Dr. Em il Utitz—Rostock :
Gartensalon ein. Die Zimmer kontrastieren
untereinander in Form und Farbe; sie sind so
angelegt, daß diese Elemente einander heben
und steigern sollen. Da und dort wurden die
Ecken abgeschrägt oder abgerundet, die Wände
leicht aus dem Rechteck gerückt, um aus der
Wohnung den Todfeind aller Behaglichkeit, die
Monotonie, zu vertreiben. Die verschiedene
Größe und Farbenstimmung der Zimmer be-
zwecken einen angenehmen Rhythmus.
Das Wohn- und Speisezimmer mit seinen
eingebauten Möbeln, dem soliden Büfett in
hellfarbigem Eichenholz setzt behäbig, ohne
Prunk ein; die weiße Balkendecke im alteng-
lischen Sinn verleiht ihm etwas Patrizierhaftes.
Mit dem etwas kleineren Salon wechselt die
Stimmung; er ist mit dem Hauptraum, dem
Musikzimmer, durch eine breite Türöffnung ver-
bunden und kann zum Zuhören benutzt werden.
Das geheimnisvolle Dunkelblau der Wände mit
dem Mahagonischrank, gehoben durch den
grauen, das ganze Zimmer füllenden Belag und
verschiedene Kissen in kühlen, rosafarbenen
Tönen, bereitet gleichsam für die Musik vor,
die im nächsten Raum entsteht. Hier herrscht
Helligkeit und Klarheit: vier funkelnde Kristall-
lüster, die das voll hereinflutende Licht auf-
fangen und zerlegen, das Silber der Orgelpfeifen,
die hoch hinaufgeführten hellen Marmorwände,
der quadrierte Teppich — alles beabsichtigt
eine liebenswürdige Gehobenheit, eine festliche
Stimmung der Musizierenden und der Hörer.
Durch eine kleine Türe hinter der Orgel schlüpft
man in das kleine Jagd- und Kneipzimmer, in
dem der Geist der Erde wieder zu seinem
Rechte kommt. Warmes Zirbelholz, der Back-
steinkamin, bewegte eiserne Beleuchtungskör-
per geben neben den Jagdtrophäen dem ge-
wölbten Raum sein charakteristisches Aussehen.
Wie das Musikzimmer den Salon, so soll das
folgende Gartenzimmer als Übergang zum Freien
das Jagdzimmer steigern: leicht und fröhlich ist
hier das Ganze gedacht: ockergelbe Wände,
die durch schönfarbige, geschickte Stilleben
Obermayers betont werden, weiße Vorhänge,
an der Decke in barocker Kartusche ein an die
Lieblingskunst des Hauses erinnerndes Gemälde
von August Fricke, ebenfalls im barocken Sinne
empfunden, Korbmöbel, zarte bewegliche Tisch-
chen, Blumen- und Blattpflanzen (darunter aller-
dings auch die, wie es scheint, unausrottbare
Palme) und vor allem eine schon ans Freie
mahnende Überfülle von Licht. Getrennt von
diesen, dem Zusammensein der Familie ge-
widmeten und deshalb untereinander verbun-
denen Räumen liegt das Herrenzimmer mit
kanellierten Wänden und Kirschbaum-Möbeln,
etwas gehaltener, wie es sich für den Herrn
des Hauses gebührt, aber weit entfernt von
der kahlen Geschäftsmäßigkeit eines Bureaus.
Alles in allem darf das Haus als das Muster
eines bürgerlichen, kultivierten Hauses gelten,
dessen ruhige Formensprache sich von alter-
tümelndem Prunk ebenso wie von unangemesse-
ner Kühle freihält und den Bewohnern eine hei-
tere und vornehme Stimmung bereitet, k. mayr.
HEIMATKUNST.
VON DR. EMIL UTITZ—ROSTOCK.
Heimatkunst!" das ist die stürmische For-
derung weiter Kreise; das Banner, um
das sich viele scharen; das Feldgeschrei, mit
dem sie in den Kampf ausziehen gegen abwei-
chende Kunstanschauungen und Kunstwerke,
die anderen Grundlagen entwachsen sind. Wir
aber wollen uns nun weder von diesem Schlag-
worte blenden, noch auch von der Erbitterung
seiner Gegner hinreißen lassen, sondern ruhig
und nüchtern prüfen, was denn die Tatsachen
— auf die kommt es ja doch letzten Endes
allein an — zu der Frage der „Heimatkunst"
sagen; sie sollen hier die Richter sein, auf deren
Urteilsspruch wir hören.
Worin das eigentliche Wesen des Kunstge-
nusses besteht, darüber sind ja heute die An-
sichten noch recht sehr geteilt; aber insoweit
herrscht doch Einigkeit, daß man in allen ernst
zu nehmenden Kreisen deutlich erkannt hat,
den unmittelbaren Zweck der Kunst bilde ein
eigentümlich genießendes Verhalten, eben die
ästhetische Lust. Und diese Gefühle erhalten
ihre charakteristische Note dadurch, daß sie
nicht dem Reich der wirklichen Dinge zugewandt
sind, sondern der bunten und reichen Welt der
Erscheinungen, die der Künstler vor uns ent-
rollt; es sind Freuden an dem Werte der Vor-
stellungen; ein „interesseloses Wohlgefallen"
— wie bereits Kant sagte — „interesselos",
weil die „Wirklichkeitsfrage" gar nicht gestellt
wird und infolge dessen auf das Praktische ge-
richtete Begehrungen nicht eintreten können.
