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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Jaumann, Anton: Ländliche Häuser von Heinrich Straumer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0328

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architekt h. straumer—berlin. Gruppe in Hermsdorf. Prof. Rudolf Neunzig und Maler Karl Neunzig.

LÄNDLICHE HÄUSER VON HEINRICH STRAUMER.

Unsere Architektur befindet sich in einer Pe-
riode der Klärung. Wir stehen, nach dem
vielberedeten Aulschwung des letzten Jahr-
zehnts, an dem Punkte, wieder vollständig um-
lernen zu müssen. Da gewinnen Erscheinungen,
die sich sonst bescheiden in Reih und Glied
hielten, erhöhten Anspruch auf Beachtung. Die
ländlichen Bauten von Heinrich Straumer, von
denen hier einige abgebildet sind, sind keine
glänzenden Architekturstücke, sie würden mit
ihrer natürlichen Einfachheit und gesunden
Kraft nicht im mindesten auffallen, wenn nicht
die jeweilige Umgebung und die zeitgenössische
Architektur überhaupt so voller Unnatur, Ver-
schrobenheit und romantischer Künstelei wäre.
Ein Gang durch die städtischen und ländlichen
Vororte Berlins ist ein Martyrium für die Augen.
Hier und dort stehen als Oasen wirklich künst-
lerische Bauten. Aber angesichts der Durch-
schnittsleistungen darf man beinahe bezweifeln,
ob selbst diese „Künstlerbauten" Gutes gewirkt
haben. Sie waren eine Verführung. Jeder Bau,
selbst das billigste Häuschen sollte nun künst-
lerische Eigenart zeigen, und nichts ist übler,

als mit schwächlichem Können architektonische
Schaustücke schaffen wollen. Über diesen archi-
tektonischen Schulreiternummern wurde das
wichtigste, das einzig Notwendige versäumt,
die Entwicklung eines gesunden Typs für das
Vorstadthaus und für das einfache Haus im
ländlichen Vorort.

Die „Wunderkinder" sind die größten Ge-
fahren für eine vernünftige Erziehung. Während
die Architekturwunder, die falschen wie die
echten, angestaunt wurden, versäumte man
eine richtige, konsequente Erziehung des Ge-
fühls für das gute „Haus" und für die gute
„Wohnung". Die Miethäuser und Villen sind,
trotzdem die sinnlose äußerliche Ornamentie-
rungssucht im Verebben begriffen ist, im wesent-
lichen nicht viel besser geworden. Während
vorher der Schmuck aufgeklebt wurde, erachtet
und behandelt man jetzt das ganze Haus als
Schaustück. Der Architekt sieht den Kern sei-
ner Aufgabe darin, aus dem rohen Baukörper
ein „künstlerisches Gebilde" zu gestalten. Das
Haus darf beileibe nicht so sein, wie seine Nach-
barn. Die schlichte, glatte Mauer ist verpönt,

1911. IV. 6.

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