Kernigkeit nennen, der sich eine wohl-
thuende Rundung paart. Aber weit höher als die einzelnen Schön-
heiten muß ich es anschlagen, daß der junge Künstler es verstanden
hat, im Geiste der Antike zu arbeiten.
f Darmstadt, Mitte April. (Kupferstecher H. Felsingf.)
Am 29. März d. I. starb hieselbst der Kupferstecher Heinrich
Fels in g. Er war der älteste Sohn eines darmstädter Künstlers, der
Stich und Druck mit gleichem Erfolge betrieb. Nach dem frühen
*) Begreifen laßt cs sich wohl, aber auch rechtfertigen? (Die Red.)
Tode des Vaters ging der Sohn zu seiner weiteren Ausbildung nach
Paris. Er erkannte daselbst bald, daß bei erhöhten Kunstan-
forderungen die beiden Theile des Kupferstichs und des Kupferdrucks
wesentlich verschiedenartige Geschicklichkeiten erfordern, deshalb ent-
sagte er dem Stiche und widmete sich dem seinem praktischen Sinne
mehr zusagenden Theile des Kupferdrucks. Ausgerüstet mit ange-
borener künstlerischer Begabung und mit allen in seinem Fache noth-
wendigen Kenntnissen in Chemie und Mechanik übernahm er die vom
Vater hinterlassene Werkstätte, welche er alsbald zu einer Kunstin-
dustrieanstalt erhob. Bon den damals blühenden Kunsthandlungs-
häusern Artaria in Mannheim und Arnold in Dresden wurde ihm
der Druck der großen Kunstblätter italienischer und deutscher Meister
übertragen, wodurch sein Name als der eines vorzüglichen Druckers
allgemeine Verbreitung fand. Sein Verständniß für die zu erzielende
Wirkung hob ihn über eine blos technische Fertigkeit empor; alle
besseren Stiche wurden seiner sorgfältigen Behandlung anvertrant,
wobei die Schonung der Platten znni Vortheil einer größeren An-
zahl von guten Drucken nicht wenig beitrug. Mehrmals wurde
Felsing nach Italien berufen, um die Platten der dortigen berühmten
Stecher zu drucken. Auf verschiedenen Industrieausstellungen wurden
seinen Arbeiten Verdienstmedaillen zuerkannt, auch schmückte ein groß-
herzoglich hessischer Orden seine Brust. — Mehr noch als durch
seine anerkannte Geschicklichkeit war er in seiner Vaterstadt beliebt
und gekannt durch seinen tüchtigen Charakter. Es war seine größte
Freude, mit Rath und That überall einzugreifen, wo man seine Hilft
verlangte, und wozu seine Kenntnisse in fast jeder Art technischer
Geschicklichkeit ihn befähigten. Die beiden Söhne desselben, Otio
und Friedrich, haben durch ihre Niederlassung in Berlin und
München den guten Ruf der Felsing'schen Kupferdruckerei in weitere
Kreise verbreitet.
□ I?om. Bei der Bedeutung, welche in neuester Zeit die
verschiedenen Zweige der Kunstindustrie allerorten gewonnen und
noch gewinnen, konnte es nicht fehlen, daß die Erfindung des sogen,
venetianischen Spitzenstiches durch Rinaldi-Mazzanti die Auf-
merksamkeit der bezüglichen Kreise auf sich zog. Frau Rinaldi-
Mazzanti, eine geborene Römerin, erhielt von einigen Spekulanten
eine Einladung nach England zu kommen, doch zog sie es vor, da-
hier eine Arbeitsschule zu errichten und darin Mädchen in ihrer
Kunst zu unterweisen. Die Schule ward im Oktober 1873 in der
Bia Magnanapoli eröffnet und hat bereits so schöne Erfolge er-
rungen, daß Frau Rinaldi-Mazzanti eine Ausstellung von Arbeiten
ihrer Schülerinnen im Industrie-Museum in San Lorenzo zu Lucina
veranstalten konnte, welche sehr tüchtige Leistungen aufzuweisen hat.
t Florenz, 6. April. (Die Erzgießerci.) Unser Unter-
richtsminister, Herr Bong hi, läßt sich keine Gelegenheit zu einem
Fiasco entgehen. Im Jahre 1837 ward in unserer Stadt eine
Schule gegründet zu dem Zwecke, den Erzguß wieder in's Leben zu
rufen, und es gelang ihr unter des trefflichen Papi Leitung wirk-
lich, eine Reihe von Werken zu erzeugen, welche die allgemeine Auf-
merksamkeit auf sich zogen und Schüler heranzuziehen, welche weit
über Florenz hinaus bekannt wurden — und nun kam Herr Bonght
unbegreiflicher Weise auf den Einfall, diese Anstalt, welche der ita-
lienischen Kunst so viel Ehre gemacht, mit einem einzigen Federzuge
aufzuheben. Ausfälliger Weise hat die einheimische Presse diese Maaß-
regel fast durchgehend ignorirt. Im Gemeinderath dagegen hat Herr
Cambray Digny, früher Finanzministee Italiens, den Sindaco
Herrn Peruzzi wegen des Dekretes interpellirt, das die Erzgießerei
aufhob, in Folge dessen Herr Bonghi unfern Sindaco durch den
Telegraphen die Mittheilung machte, er sei bereit, jene Verfügung
zurückzunehmen.