Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Künstler und Helden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0208

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Künstler und Helden.

uns ästhetisch abfinden mit den fertigen Tat-
sachen, nicht Lust haben, den Werd enden von
früher nachzugehen. So kommt's, daß wir die
großen Künstler auffassen nicht wie unseres-
gleichen, sondern wie Wesen jenseits jeder Be-
ziehung zu menschlichen Erlebnissen.

Weil Künstler nicht gleich und gleich sind
den Philistern und nicht den eingebildeten
Kaffeehausgrößen, die auf Hilfe der Künstler
und auf die gute Stunde der Eingebung warten,
deshalb gerade mußten wir die Folie kennen
lernen, d. h. die kleine Menschheit, die kleine-
ren Künstler, von denen sich die Figuren der
großen Künstler abheben. Goethe übertrug uns
Benvenuto Cellinis Autobiographie auch, um
uns Einfluß und Wert des rein menschlichen
in allem Künstlerturn groß und stark fühlen zu
lassen. Freilich, das wäre Irrtum, nur die als
Künstler-Helden zu würdigen, deren Taten so
laut, deren Gewänder so bunt, deren Gesten
so effektvoll wie die des Cellini. Doch man
braucht ja nur an Rembrandt oder Millet, an
Turner, Schinkel oder — Messel zu denken,
um ergriffen zu werden wie von einem Drama,

nicht der Bühne, aber der Welt. — Das Leben,
nicht die abgeleitete Theorie, nicht die ästhe-
tische Formel aus den Werken der Großen gibt
uns Lust an der Kunst, Freude und Führung.
Das Leben, nicht Ästhetizismus, lehrt uns Tech-
nik, Handhabung der Mittel, Schulung der Mei-
ster erkennen. Und was wir im Leben der Alten
erschaut, das Überhören oder das Erwidern des
Spotts der Menge, das ruhige, feste Vorwärts-
schreiten oder das Straucheln unserer Helden
— das schärft uns den Blick für die werden-
den künstlerischen Persönlichkeiten von heute.

Der Kunstgeschichte sind wohl manche über-
drüssig — wer aber wird an der Künstlerge-
schichte nicht Freude haben? Mehr als bisher
sei uns das Werden, das Suchen und Kämpfen
der Künstler Führung zu ihren Werken, denn
auch beste Formeln aus reifsten Taten bleiben
ohnedies toter Besitz. Künstler sind Helden —
das heißt Kämpfer und Führer — nicht Lehrer.
Denn nicht ein geistreich konstruiertes Ästheten-
tum, sondern ein starkes, volles, ganzes Men-
schentum macht den Künstler groß — läßt ihn
wohnen auf den Höhen der Menschheit. —

l-ROFESSOR WALTER GEORG! KARLSRUHE. »Stilleben«

195
 
Annotationen