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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Servaes, Franz: Etwas über Kunstbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0035

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Etwas über Kunstbesüz.

und hierdurch schön. Es wird nie im Wege
stehen, noch das Auge beleidigen. Es wird viel-
mehr, wenn es nicht mehr als ein unentbehr-
liches Alltagsgerät ist, durch taktvolle Unauf-
fälligkeit sich unterordnen und den Raum frei-
machen für die Wirkung wirklich wertvollen
und künstlerischen Besitzes. Dieser darf ins
Auge fallen und soll es sogar. Er hat das Recht
und die Aufgabe , einem in sich geschlossenen
und harmonischen Raum den edleren und stär-
keren Akzent zu verleihen. Er soll den Mittel-
punkt bilden, auf dem unser Auge ruht, an dem
unser Sinn sich ergötzt.

Vor allem aber sollte jeglicher Kunstbesitz
so gewählt sein, daß ein feiner Menschenkenner,
der durch die Wohnung ginge, aus dem Schmuck
der Wände und der rhythmischen Anordnung
der Räume bündige und sichere Rückschlüsse
auf die Charakterart der Bewohner ziehen
könnte. Dabei wird ein individuell gewähltes
Kunstwerk dennoch niemals indiskret wirken
oder durch plumpe Deutlichkeit verletzen. Denn

es wird von den inneren Beziehungen zu den
Bewohnern nie mehr verraten, als was eine
feingestimmte Seele zu ahnen vermag. Kunst-
werke plaudern nicht aus, sondern verbreiten
eine seelische Atmosphäre, eine Atmosphäre
von harmonischer Wohlgestimmtheit, an der
teilzunehmen man jeden feineren Besucher ein-
laden darf. IhrLetztes und Feinstes aber werden
sie stets nur uns selber verraten — dann näm-
lich, wann wir in Wahrheit uns rühmen dürfen,
ihre echten und seelisch verbundenen Besitzer
zu sein. Mit einem Kunstwerk, das Du ganz
besitzest, wirst Du gewiß einmal in einer merk-
würdigen Stunde Deines Lebens eine bedeu-
tungsvolle geheimnisreiche Zwiesprache ge-
halten haben, in der Euer Beider Seelen sich
klar und voll gegeneinander erschlossen. Solch
eine Stunde erst gibt Deinem Besitz die letzte
Weihe. Blickst Du hierauf zurück, so lächelt
Dir zum Dank dafür eine kleine wohltuende
Wahrheit entgegen: Dein Kunstwerk hat Dich
selber zum Künstler gemacht. — f. s.

ERICH ERLER-s,,.

^ MÜNCHEN. Gemälde; »Tulpengarten«. (Brakls Moderne Kunsthandlung-München.)
 
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