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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Michel, Wilhelm: Ludwig Hohlwein - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0253

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Ludwig Hohlwein—München.

ARCHITEKT LUDWIG HOHLWEIN MÜNCHEN.

Röntgen-Saal im Hause Dr. Bruegel —München.

Verkleidungen und als Friese. Zu ihnen gesel-
len sich die schablonierten Einfassungen der
Wandfelder, deren Muster nach Möglichkeit
mit der farbensatten Ornamentierung der Stoffe
übereinstimmen. Und überall die kleinen, hei-
teren, wenn auch keineswegs süßlichen Koket-
terien der Volants und Rüschen, die die Räume
mit hübschen schmückenden Schatten und Li-
nien bevölkern. Die Gewebe bilden in den
neuen Hohlweinschen Räumen eine Welt für
sich; sie liefern die Dekoration und die Möbel
liefern die Architektur.

Ich erblicke in der Vermeidung aller beleb-
teren Möbelformen nicht das letzte Wort, das
unser Kunstgewerbe zu sprechen hat. Dennoch
hat Hohlweins unterstrichene, wohl auch etwas
preziöse Formenschlichtheit in der Möbelgestal-
tung meinen vollen Beifall. Sie gewinnt ihren
Sinn durch die Kontrastierung mit dem farbigen
und ornamentalen Leben der Gewebemuster.
Mitten zwischen üppigen, großblumigen Stoff-
massen erhebt sich da die dunkle, spiegelnde
Fläche eines vollkommen glatten Mahagoni-

schrankes. Das Auge empfindet die prachtvolle
Ruhe dieser nur von diskreten Reflexen beleb-
ten Fläche genau so, wie einen lang anhalten-
den Orgelton im farbigen Leben der übrigen
Orchesterstimmen. Auf der einen Seite höchste
Strenge, fast Wucht, auf der anderen Seite
Leichtigkeit, fast Tändelei; die Grundnote tadel-
lose, gemessene Solidität, darüber hin entzük-
kende Glanzlichter der Laune und der Schalk-
haftigkeitgestreut. Das ist Hohlweins Mischung.

Die strenge, geschlossene und glatte Front-
fläche ist natürlich nicht Hohlweins einzige Er-
scheinungsform des Möbels. Man kann beobach-
ten, daß er den geschlossenen Holzebenen in
kluger Abwägung eine entsprechende Anzahl
aufgelöster Flächen beigesellt. Dem erwähnten
Schranke im eigenen Schlafzimmer entsprechen
beispielsweise die in leichtes Gitterwerk auf-
gelösten Kopf- und Fußteile der Betten. Und
man kann es wohl einen liebenswürdigen Ge-
danken nennen, daß gerade das Bett diese Ver-
minderung an Schwere erfahren hat. Das Bett
ist hier nicht die dumpfe „ Schlafkiste", die das

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