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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Michel, Wilhelm: Albert Weisberger, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0293

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Albert Weisoerbcr.

jungen Münchnern keiner nachmacht. Ich kann
diesen Feinheiten nicht in der Weise der Maler
nachgehen. Es genügt mir, beispielsweise in
dem stehenden Damenbildnis die erstaunliche
phantasievolle Exaktheit in der Auffassung der
grünen Reflexe von Laub und Gras zu bewun-
dern oder mich in den emailartigen Reiz der
Aktmalerei bei dem hängenden „Sebastian" zu
versenken. Man findet hier kühne und edle
Zusammenstellungen von Farben, die herrlich
ineinanderfließen; die Art, wie die benach-
barten Töne einander nach optischen Gesetzen
bedingen, läßt nicht nur auf zuverlässige Emp-
findung, sondern auch auf strenges, eingehen-
des Studium schließen. Dieses Studium machte
Weisgerber zu einem Fleischmaler ersten Ran-
ges, und überhaupt zu einem glänzenden Kolo-
risten, dessen Fähigkeit, in Farben zu dichten,
zu phantasieren, sich selbst da verrät, wo er
bewußt auf eine starke Vereinfachung des
malerischen Ausdruckes ausgeht.

Denn dieses Streben der modernen Malerei,
durch Vereinfachung des Ausdruckes unmittel-

bar zum Wesentlichen und Schlagenden der
Erscheinung vorzudringen, hat sich auch Weis-
gerber angeeignet. Ich möchte hier nicht ver-
hehlen, daß ich dieses Streben nur bedingt an-
erkenne, nämlich nur da, wo das Gemälde, von
einer großen Auffassung ausgehend, nach großer,
monumentaler Wirkung strebt; ganz zu schwei-
gen von dem jämmerlichen Snobismus, der sich
in aller Herren Länder, vorab in Frankreich,
auf die neue Doktrin beruft, um seine oft er-
staunlich geringen künstlerischen Potenzen hin-
ter einigen anspruchsvollen dekorativen Leit-
sätzen zu verschanzen. Außerdem hat die Ver-
einfachung auch in der illustrativen Malerei ein
gewisses Recht; sie gibt hier, wo es in erster
Linie auf schlagende Charakteristik ankommt,
die nötige Freiheit der Wahl unter den Aus-
drucksmitteln. Im übrigen halte ich es mit
Delacroix, der, als hätte er die „Synthetiker"
vorausgeahnt, einmal mit Schärfe sein Glaubens-
bekenntnis formulierte, daß es in der Malerei
nicht auf Vereinfachung, sondern auf Kompli-
zierung der Erscheinung ankomme.

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