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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Brieger, Lothar: Bildhauer Georg Kolbe - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0221

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Lothar Brieger- Wasservoget.:

GEORG KOLBE BERLIN.

»Streitende Mädchen«

von Kolbes Eigenwuchs die prägnante
Charakterisierung „he is brokenoff from
all perconceived ideas". Es gibt im
Deutschen noch keine gleichwertigen
Ausdrücke für dieses „broken off" und
dieses „perconceived". Der ganz seltene
Fall einer durchaus persönlichen Bega-
bung liegt eben vor, eines Künstlers, der
mit von keinerlei ästhetischen, techni-
schen oder gar ethischen Prinzipien von
vornherein bestimmtem, also falsch ge-
richtetem Blicke in die Welt, seine Welt
hinausschaut. Die plastische Kunst ist
dem Leben gegenüber Konzentration.
Sie will nichts „Anderes", und sie will
auch nicht das „Schöne" geben, der Ge-
danke an Wirkungen irgend welcher Art
macht die Kunst sofort unkeusch und
drückt sie auf eine der Selbständigkeit
und der möglichen Größe ermangelnde
Stufe hinab. Das ist es ja eben, woran
wir heute in der Kunst leiden: dieser
Überschuß an Wissen gedanklicher und
historischer Natur, das in seiner kom-
pakten Masse doch nur hinderliches
Vorurteil ist. Die wahre „Wirkung"
eines Kunstwerkes beruht auf dem stär-
keren oder schwächeren Gelingen dieser

Konzentration, im Maße ihrer Fähigkeit
beruht die Bedeutung des Bildners. Da
es eine Konzentration des Gesehenen
bedeutet, ist der wirkliche Bildner stets
durchaus ein „Kind seiner Zeit", steht
ganz auf ihrem Boden und erscheint dem
Befangenen zugleich als Revolutionär,
weil er eben in seinem Material konzen-
triert, was die vorher gültige Kunst natur-
gemäß nicht schaffen konnte. Und dann
hat er noch gegen all die schwächeren
Begabungen zu kämpfen, die im Banne
des Traditionellen nie zu einem bleiben-
den Werke kommen, in ihm merkwür-
diger Weise einen pietätlosen Neuerer
sehen und jener Naivität des Auges
ermangeln, die dem echten Künstler
nicht fehlen darf und notwendig ist,
ehe die schaffende Arbeit des Kunst-
verstandes beginnen kann. Georg Kolbe
besitzt diese Vorbedingungen einer ech-
ten und überdauernden Kunst in einem
sehr hohen Maße; ich wüßte in Deutsch-
land beinahe keinen Bildhauer, der sie
in gleicher Stärke von Hause aus mit-
brächte. Noch jung und in der erfreu-
lichsten Entwicklung, schafft er fast in

GEORG KOLBE BERLIN.

Ringende Kinder«

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