Ausstellung in Wiesbaden.
DEUTSCHE MEDAILLEN UND PLAKETTEN.
BETRACHTUNGEN ANLÄSSLICH DER WIESBADENER AUSSTELLUNG.
VON Dr. W. VON GROLMAN.
T^Vie nebenstehend ab-
gebildeten Stich-
proben aus der kürz-
lich von der „Wies-
badener Gesell-
schaft fürbildende
Kunst" veranstalte-
ten „Gesamtaus-
stellung deutscher
Medaillen- und Pla-
kettenkunst" mögen
eine ungefähre Vorstel-
lung der überraschen-
den Entwicklung deut-
scher Kleinplastik seit
der Jahrhundertwende
geben. Was dabei jeder
sofort bemerken wird,
ist der grundsätzliche
Unterschied, der die
deutsche Medaille so-
wohl in der Formge-
bung wie auch in derin-
haltlichen Darstellung
von der französischen
scheidet; und das Er-
freulichste dabei ist,
daß die deutschen Ar-
beiten, was material-
und stilgerechte Behandlung anlangt, den fran-
zösischen schon heute im Durchschnitt über-
legen sind. Nicht umsonst hat eben Adolf
von Hildebrand „das Problem der Form in der
bildenden Kunst" zum intellektuellen Grund-
besitz unserer gegenwärtigen Bildhauergene-
ration gemacht! Die plastisch-tektonische For-
menklarheit und ornamentale Schönheit, wie
sie typisch in dem Revers der Hahnschen
Pettenkofer-Medaille, in der Schlachthof-Me-
daille des vielversprechenden jungen Hörn-
lein (Abb. S. 213) oder dem Revers der Lotte
Kaufmann Theodor von Gosens (Abb. S. 214)
verwirklicht ist, sucht man — ganz vereinzel-
tes, wie den Revers des alten Chevreuil von
Roty ausgenommen — vergebens auf franzö-
sischer Seite; die eigentümliche Kraft der Mo-
dellierung dieser Arbeiten aber fehlt dort gänz-
lich. Hatte schon Ghiberti das malerische Re-
lief an die Grenzen des Erlaubten geführt, so
mangelt der französischen Medaille in ihren
figürlichen Darstellungen oft jedes Gefühl für
fritz behn—München. Bronze-Plakette: »Xatalia
den Unterschied von
Malerei und Plastik.
Gewiß wird man den
Ernst und die vorneh-
me, edle Formgebung
in diesen winzigen Mi-
niatur - Darstellungen
menschlicher Figuren
immer aufs höchste be-
wundern — und es sei
gleich gesagt, daß den
köstlich zarten Ideal-
figuren der französi-
schen Medaille die
Deutschen Gleichwer-
tiges nicht zur Seite
zu setzen haben —
aber die überfüllte
Komposition, derMan-
gel anRaumsinn drückt
das Ganze meist wie-
der ins Genrehafte her-
ab. Diese Überfüllung,
die zu kleinliche Be-
handlung des Details
ist nicht zum letzten
eine Folge der Ge-
wohnheit, die Modelle
in ganz großem Maß-
stab anzulegen und die Reduktion auf das Maß
der Medaillen der Maschine zu überlassen.
Endlich noch der Mangel an Stilgefühl, na-
mentlich in der Behandlung des pflanzlichen
Ornaments bei den Franzosen! Ich erinnere
hier an die fast kindlich anmutenden Palm-
wedel-, Lorbeer- und Rosengirlanden, denen
man selbst auf Arbeiten wie der Chaplainschen
Medaille des russischen Kaiserpaares, oder der
Charpentierschen „Malerei" (Revers) begegnen
kann. Sie sind nichts anderes als nächste Ver-
wandte der analogen naturalistischen Darstel-
lungen, die man noch immer auf allen Fried-
höfen findet. Welch ein Fortschritt von hier bis
zu der Fruchtgirlande der Römerschen Schütte-
medaille, die schon vor 10 Jahren entstanden ist.
Noch eines weiteren Nachteils der Maschi-
nen-Reduktion ist hier zu gedenken. Nicht zum
letzten beruht auf ihr jene glatte Exaktheit in
der Ausführung, die etwas Unpersönliches an
sich hat und durch das Fehlen energisch geschnit-
tener Konturen zugleich etwas weichliches, ver-
2 I I
DEUTSCHE MEDAILLEN UND PLAKETTEN.
