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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Michel, Wilhelm: Neue photographische Kunstwerke von Frank Eugène Smith
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Jaffé, Ernst: Neue technische Möglichkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0292

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Neue photographische Kunstwerke von F. E. Smith.

der Pietät, mit der oft die großen Meister der
Malerei die Patenschaft bei der porträtistischen
Auffassung übertragen bekommen. Da sieht
man manchmal das weiche, prärafaelitische
Bauschen der Gewänder, die schmachtende
englische Zartheit der Geste, wie sie Burne
Jones liebte; oder die innige, klare, volltönige
Form, den reichen, satten, burgundischen Falten-
wurf, die man von den Altarbildern der Brüder
Van Eyck kennt; oder die weiche, lyrische
Empfindung und die gewischten Halbtöne, in
denen sich Carriere gefiel. Einiges ist „locker
im Strich" wie von einem der koloristischen
Zauberer von Barbizon, anders bestimmt, ein-
fach und linear wie ein Holbein. Zu vielem
fehlen die Maler noch, denen die Patenschaft
zuzutrauen wäre, so zu dem Kinderakt, der

wie eine Statuette aus blankem Silber dasteht;
der Glanz erzeugt eine schimmernde Aura, die
den Umriß umleuchtet, als habe der Apparat,
feinfühliger als das Menschenauge, den zarten,
delikaten Duft des kindlichen Fleisches festge-
halten; im Hintergrunde ahnt man Bilder oder
Figuren, aber sie halten sich voll liebenswerter
Scheu im Dunkel.

Genug. Es kam mir darauf an, zu zeigen,
welch einen bedeutenden Künstler wir in Smith
besitzen, aber die endgültige Überzeugung von
seiner hohen Künstlerschaft wird sich schließ-
lich doch nur aus der Kenntnis der Originale
ergeben können. Wo sind die Museen, die
ihre Pforten der neuen Kunst öffnen? Wo die
Sammler, die diese Kostbarkeiten in ihren
Mappen bergen? — wilhelm michkl.

NEUE TECHNISCHE MÖGLICHKEITEN.

von dr. phil. ernst jaffe friedenau.

Unsere moderne Industrie ist vor allem be-
müht, eine möglichst große Gleichmäßig-
keit ihrer Erzeugnisse zu erzielen. Das liegt in
der ganzen Art der Fabrikationsweise begrün-
det, insbesondere in der Benutzung von Ma-
schinen und Formen, sowie in der ingeniös
durchgeführten Arbeitsteilung. Die Maschine
arbeitet viel gleichmäßiger als der Mensch.
Wenn die nötigen Handgriffe gemacht sind, so
verläßt ein Gegenstand wie der andere die Ma-
schine. Das gleiche ist derFall, wenn Industrie-
Erzeugnisse mit Hilfe von Formen irgend wel-
cher Art ihre Gestalt bekommen. Und endlich
bürgt bei komplizierteren Artikeln die Arbeits-
teilung für die Einhaltung der Schablone. Ist in
irgend einem Stadium der Fabrikation ein Ver-
sehen vorgekommen, so wird sicherlich in dem
nächstfolgenden der betreffende Gegenstand
angehalten, weil der Arbeiter den fehlerhaften
Gegenstand nicht weiter bearbeiten kann oder
will. — Früher lag die Sache ganz anders. Zu-
nächst einmal bewirkte die freihändige Arbeit
auch bei dem geschicktesten Arbeiter, daß ein
Stück dem anderen nicht in allen Einzelheiten
völlig glich. Dann kam hinzu, daß im Laufe der
Arbeit hervortretende Materialfehler oder Ver-
sehen durchaus nicht zu einer Aussortierung des
betreffenden Stückes führten. Fast immer war
es dem Arbeiter möglich, den Fehler wieder
gut zu machen oder ihn gar auszunutzen.

Hierfür bietet die Keramik recht interessante
Beispiele. Bei Töpfereien, die mit Glasur be-

deckt sind, kommt ein Fabrikationsfehler ziem-
lich oft vor, der von modernen Fabrikanten als
recht störend empfunden wird. Das ist das
Haar-Rissigwerden der Glasur. Wenn nämlich
der Ausdehnungs - Koeffizient des Scherbens
kleiner ist, als der der ihn bedeckenden Glasur,
so bekommt die Glasur beim Abkühlen ein
ganzes Spinnennetz von feinen Rissen. In der
modernen Fabrikation wird ein Stück, das die-
sen Fehler zeigt, in der Regel zum Ausschuß
getan, obwohl seine Gebrauchsfähigkeit eigent-
lich kaum gelitten hat; denn diese Haar-Risse
sind so fein, daß die Glasur für Wasser in den
meisten Fällen nicht durchlässig ist. Die Chi-
nesen haben auch schon unter diesem Fabri-
kationsfehler zu leiden gehabt, aber sie haben
es verstanden, ihn in künstlerischer Weise aus-
zunutzen. Bei den meisten Töpfereien ver-
schwinden die Haar-Risse nämlich, wenn die
Glasur noch einmal in der Hitze des Brennofens
zum Fließen kommt. Die Chinesen haben sich
nun nicht mit diesem Heilmittel begnügt, sie
überzogen die haarrissigen Gegenstände noch
einmal mit einer leichtflüssigen andersfarbigen
Glasur und unterwarfen sie einem zweiten
Brande. Diese zweite Glasur haftete auf den
glasierten Stellen fast gar nicht, dagegen drang
sie in die feinen Glasurrisse ein. So entstand
ein reizvolles farbiges Muster, dem eine gewisse
Gesetzmäßigkeit zugrunde liegt. Diese Craque-
les der Chinesen werden heute von allen Samm-
lern ostasiatischen Porzellans gesucht und teuer

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