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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Roessler, Arthur: Kunst, Kunstgewerbe und Publikum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0018

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Arthur Roeßler— Wien :

PROFESSOR
ADOLF
HENGELER
MÜNCHEN.

digkeiten. Daß Wissen Macht ist, weiß heute
schon jeder Nichtanalphabet, daß die Kunst
Wissen ist, in sinnlich wahrnehmbarer Form,
und daß sie reinstes Glück bedeuten kann,
ist weniger allgemein bekannt. Dabei kann man
nicht einmal sagen, daß die bildende und die
angewandte Kunst dem Begriffsvermögen und
der Empfindungsfähigkeit des schwer werken-
den Handarbeiters unfaßlich, daß sie für ihn zu
„hoch" sei. Gewiß wird er auch bedeutende
Werke der bildenden Kunst verstehen und
genießen können, wenn ihm erst einmal der
Weg gewiesen wird, auf dem er der Kunst nahe
kommen kann. Doch wie fern erscheint einem
dies Ziel, wenn man die Trägheit bedenkt, mit der
sich die sozial besser gestellten Mittelklassen,
aus welchen sich das große bürgerliche Publi-
kum der Durchschnittsgebildeten zusammen-
setzt, gegenüber der modernen bildenden und
angewandten Kunst in Unverständnis und flauer
Gleichgültigkeit verhalten. Um als Volk zu
dauernder Bedeutung gelangen zu können,
brauchen wir nicht nur tüchtige politische Öko-

nomen, sondern auch Künstler, oder — da wir,
ohne der dünkelhaften Überhebung geziehen
werden zu können, sagen dürfen, daß wir
Künstler schon unser eigen nennen — ein
kunstsinniges Publikum. Zu unseren Ko-
lonien muß auch das Land Utopia gehören.
Denn auf geistige, seelische und künstlerische
Werte, mögen auch zahlengeistige Finanziers
dagegen zetern, dürfen wir nicht verzichten.

In unserer Zeit waren in England Ruskin
und Morris die Prediger in der Wüste, in
Deutschland sind es heute Lichtwark, Mu-
thesius, Naumann, Schultze-Naum-
burg, Van de Velde und viele Andere,
die es sich angelegen sein lassen, in volkstüm-
lich gehaltenen Aufklärungsschriften und Vor-
trägen über Fragen der Kunst und Kultur un-
ermüdlich mit klarer Eindringlichkeit immer
wieder daraufhinzuweisen, wie ungemein wich-
tig für die ersprießliche Entwicklung einer wert-
grädigen Kultur ein kunstverständiges Volk
ist, und wie andererseits durch die Kultur
eine höhere Kunst erreicht werden kann. —

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