BETRACHTUNGEN ANLÄSSLICH DER WIESBADENER AUSSTELLUNG.
VON Dr. W. VON GROLMAN.
T^Vie nebenstehend ab-
gebildeten Stich-
proben aus der kürz-
lich von der „Wies-
badener Gesell-
schaft fürbildende
Kunst" veranstalte-
ten „Gesamtaus-
stellung deutscher
Medaillen- und Pla-
kettenkunst" mögen
eine ungefähre Vorstel-
lung der überraschen-
den Entwicklung deut-
scher Kleinplastik seit
der Jahrhundertwende
geben. Was dabei jeder
sofort bemerken wird,
ist der grundsätzliche
Unterschied, der die
deutsche Medaille so-
wohl in der Formge-
bung wie auch in derin-
haltlichen Darstellung
von der französischen
scheidet; und das Er-
freulichste dabei ist,
daß die deutschen Ar-
beiten, was material-
und stilgerechte Behandlung anlangt, den fran-
zösischen schon heute im Durchschnitt über-
legen sind. Nicht umsonst hat eben Adolf
von Hildebrand „das Problem der Form in der
bildenden Kunst" zum intellektuellen Grund-
besitz unserer gegenwärtigen Bildhauergene-
ration gemacht! Die plastisch-tektonische For-
menklarheit und ornamentale Schönheit, wie
sie typisch in dem Revers der Hahnschen
Pettenkofer-Medaille, in der Schlachthof-Me-
daille des vielversprechenden jungen Hörn-
lein (Abb. S. 213) oder dem Revers der Lotte
Kaufmann Theodor von Gosens (Abb. S. 214)
verwirklicht ist, sucht man — ganz vereinzel-
tes, wie den Revers des alten Chevreuil von
Roty ausgenommen — vergebens auf franzö-
sischer Seite; die eigentümliche Kraft der Mo-
dellierung dieser Arbeiten aber fehlt dort gänz-
lich. Hatte schon Ghiberti das malerische Re-
lief an die Grenzen des Erlaubten geführt, so
mangelt der französischen Medaille in ihren
figürlichen Darstellungen oft jedes Gefühl für
fritz behn—München. Bronze-Plakette: »Xatalia
den Unterschied von
Malerei und Plastik.
Gewiß wird man den
Ernst und die vorneh-
me, edle Formgebung
in diesen winzigen Mi-
niatur - Darstellungen
menschlicher Figuren
immer aufs höchste be-
wundern — und es sei
gleich gesagt, daß den
köstlich zarten Ideal-
figuren der französi-
schen Medaille die
Deutschen Gleichwer-
tiges nicht zur Seite
zu setzen haben —
aber die überfüllte
Komposition, derMan-
gel anRaumsinn drückt
das Ganze meist wie-
der ins Genrehafte her-
ab. Diese Überfüllung,
die zu kleinliche Be-
handlung des Details
ist nicht zum letzten
eine Folge der Ge-
wohnheit, die Modelle
in ganz großem Maß-
stab anzulegen und die Reduktion auf das Maß
der Medaillen der Maschine zu überlassen.
Endlich noch der Mangel an Stilgefühl, na-
mentlich in der Behandlung des pflanzlichen
Ornaments bei den Franzosen! Ich erinnere
hier an die fast kindlich anmutenden Palm-
wedel-, Lorbeer- und Rosengirlanden, denen
man selbst auf Arbeiten wie der Chaplainschen
Medaille des russischen Kaiserpaares, oder der
Charpentierschen „Malerei" (Revers) begegnen
kann. Sie sind nichts anderes als nächste Ver-
wandte der analogen naturalistischen Darstel-
lungen, die man noch immer auf allen Fried-
höfen findet. Welch ein Fortschritt von hier bis
zu der Fruchtgirlande der Römerschen Schütte-
medaille, die schon vor 10 Jahren entstanden ist.
Noch eines weiteren Nachteils der Maschi-
nen-Reduktion ist hier zu gedenken. Nicht zum
letzten beruht auf ihr jene glatte Exaktheit in
der Ausführung, die etwas Unpersönliches an
sich hat und durch das Fehlen energisch geschnit-
tener Konturen zugleich etwas weichliches, ver-
2 I I