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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Breuer, Robert: Die Gartenstadt Hellerau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0468

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Die Gartenstadt Hellerau.

DEUTSCHE WERKSTÄTTEN HELLERAU.

Blick in den Maschinensaal.

gestanden hatte, ging auf die Suche, der Ent-
wicklung seines Reiches eine neue Wohnstatt
zu finden. In ganz Dresden und rings umher
traf er die Spekulation, den hohen Bodenpreis,
der die Anlage einer ungehemmt der Hygiene
der Technik und der Arbeitsfreude gehorchen-
den Fabrik unmöglich machte. Er aber wollte
den Arbeitern Luft, den Maschinen Licht, den
Pflichten Erleichterung und dem Empfinden ein
großes Maß schaffen. So traf er eines Tages,
jenseits von Neustadt, gegen die Dörfer Klotz-
sche und Rähnitz, ein freies, vom Kapital noch
nicht in Beschlag genommenes Gelände. Dessen
gute Vorsehung war der fiskalische Besitz ge-
wesen, der sich zwischen den Grenzen der
Stadt, den Kasernen, und diesen Dorfgemeinden
dehnt. So abgesondert, schienen diese Lände-
reien der Spekulation wertlos. Und umgekehrt,
gerade durch den fiskalischen Gürtel, der sie
davor bewahrte, von der Stadt gefressen zu
werden, empfahlen sie sich als neue Heimat für
eine Organisation, die den Schlingen des städ-
tischen Bodenwuchers entrinnen und in mög-
lichster Freiheit sich entfalten wollte. Hier
also wollte Schmidt die neue Fabrik bauen.
Indessen, er wußte, daß er nicht in die Ein-
samkeit geraten durfte, auch mochte er nicht
riskieren, die Fabrik nun vielleicht doch der
Spekulation zu einem Sprungbrett werden
zu lassen. So wuchs ihm der Gedanke einer
Siedelung im Schatten der Fabrik. Nun hätte
es nahe gelegen, nur eine Arbeiterstadt für
die Angestellten vorzusehen; Schmidt aber,

dem die Psyche des Handarbeiters nie ver-
loren gegangen ist, kannte die Gefahren der
von einem Fabrikbetrieb unterhaltenen Arbei-
tersiedelungen, die Gefahren der wirtschaft-
lichen Abhängigkeit und der geistigen Inzucht.
Auch rein rechnerisch ergab sich bald die For-
derung einer gemischten Bebauung; größere Häu-
ser sollten neben kleinen Heimstätten stehen.

Es könnte Idealisten geben, die an diesem
Zustandekommen Helleraus Anstoß nähmen und
sagten, daß diese Gartenstadt zu sehr Produkt
der finanziellen Bedürfnisse eines kapitalisti-
schen Unternehmens sei. Das wäre aber kurz-
sichtig. Gerade diese kapitalistische Logik bildet
das Rückgrat der Gründung. Es fehlt ihr jede
falsche Philanthropie, jede feminine Wohltätig-
keit. Sie ist das Produkt eines Exempels, von
einem klugen und erfolgreichen Selfmademan
als nützlich, als notwendig erfunden. Noch
immer aber war die wirtschaftliche Notwendig-
keit von längerem Bestand als die blaublümige
Sehnsucht. Und die Entwicklung Helleraus hat
es bereits bewiesen, wie durchaus gesund die
Siedelung gedacht und durchgeführt wurde. Bei
der Baugenossenschaft melden sich weit mehr
Mietlustige als befriedigt werden können. Und
auch für die gehobenen Häuser fehlt es nicht
an Freunden.

* * *

Das Gelände ist hügelig, Fichtenwald ist da-
rüber hingesprengt. Vor seiner Südgrenze liegt
ein Paradeplatz; nach Norden steigt es am stärk-
sten an. Diese Topographie verbot eine schema-

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