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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Schulze, Otto: Bildhauer Bernhard Hoetger
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0136

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Otto Schulze—Elberfeld :

seinen Werken zuteil wird. Wo Hoetger das
Weib z. B. in seiner Totalität gibt, da ist es
die Eva, nicht eine Eva, also die Allmutter.
Und wo der Künstler den Mann in seiner Totalität
gestaltet, da ist es eben der Adam, der Schöp-
fer, der Wecker und
Gestaltende. Hoetger
zieht die Summe der
Leidenschaften und
Instinkte; er schafft
keine mordende eroti-
scheFrauenseele, etwa
die Judith, oder einen
knabenhaften David,
dem ein Schleuderwurf
gelingt. Er zieht das
Gute u. Böse als Sum-
me der Lebensener-
gie. Hoetgers Frauen-
körper sind ganz ent-
sinnlicht ; nur ihre For-
men gehören der Erde
an. Hoetgers Figuren
sind überwiegend dem
Licht zugewendet oder
sich in ungeahnte Wei-
ten verlierend. Sein
betendes Mädchen,
seine mit ihrem Haar
kosende Frau, die
armbreitende Gestalt
des Elberfelder Brun-
nens sind typische Bei-
spiele eines figuralen
Kultes, wie wir ihn
so tief und eigenartig
in der jüngeren deut-
schen Plastik bisher
nicht kannten. Daß
in Hoetger sich alle
jene Handlungen voll-
zogen, die in dermittel-
alterlichen Plastik, im
Geiste der Antike und
in deren Verschmel-
zung mit der Frühre-
naissance sich kristalli-
sierten, steht außer al-
lem Zweifel, wiederum
aber auch, daß auch
die Kunst weiterschaf-
fend sich der geistigen
Mittel ihrer Zeit be-
dient, um sie auch rein
formal als den Aus-
druck des Schöpferi-
schen der Zeitsumme

b. hoetger. Torso, als Studie zum Gerechtigkeitsbrunnen.

festzulegen. Im gleichen Maße wie Hoetger
das Geistige seiner Figuren groß erfaßt, geht er
auch in der Form selbst über die rein mensch-
liche Größe bedeutend hinaus. Schon das ist
ein Zeichen ungewöhnlicher Gestaltungskraft.

Daß auch rein tech-
nisch u. formal in den
Hoetgerschen Wer-
ken sich eine große
Meisterschaft bekun-
det, bedarf angesichts
der hier wiederge-
gebenen Werke kaum
einer besonderen Be-
tonung. Ob der Künst-
ler mehr die archa-
ische Strenge oder die
weicheFormenschwel-
lung in anatomischer
Ableitung, oder aber
die Mitte zwischen
beiden hält, immer
sehen wir, daß Hoetger
die Form meistert. —
Alle Realistik, alle nur
natürliche Wiedergabc
seiner Modelle liegt
dem Künstler fern.
Er zieht scharfe Gren-
zen und schließt da-
für jedes Bewegungs-
moment aus. Alle sei-
ne Schöpfungen zei-
gen verharrende Ruhe,
architektonische Ge-
bundenheit, formalen
Rhythmus, eurhythmi-
sches Zusammenflie-
ßen. Als eine Kristalli-
sation höchster Potenz
ist hier das Leben zu
einem wirklich gebun-
denen geworden. —
Der Gerechtigkeits-
brunnen zu Elberfeld,
eine Jubiläums - Gabe
zur Dreihundert jahr-
Feier der Stadt von Ge-
heimrat August Frei-
herrn von der Heydt,
zeigt auch im Becken
u. den drei tragenden
Löwen, daß Hoetger
in allem einem streng-
formalen Prinzip hul-
digt, das in der Entäu-
ßerung jeglicher Pose

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