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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Die Quellen des Behagens: Ein wichtiges Kapitel unserer heutigen Wohnkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0091

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Die Quellen des Behagens.

Elektrisches Licht wirkt ermüdend, ja einschlä-
fernd, das ist eine wissenschaftliche Tatsache.
Auch eine musikalische Veranstaltung gewinnt
an Poesie beim Scheine einiger flackernder
Kerzen, und die von leicht beweglichen Flam-
men vibrierende Luft schmiegt sich gefällig den
Rhythmen der Instrumente oder des Gesanges
an! Kontrastwirkungen zu bedenken ist vor
allem Sache des Beleuchtungs-Ästhetikers. Das
Festliche des Ballsaals mit seinen strahlen
den Kronen wirkt doppelt glänzend, wenn in
den Zimmern ringsum gedämpftes und weise
gefärbtes Licht waltet. Wo die Farben eines
Gemaches, Blumenschmuck und kostbare Tep-
piche herrschen sollen, verteile man das Licht
so, daß es die gewünschte Wirkung erziele
und dämpfe es nach Bedarf, doch ohne es zu
färben. Bei hellen, einfarbigen und mehr archi-
tektonisch gehaltenen Räumen wende man das
umgekehrte Verfahren an: Farbige Lampen
mögen hier den Fluß edler Linien zeigen.

Die Prunkliebe der 80 er Jahre liebte es,
Festtafeln, die sie reich mit silbernen Tafel-
aufsätzen zierte, nur so zu beleuchten, daß sie
und ihre Schätze und die, die daran festeten,
beleuchtet waren. Eine Beleuchtung der um-
gebenden Wände vermied sie, und bewirkte
dadurch, daß die aufwartenden Diener im Dun
kel verschwanden oder aus dem Dunkel auf-
tauchten, wie gute Geister im Feenpalast! Es
war das eine kulturell feine Sitte, die der
Wiederbelebung in weiteren Kreisen wert wäre,
sie konzentrierte die Gesellschaft auf sich und
gab den bunten Gestalten, den schönen Frauen
in ihrem Schmucke zumal, den denkbar vor-
teilhaftesten Hintergrund. Die modernen Ver-
suche , das elektrische Licht versteckt anzu-
bringen und eine Art Tageslicht vorzutäuschen,
halte ich für unkünstlerisch, abgesehen davon,
daß dieses Licht durchaus nicht angenehm ist
in seiner reizlosen Gleichmäßigkeit. D er Lebens-
künstler liebt die Nacht zu sehr und ihre Reize,
wenn sie gegen offene Waffen kämpft, als daß
er sich zu Versuchen, sich über seine Freundin
zu belügen hergeben würde.

Das Tageslicht, wie es durch die Fenster
einfällt, richtig für die Stellung des Mobiliars
nutzbar zu machen, ist eines der großen Ge-
heimnisse des Wohnkünstlers. Hierfür ist maß-
gebend, daß den Menschen sein nach Wohl-
behagen lüsterner Instinkt stets zu Sitzplätzen
zieht, wo das Auge keine Blendung erfährt und
sich dem Blick eine erfreuliche Schau bietet.
Ferner will ein im Unterbewußtsein schlummern-
der atavistischer — sagen wir — Sicherheits-
mentor nicht gerne von Eintretenden im Rücken
überrascht werden. Diese beiden Faktoren

geben, wenn sie praktisch nutzbar gemacht und
für die Aufstellung im Auge behalten werden,
eine sichere Gewähr für das, was man ein „ge-
mütlich" eingerichtetes Zimmer heißt.

Man stelle also die bequemsten Sitzgelegen-
heiten möglichst so auf, daß der sie Benutzende
den Rücken der Fensterwand zukehrt und mit
dem Auge die Zimmertür und die Wand,
welche, als den Fenstern gegenüberliegend, zum
Aufhängen von Bildern am geeignetsten er-
scheint, übersehen kann. Man wird das Vor-
teilhafte dieser Maßnahme sofort einsehen.

Für Empfangsräume ist eine solche Vertei-
lung der Möbel eine absolute Notwendigkeit,
denn nur auf diese Weise ist es dem Emp-
fangenden möglich, die Eintretenden zu über-
blicken und zu begrüßen.

Die französische Salonkultur des 18. Jahr-
hunderts und auch die englische unserer Zeit
hat diesen Grundsätzen stets Rechnung getragen,
indem sie allen Sitzgelegenheiten größte Be-
weglichkeit verlieh und z. B. Kanapees und
Sofas stets so konstruierte, daß sie, unabhängig
von den Wänden, mitten in den Zimmern auf-
gestellt werden konnten.

Hiervon könnten wir lernen, denn trotzdem
wir als moderne Nomaden auf ein Leben in ge-
mieteten Wohnungen angewiesen sind, lassen
wir uns immer noch von unseren Möbel-
künstlern schwere, nur an Wänden unterzu-
bringende Sitzmöbel erfinden, die uns bei jedem
Wohnungswechsel in Verlegenheit setzen.

Endlich wäre noch dem Spiegel als Faktor
für die Beleuchtung beziehungsweise Erhellung
von Innenräumen ein Wort zu reden.

Der Wunsch unserer Innenraumkünstler,
möglichst viel von weltentrückter Intimität zu
geben, um dem Menschen sein Heim im Sturme
des modernen Lebens besonders lieb zu machen
— hat den Spiegel ganz aus den modernen
Wohnräumen verbannt. Das spiegellose Ge-
mach verschont den Bewohner mit Wahrheiten,
es erzieht nicht an ihm herum, sondern über-
läßt ihn ganz seiner inneren Welt — das ist
ein Vorteil, den man nur begrüßen kann, zu-
mal für Arbeitszimmer oder friedliche Familien-
zimmer. Anders, denke ich, ist es mit Fest-
räumen und Empfangszimmern, hier soll der
Spiegel nicht fehlen. Hier, wo sich jeder im
Festtagskleide und im Schimmer von Licht-
fluten gefällt, wo jeder trachtet, sein Bestes
zu geben und ein Besserer zu sein, da ist der
Spiegel nicht der trockene Pädagoge, da ist er wie
die lachende Wasserfläche in der Natur, die
freundlich und zart das bunte Leben, das sie um-
gibt, zum angenehmen Bilde gerahmt, wiederholt:
Ein Freund der Heiterkeit und der Anmut. —

1910/U. L 8.

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