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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Michel, Wilhelm: Neue Gemälde von Walther Püttner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0227

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WALTHER PUTTNER MÜNCHEN.

»Am FrühstückStisch«. Pinakothek-Münelien.

NEUE GEMÄLDE VON WALTHER PÜTTNER.

VON WILHELM MICHEL.

Püttners Ruf als des ernstesten Künstlers inner-
halb der vielberufenen „Scholle" steht längst
fest. Unter den Figurenmalern der Scholle ist
Püttner menschlich wie künstlerisch die här-
teste, die charaktervollste Natur. Er hat den
Ausgangspunkt der Scholle, die Malerei des
früheren Trübner, am zähesten und folgerich-
tigsten entwickelt. Die Wendung zu extensiver,
schmückender Geschmackskunst, welche die
Scholle genommen hat, machte er nicht mit.
Er blieb herbe, bieder und aufrichtig und be-
hält zuletzt den Sieg.

Herbe? Für seine Form-Analyse gilt das
Wort durchaus. Kantig, zitternd und lebendig
springt die Form bei ihm heraus; sein Pinsel
zeichnet energisch und ungefällig und erkennt
kein höheres Gesetz an als die Wahrheit und
das Streben nach blitzender Lebendigkeit. Da-
bei hält sich diese überschäumende Kraft der
Form-Analyse durchaus in den Grenzen male-
rischer Delikatesse, wahrt die Fläche und wird
bei aller Derbheit niemals grob oder verletzend.

Aber worauf das Beiwort herbe nicht paßt,
das ist seine Farbe. Sie ist nicht in dem leich-
teren Sinne wohlklingend und geschmackvoll
wie bei Leo Putz, dem Tiroler, dessen weiche,
volltönige Akkorde überall im deutschen Lande
begeisterte Zuhörer gefunden haben. Püttners
Farbe ist von gedämpfterem Reize, und dieser
offenbart sich erst, wenn man sich ganz in seine
Kunst eingelebt hat, wenn man seine Bilder
als reine Probleme des farbigen Flächen-
schmuckes anzusehen gelernt hat. Man erkennt
dann das hervorragende Tongefühl, das Püttner
besitzt, und den geschmackvollen Reichtum
seiner farbigen Welt, in welcher, ähnlich wie
etwa bei Lovis Corinth, die häufig auftauchen-
den grauen Töne eine große Rolle spielen.
Püttner ist neben Max Feldbauer das reinste
Malertemperament derScholle. Feldbauer über-
trifft ihn vielleicht an Reiz und Wärme des
Kolorits, aber vor Feldbauer hat Pütlner seiner-
seits die Faßlichkeit und das echt malerisch
gegebene Leben der Form voraus. Seine far-

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