Jedenfalls kann es nicht unmittelbarer Zweck
der Kunst sein, außerästhetische Wirkungen zu
zeitigen, etwa intellektuelle Freuden, ethische
Befriedigung, religiöse Weihe usw. Treten viel-
354
Gartensalon ein. Die Zimmer kontrastieren
untereinander in Form und Farbe; sie sind so
angelegt, daß diese Elemente einander heben
und steigern sollen. Da und dort wurden die
Ecken abgeschrägt oder abgerundet, die Wände
leicht aus dem Rechteck gerückt, um aus der
Wohnung den Todfeind aller Behaglichkeit, die
Monotonie, zu vertreiben. Die verschiedene
Größe und Farbenstimmung der Zimmer be-
zwecken einen angenehmen Rhythmus.
Das Wohn- und Speisezimmer mit seinen
eingebauten Möbeln, dem soliden Büfett in
hellfarbigem Eichenholz setzt behäbig, ohne
Prunk ein; die weiße Balkendecke im alteng-
lischen Sinn verleiht ihm etwas Patrizierhaftes.
Mit dem etwas kleineren Salon wechselt die
Stimmung; er ist mit dem Hauptraum, dem
Musikzimmer, durch eine breite Türöffnung ver-
bunden und kann zum Zuhören benutzt werden.
Das geheimnisvolle Dunkelblau der Wände mit
dem Mahagonischrank, gehoben durch den
grauen, das ganze Zimmer füllenden Belag und
verschiedene Kissen in kühlen, rosafarbenen
Tönen, bereitet gleichsam für die Musik vor,
die im nächsten Raum entsteht. Hier herrscht
Helligkeit und Klarheit: vier funkelnde Kristall-
lüster, die das voll hereinflutende Licht auf-
fangen und zerlegen, das Silber der Orgelpfeifen,
die hoch hinaufgeführten hellen Marmorwände,
der quadrierte Teppich — alles beabsichtigt
eine liebenswürdige Gehobenheit, eine festliche
Stimmung der Musizierenden und der Hörer.
Durch eine kleine Türe hinter der Orgel schlüpft
man in das kleine Jagd- und Kneipzimmer, in
dem der Geist der Erde wieder zu seinem
Rechte kommt. Warmes Zirbelholz, der Back-
steinkamin, bewegte eiserne Beleuchtungskör-
per geben neben den Jagdtrophäen dem ge-
wölbten Raum sein charakteristisches Aussehen.
Wie das Musikzimmer den Salon, so soll das
folgende Gartenzimmer als Übergang zum Freien
das Jagdzimmer steigern: leicht und fröhlich ist
hier das Ganze gedacht: ockergelbe Wände,
die durch schönfarbige, geschickte Stilleben
Obermayers betont werden, weiße Vorhänge,
an der Decke in barocker Kartusche ein an die
Lieblingskunst des Hauses erinnerndes Gemälde
von August Fricke, ebenfalls im barocken Sinne
empfunden, Korbmöbel, zarte bewegliche Tisch-
chen, Blumen- und Blattpflanzen (darunter aller-
dings auch die, wie es scheint, unausrottbare
Palme) und vor allem eine schon ans Freie
mahnende Überfülle von Licht. Getrennt von
diesen, dem Zusammensein der Familie ge-
widmeten und deshalb untereinander verbun-
denen Räumen liegt das Herrenzimmer mit
kanellierten Wänden und Kirschbaum-Möbeln,
etwas gehaltener, wie es sich für den Herrn
des Hauses gebührt, aber weit entfernt von
der kahlen Geschäftsmäßigkeit eines Bureaus.
Alles in allem darf das Haus als das Muster
eines bürgerlichen, kultivierten Hauses gelten,
dessen ruhige Formensprache sich von alter-
tümelndem Prunk ebenso wie von unangemesse-
ner Kühle freihält und den Bewohnern eine hei-
tere und vornehme Stimmung bereitet, k. mayr.
HEIMATKUNST.
VON DR. EMIL UTITZ—ROSTOCK.
Heimatkunst!" das ist die stürmische For-
derung weiter Kreise; das Banner, um
das sich viele scharen; das Feldgeschrei, mit
dem sie in den Kampf ausziehen gegen abwei-
chende Kunstanschauungen und Kunstwerke,
die anderen Grundlagen entwachsen sind. Wir
aber wollen uns nun weder von diesem Schlag-
worte blenden, noch auch von der Erbitterung
seiner Gegner hinreißen lassen, sondern ruhig
und nüchtern prüfen, was denn die Tatsachen
— auf die kommt es ja doch letzten Endes
allein an — zu der Frage der „Heimatkunst"
sagen; sie sollen hier die Richter sein, auf deren
Urteilsspruch wir hören.
Worin das eigentliche Wesen des Kunstge-
nusses besteht, darüber sind ja heute die An-
sichten noch recht sehr geteilt; aber insoweit
herrscht doch Einigkeit, daß man in allen ernst
zu nehmenden Kreisen deutlich erkannt hat,
den unmittelbaren Zweck der Kunst bilde ein
eigentümlich genießendes Verhalten, eben die
ästhetische Lust. Und diese Gefühle erhalten
ihre charakteristische Note dadurch, daß sie
nicht dem Reich der wirklichen Dinge zugewandt
sind, sondern der bunten und reichen Welt der
Erscheinungen, die der Künstler vor uns ent-
rollt; es sind Freuden an dem Werte der Vor-
stellungen; ein „interesseloses Wohlgefallen"
— wie bereits Kant sagte — „interesselos",
weil die „Wirklichkeitsfrage" gar nicht gestellt
wird und infolge dessen auf das Praktische ge-
richtete Begehrungen nicht eintreten können.
Jedenfalls kann es nicht unmittelbarer Zweck
der Kunst sein, außerästhetische Wirkungen zu
zeitigen, etwa intellektuelle Freuden, ethische
Befriedigung, religiöse Weihe usw. Treten viel-
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