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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Niemeyer, Wilhelm: Bildhauer Richard Luksch, Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0145

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Richard Luksch Hamburg.

in klar gefestigter plastischer
Sprache erfaßt. Man fühlt eine
ihrer selbst gewisse und doch
scheu suchende Geistigkeit,
ein Miteinander von Stolz und
Mädchendemut. — Das Träu-
merisch-Anmutige, Vegetativ-
Stille seiner Art hat der Künst-
ler in zwei jüngsten bedeuten-
den Werken in den Dienst der
Brunnenplastik gestellt. Für
bestimmte Züge der skulptu-
ralen Poesie dieses Gebietes
erscheint seine Kunst in der Tat
wie prädestiniert. Der „Brun-
nen für einen Hausgarten" in
Hamburg erweist, daß sein
Schaffen nun mit den zartesten
und innigsten Wirkungen der
Plastik zu reden vermag, mit
dem Lichte und dem Schatten
der Flächen als den modellie-
renden Kräften, die die Formen
und Züge nur leise andeuten
und so das Geistigste der Pla-
stik, den Hauch einer träume-
risch versunkenen Existenz,
heraufrufen. Männliche und
weibliche Gestalt sind als neu-
trale Repräsentanten des kör-
perlichen Formgegensatzes in
Joser Symmetrie den beiden
teilen eines Halbkreises ein-
gefügt. In das Blütenband des
Rehefrahmens wie in ein Ge-
büsch eingeschmiegt, lassen
diese steingewachsenenjugend-
lichen Geschöpfe das Dumpfe
und Schwermulvolle aller rein
körperlichen Schönheit so er-
greifend fühlen, wie die Jüng-
linge und Mädchen griechischer Grabsteine.
Nur weniges aus heutiger Plastik ist diesem
Zug einer lieblichen Romantik der Antike so
nahe gekommen wie dieses Werk.

Und endlich hat Richard Luksch der Stadt
Hamburg, wo er eine neue und mit Neigung
umfaßte Heimat fand, mit dem Entwurf eines
i,Jungfernstiegbrunnens" ein geistiges Gastge-
schenk dargebracht, das ein dauernder Schmuck
und ein Wahrzeichen der Stadt werden könnte.
Der Künsller hat den Poesiegehalt des alten,
großväterisch-schalkhaften Namens des Alstcr-
ufers in plastische Form zu übersetzen verstan-
den. Um ein Wasserbecken aus dunklem Granit
reiht er fünf, in weißem Granit gedachte, an-
mutige Mädchengestalten, an Zahl genug, um

RICH. LUKSCH. Dachträger-Schmuck
eines Geschäftshauses in Augsburg.

nach Gewandung und Gebärde
den statuarischen Reigen wech-
selvoll zu entfalten, und doch
so wenige, daß die Gestalten
volle formale Individualität
wahren und nicht zu bloßen
plastischen Ornamenten wer-
den. Diese Mädchengestalten
sind in reinem Sinn Modulatio-
nen einer plastischen Grund-
form, die die formale Abstrak-
tion des Mädchenhaften in
Linien und Gebärden gibt. In
der Allgemeinheit, die das
Eigenste plastischer Kunst ist,
wird ein Schreiten oder eine
Wendung, eine Neigung, ein
Aufblicken, ein Stehen gestal-
tet. Jene echt bildnerische
Schönheit ist geschaffen, die
das Wort nicht zu greifen ver-
mag, Gebärden sind gegeben,
die nichts bedeuten und sagen,
die nur die Lieblichkeit dieses
Mädchendaseins, die Anmut
der bloßen Existenz variieren.
In diesen ziervollen Wesen lebt
jene träumerische Selbstgenüg-
samkeit der bildnerischen Form,
die ihr höchster Wert ist. —
Indem nun der dunkle Wasser-
grund den Ring dieser stillen
Gestalten und gehaltenen
Gesten in seinem dunklen
Schöße widerspiegelt, wird das
plastische Leben noch einmal
um einen Grad entwirklicht und
entrückt. So ist das tiefste
Gemeinsame dieses optischen
Phänomens und der plasti-
schen Kunst, die beide auf der
Poesie der Wiederbildung des Bewegten im
Unbewegten ruhen, zu einem reinen Akkord
der Empfindung zusammengeschlossen. Tief-
sinnig gestaltet dieser Brunnen über die Einzel-
schönheit der Gestalten hinaus im Ganzen seiner
Anlage einen Wirkungsgedanken, in dem Kunst
und Natur zusammenklingen. Wenn die meisten
Brunnenschöpfungen das Rauschende, Gewalt-
same des Wassers in plastischen Gebilden ver-
sinnlichen, wie zuletzt unsere schönste Anlage,
Hildebrandts Wittelsbacher Brunnen in Mün-
chen, so ist im Jungfernstiegbrunnen die Schön-
heit der spiegelnden Stille künstlerische Idee.
Eine Ausführung des Entwurfes würde ein Werk
erbringen, das in der ersten Reihe künstlerischer
Brunnenschöpfungen in Deutschland stände. —
 
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