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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Meyer-Riefstahl, Rudolf: Paul Gauguin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0127

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Paul Gauguin.

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GAUGUIN t

Ölgemälde: »Sitzende Frauen«

toiger Pissarros eine ziemlich bescheidene Stel-
lung einnahm. 1883 entschloß er sich, sei-
nen Bankberuf vollkommen aufzugeben, was
seine Familie einer materiellen Krisis aussetzte
Und sie vollkommen zerstören sollte, während
dieser Schritt seiner Kunst die ersehnte Be-
freiung brachte. Gauguin trennte sich 1885
v°n seiner Frau und lebte in Paris in materiell
sehr bedrängter Lage, unablässig seiner künst-
lerischen Vervollkommnung nachstrebend. Mit
klarer werdenden Zielen erkannte er, daß seine
Art auf eine starkfarbige primitive Kunst hin-
drängte und so wandte er sich der französischen
Provinz zu, die in ihrem Charakter noch am
meisten Ursprüngliches erhalten hat, der Bre-
tagne. Auch hier arbeitete er zunächst noch
in analytischer, impressionistischer Art weiter.
Erst ganz allmählich begann er die Farben zu
Vereinfachen und in großen dekorativen Flächen
zusammenzuziehen und in der Zeichnung die
großzügige Linie zu suchen. Indem er der Ara-
beske und dem dekorativen Farbenklange nach-
ging, begann er sich auf eigene Füße zu stellen

und Ziele zu suchen, die über den Impressionis-
mus hinausgingen. Im Winter 1886 nach Paris
zurückgekehrt, lernt er hier einen zweiten kennen
der unbewußt ähnliches suchte wie er selbst:
Vincent van Gogh. Doch Gauguins Instinkt trieb
ihn den Erinnerungen seiner Kindheit entgegen:
es ist, als ob er halb unbewußt die bunte tro-
pische Welt suchte: 1887 unternimmt er eine
längere Reise nach den Antillen : in Martinique
findet sein malerischer Stil die volle Freiheit
in Form und Farbe. Als er 1888 wieder in die
Bretagne zurückkehrt, hat er nun den phan-
tastischen und leuchtenden Stil gefunden, der
jene primitiven Menschen und jene seltsamen
Landschaften und den mystischen Zauber dieses
Landes so tief erfaßt hat. Gauguin wird nun zum
reinen Synthetiker, wie inzwischen van Gogh in
der Provence auch zum machtvollen Zusammen-
schließen von Form und Farbe gelangt war.
Bis 1891 arbeitete Gauguin abwechselnd in der
Bretagne und in Paris; sein berühmtestes Werk
aus jener Zeit ist der gelbe Christ, der ihn als
vollkommenen Synthetiker zeigt.

19w/u. H. 2.
 
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