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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Michel, Wilhelm: Neue photographische Kunstwerke von Frank Eugène Smith
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0284

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NEUE PHOTOGRAPHISCHE KUNSTWERKE
VON FRANK EUGENE SMITH.

Der Begriff des „photographischen Kunst-
werkes" ist eine Neuheit, die einen geist-
vollen Ästhetiker zueinerfesselndenDarstellung
reizen könnte. Noch vor zehn Jahren galt die
Camera als die geheimnislose Abschreiberin des
Lebens. Sie war jener Grenzfall, der den Bereich
der künstlerischenWirklichkeitsdarstellung nach
der Seite der Objektivität hin abschloß. Sie
galt als Unkunst kat-exochen, und tausendfach
haben die Ästhetiker sich auf sie berufen,
wenn es sich den vielfältigen naturalistischen
Tagesströmungen gegenüber darum handelte,
die subjektiv - idealistischen Bestandteile, die
jedem Kunstschaffen doch von nöten sind, ins
rechte Licht zu setzen.

Die letzten Jahre haben diese Auffassung
von der Photographie wesentlich umgestaltet.
Streng genommen kann man heute von einem
einheitlichen Begriffe „Photographie" nicht
mehr sprechen. Die verschiedenartigen Mate-
rialien, deren das photographische Abbild zu
seinem Zustandekommen bedarf, die zahlreichen

Zwischenzustände, die es zu durchlaufen hat,
bildeten ebensoviele Gelegenheiten, die an-
scheinend seelenlose Tätigkeit der Camera mit
„Subjektivem zu infizieren". Diese Gelegen-
heiten wurden nach anfänglich zaghaften Ver-
suchen immer kühner ausgebeutet. Das Er-
gebnis ist das „photographische Kunstwerk",
über dessen vorzüglichsten Vertreter, Frank
Eugene Smith, den Leiter der Münchner Lehr-
und Versuchsanstalt für Photographie, ich hier
zu sprechen habe.

Es wäre Sache eines Fachblattes, die glän-
zenden Ergebnisse, die das von den reinsten
künstlerischen Antrieben geleitete Streben die-
ses seltenen Mannes gezeitigt hat, nach der
Seite der technischen Verfeinerung zu würdigen.
Vielleicht würde sich dabei mit überwältigen-
der Deutlichkeit ergeben, daß es sich bei Smith
nicht um erlernbare Kunstgriffe handelt, son-
dern um feinstes, künstlerisches Empfinden, um
erlesene, schöpferische Einfälle, deren Verwirk-
lichung von Fall zu Fall dem toten Apparate

1911. IT. 1.

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