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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Breuer, Robert: Altes Spielzeug
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0443

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Altes Spie/zeug.

Adolf Hengeler München. Gemälde: »Am Rieg-See«. Privatbesitz.

ALTES SPIELZEUG. Bei A. Wertheim gibt
. es ein Rendezvous der zärtlichsten Pup-
pen und der tapfersten Reiter, der witjigsten Har-
lekins und der seltsamsten Tierlein. Spielzeug aus
der Zeit von 1700—1850; einiges auch ein wenig
früher. Eine zwergige Welt des didaktischen Barock
und des sentimentalen Biedermeier. Hausväter-
stimmung mit Perrücken, Krinolinenlyrik mit Hauben-
stock. Wie viel länger damals die Tage gewesen
sein mögen; daß die Leute Zeit fanden, mit den
Schattenspielen des Lebens zu tändeln. Es waren
gewiß nicht nur die Kinder, die mit diesen köst-
lich umhüllten Marionetten, mit diesen zierlichen
Spiegelbildern der Wirklichkeit, ihren Scherz trie-
ben. Dies Spielzeug gehörte zu gleichem Maße
den Erwachsenen. Nippes; Überraschungen der
Putjstube, Zwillingskinder der vielberühmten Kunst-
schränke und der Spieldosen. Man erinnere sich
der Alchimisten und Sterndeuter; dann hat man die
Atmosphäre, die puderwolkige, schäferlustige, ma-
gisterliche, dieser kleinen Welttheaterei. Übrigens:
gar so verwunderlich ist solch Puppenspiel der Er-
wachsenen keineswegs. Haben doch die amerikani-
schen Ladies noch kürzlich in irgend einer Season
kleine Schildkröten am Busen getragen und ein ander

Mal Alligatorenbabies spazieren geführt. Und die
Pariserinnen der legten Mode kokettieren (die Welt
ist ein Repetitorium) mit plastischen Miniaturen des

zauberischen Ichs...... Wer die Münchner

Krippensammlung kennt, wird sich am ehesten von
den Illusionen dieser Berliner Sammlung Usbeck
eine Vorstellung machen können. Nur, daß das
Temperament dieser weltlichen Gaukelei, dieser
wörtlich nachgeschriebenen Stadt- und Landhäuser,
dieser Patriziate und Handwerkstätten, dieser wohl
eingerichteten Wohnstuben und Schnick-Schnack-
läden um vieles sinnlicher und nervöser ist. Die
Technik des Holzschnitjens und des Wachsbossie-
rens, der Schneiderei und tausend raffinierter Zier-
künste ergötjt sich an den eignen spi^fingrigen
Tänzen. Sie ist ebenso rührend wie unbegreiflich,
die witjige Neugier, mit der in solch einem zwei-
oder dreistöckigen Puppenhaus die heimlichsten
Winkel, verstecktesten Sächelchen in Holz und
Zinn, in Ton und Glas, in Brokat und Perlen, in
Füttern aus Gold und Silber nachgedichtet wurden.
Es steckt in dem allen ein gesunder Instinkt zur
Wirklichkeit. So kommt es, daß, wenn der quir-
lende Traum des fiebrigen Gräflein verfliegt, man
wünscht: Goethe zu lesen. robert breuer.

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