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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Breuer, Robert: Haus Breul von Architekt Hermann Muthesius und Haus Liebermann von Arch. Paul Baumgarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0062

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Haus Breul und Haus Liebermann.

architekt hermann muthesius.

Haus Breul - Grunewald. Gartenansicht.

den Wald entrücktes Herrenhaus jenseits der
Stadtperipherie. Solche Disziplin der Gesund-
heit wird um so stärker wirksam, als in dich-
tester Nähe ein Haus, das sich Walter Rathenau
bauen ließ, durch seinen gelben Putz, seine
grünen Fensterläden und seine Empirefasson
etwas sehr nach Sachsen gravitiert.

Bei dem Hause Liebermann zeigt sich der
fördernde Einfluß eines verstehenden Bauherrn.
Aus der diskreten Balance, aus der geschliffenen
Reife der Gesamtanlage spürt man die Geistig-
keit einer jedes Detail vielfach umwendenden
Diskussion. Baumgarten ist ein Messel-
schüler; er gab dem Hause die traditionelle
Gestalt der berlinischen Antike. Ein geklärter
Giebel beschließt die gegen den Wannsee ge-
legene Front. Der Garten zwischen Haus und
Ufer ist ebenso ein Vorklang wie ein Ausklang
der Hausarchitektur. Die Neutralität der großen,
nach dem Wasser zu abfallende Rasenfläche
wird dem Hause zum Sockel. Die Rückfront,
vor dem Gemüsegarten, bekommt durch einen
starken Effekt den Ausdruck aristokratischer
Abgeschlossenheit. Die Fassade springt in der
Mitte um etwas mehr als einen Meter zurück;

genau achsial sitzt eine ins Freie führende
Zimmertür, einige flache Stufen führen zu ihr
empor. Von der obersten, dicht an die Hauswand
gerückt, stoßen zwei Säulenschäfte bis herauf
zum Hauptgesims. Diese beiden Säulen scheinen
das Volumen des Hauses zu vergrößern; die
Kapitäle sind eine graziöse Abfederung solcher
architektonischen Entladung. Sämtliche Fenster
des Hauses haben den französischen Typ; sie
gehen bis zum Fußboden hinunter und sind
durch ein niedriges Gitter geschützt. Dieses
Zusammentönen von französischem Landhaus
und Messelscher Antike (ein Zusammenklang,
der von Messel selber schon angewandt wurde)
ist sehr pikant. Man erlebt das Haus eines
Mannes, der durch Frankreich malen lernte und
im Schatten des Brandenburger Tores geboren
wurde. — robert Breuer.

Ä

Kunst ist nichts Zufälliges, künstlich zu
Machendes. Sie wächst, sofern sie echt ist,
organisch und logisch aus dem Boden dieser
Epoche heraus, ist der natürliche Niederschlag
der Kulturatmosphäre, gleichsam der Form und
Farbe gewordene Geist ihres Zeitalters, muther.


 
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