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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0425

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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.

JANUAR 1911.

HERRMANN DERNBURO. Wohl kann nicht
gezweifelt werden an dem Steigen des Ni-
veaus für alle künstlerische Produktion; dennoch
verdient es Aufmerksamkeit, dag solche Entwick-
lung- zur Höhe auch an der Architektur der Groß-
stadt nicht vorübergeht. Dies Produktionsgebiet
ist so arg verklausuliert, dag es schon starker
Persönlichkeiten, so der Auftraggeber wie der Aus-
führenden, bedarf, um das Notwendige über das
Modische hinaus zu einer wirklich starken und
schönen Form zu führen. Wir dürfen dankbar sein
dafür, dag unter den Architekten Berlins solche
Persönlichkeiten erstanden. Deren eine, die in den
letjten Jahren sich immer beachtenswerter entfaltet,
ist Herrmann Dernburg. 1910 hat er drei respek-
table Werke fertig gestellt. Im vorderen Westen
schuf er ein groges Geschäftshaus; er fand sehr
geschickt einen Übergangstypus, wie er sich für
diese, von stillen Wohnvierteln umbaute Geschäfts-
strage schickt. Es ist ein Eckhaus; diese Funktion
wurde ohne eigentliche Ecklösung, ohne den auf-
dringlichen und törichten Eckturm sicher gestaltet.
Eine andere Arbeit war das Charlottenburger Ju-
gendheim ; es steht eingebaut zwischen den üblichen
Mietshäusern dieser schnell hochgekommenen Ge-
gend für Wohlhabende. Dernburg gab der Fassade
einen strengen, klassizistischen Ausdruck. Die
eigentliche Schwierigkeit der Aufgabe aber lag in
der Unterbringung einer Fülle der verschiedenartig-
sten Räumlichkeiten. Da waren Unterrichtssäle,
Spielzimmer, eine Krippe für die Säuglinge, ein
Heim für Erwachsene, da waren Zentralküchen, große
Wirtschaftsräume, Wohnungen für die Lehrerinnen,
Dachgärten, da war ein groger Saal zu disponieren.
Das alles ist gut gelungen; man ist über den In-
halt des Hauses nicht wenig erstaunt. Nicht recht
glücklich ist die Wandmalerei im großen Saal und
im Treppenhaus; diese pompejanische Manier ist
nüchtern und ohne Beziehungen zu den Bewohnern.
Dernburgs wertvollste Leistung im vergangenen
Jahr aber war der neue Eis- und Sportpalast.
Gegen das Monstrum, das uns vor etlicher Zeit
beschieden wurde, bedeutet er geradezu eine Er-
lösung. Ein Eispalast ist eine spezifisch grog-
städtische Bauaufgabe; großen Massen soll ein
Gehaus und zugleich ein Rahmen geschaffen wer-
den. Es gilt, mächtige Spannungen in Eisen, Glas
und Beton zu bauen. Die Wände müssen weit
ausladen (die Grundform der Eisfläche ist hier ein
langes Oval); die Decke muß sich leicht und frei
wölben. Nichts darf lasten. Damit den in Kurven
Dahinfliegenden die Architektur nicht ein Hemmnis,

vielmehr ein frischer Luftzug, eine unbewußte Stäh-
lung, ein Temperament, werde. Dernburgs Hallen-
bau hat solchen praktischen und ästhetischen Forde-
rungen eine wirksame und allverständliche Form ge-
funden. Sehr geschickt ist die Disposition der drei
übereinander liegenden, sich nach oben verjüngen-
den und in sich wieder abgestuften Galerien; der
erste Absatj liegt dicht über dem Eisspiegel. Die
Wirkung dieser, das blanke Oval umfassenden Ringe
wird gehoben durch einen amüsanten Beleuchtungs-
effekt; auf den gereihten Tischen stehen Lampen,
deren Schirme, konzentrisch geordnet, rot, gelb
und grün leuchten. Der Effekt ist besonders bei
einer Verdunkelung der Halle sensationell (wie
sich das für großstädtischen Sport gebührt), aber
auch architektonisch. Zu beanstanden bleibt auch
hier eigentlich nur die wiederum pompejanisch
infizierte Dekorationsmalerei. br.
Ä

DARMSTADT. Die Wiener Werkstätte,
deren Arbeiten nach den Entwürfen der Pro-
fessoren Jos. Hofmann, Koloman Moser,
C. O. Czeschka und anderer bedeutender Künst-
ler seit Jahren allein in der „Deutschen Kunst
und Dekoration" veröffentlicht worden sind, hat unter
der Direktion des Herrn Gustav Stade —Darm-
stadt für Deutschland eine besondere Gesellschaft
m. b. H. gegründet. Herr Stade ist einer der ersten
Industriellen, die mit Überzeugung für die Arbeiten
moderner Künstler eintraten und es ist zu erwarten,
daß unter seiner Führung die Wiener Werkstätte
in Deutschland sehr an Boden gewinnt. Für Berlin
hat Wertheim den Alleinverkauf übernommen;
eine Reihe interessanter Ausstellungen ist geplant,
deren erste bereits in Kürze eröffnet werden soll.

£

WORMS. Am 15. Dezember 1910 wurde das
neue Rathaus mit dem „Cornelianum",
eine Stiftung des Freiherrn Cornelius von Heyl und
seiner Gemahlin, eingeweiht. Der Architekt, Pro-
fessor Theodor Fi s c h e r-München, hat seine
Aufgabe in meisterhafter und im wahren Sinne
schöpferischer Art gelöst. Der Rathausbau enthält
die eigentlichen Geschäfts- und Verwaltungsräume,
während das „Cornelianum" Raum bietet für die
ideellen und repräsentativen Aufgaben der Stadt-
verwaltung. Für künstlerische und wissenschaft-
liche Veranstaltungen, für Vorträge, Ausstellungen,
Konzerte, die zur Hebung der Volksbildung oder
des städtischen Verkehrs unternommen werden, für
Festlichkeiten, Versammlungen und Kongresse soll
das „Cornelianum" die lang ersehnte Heimstätte sein.

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