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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Weichardt, Carl: Eine Villa von Bruno Paul in Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0149

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EINE VILLA VON BRUNO PAUL IN FRANKFURT A. M.

VON DR. CARL WEJCHARDT.

W'üßte man nicht, daß Bruno Paul ein Kind
der Oberlausitz ist, man könnte darauf
verfallen, seine Heimat in der alten freien
Hansestadt Bremen zu suchen. Der Geist vor-
nehmster Bürgerkultur, den diese schlicht-stolze
Stadt im Alten wie im Neuen atmet, lebt ganz
ähnlich geartet in Bruno Pauls Kunst und findet
hier wie dort Formen voll solidestem Charakter,
voll gemessener Schönheit. Und es scheint mir
mehr als Zufall, daß Paul der bevorzugte Innen-
Architekt des Norddeutschen Lloyd, dieser
stolzesten bremensischen Gründung, geworden
ist; hier haben zwei Wahlverwandte sich ge-
funden. Hatte der Lloyd erst einmal eingesehen,
daß gerade seine schwankenden Häuser mit
ihren eisern strengen Raumgesetzen für nichts
weniger die Stätte waren als für Barock- oder
Rokoko-Orgien, die unter Umständen schon
w sich allein Anreiz genug zur Seekrankheit
sein konnten, so bot sich ihm in Paul der ge-
borene Künstler für diese modernen Meer-

paläste , in denen es jeden Winkel zweckvoll
auszugestalten galt und deren Inneneinrichtung
ein Gegengewicht gegen die dunklen, unsicheren
Elemente draußen zu geben, heiteren Komfort
mit ruhigster Festigkeit zu vereinen hatte.
Sitzt man im altbremer Essighaus beim guten
Rotwein in den bäurisch behaglichen, altbe-
quemen Armlehnstühlen, so hat man auch hier
das Gefühl: dies könnte von Bruno Paul ge-
schaffen, oder aus diesem niedersächsischen
Gestühl ihm die Anregung zu seinen typischen
Eßzimmerstühlen gekommen sein. Die Aus-
stellung der Bremer Filiale der Vereinigten
Werkstätten wirkt in Bremen wie etwas Selbst-
verständliches , nicht etwa nur wie eine Oase
der angewandten Kunst inmitten von Schund
und protzigem Kitsch. Ist man die weitge-
schwungene, wohlgepflegte Contrescarpe, diese
grünste deutsche Wall-Promenade, entlang
spaziert und hat unterwegs an der Häuserreihe
der Altstadtseite so manche feine Front ent-

1911/12. II. 4.

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