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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Westheim, Paul: Publikumsgeschmack
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0351

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th. veil & g. herms—münchen. Gartenseite des Hauses Pick-Riecken.

PUBLIKUMS-GESCHMACK.

Das Publikum, das unberechenbare, das un-
verständlich modelüsterne, haltlose, wird
von den Fachleuten aller Sparten gern verant-
wortlich gemacht für alle Sünden, die sie be-
gehen. Sie entschuldigen sich immer mit dem
harten Muß, das ihnen auferlegt werde von
jenen ungreifbaren Massen, die ohne sachliche
und fachliche Berufung lauliche Zwitterdinge
fordern. Ihre Sünden wollen sie als Notsünden
angesehen wissen. Besonders in der Kunst und
beinahe immer in Raumkunstfragen, bei Möbeln,
Stoffen, Keramiken, Schmuckgegenständen usw.

Zugegeben, das breite Publikum ist mitunter
unverständlich, bestaunt und kauft den jämmer-
lichsten Kram, fällt scharenweise auf die blö-
desten Tricks herein, ganz so schlimm, wie es
von den Geschmackssündern hingestellt wird,
ist es doch nicht. Namentlich das deutsche
nicht. Bei aller Unsicherheit hat der deutsche
Bürger doch die Tugend, belehrbar zu sein. Er

macht es nicht wie der Romane, der jedes un-
bequeme Urteil verlacht, der die Achseln zuckt,
wenn ihm etwas Besseres gezeigt werden soll
und seelenruhig seine Pfade weitertrottet. Der
Deutsche geht auf eine Anregung ein, setzt sich
mit fremden Anschauungen auseinander, läßt
sich womöglich überzeugen. Ohne diese Cha-
rakterveranlagung des deutschen Publikums
hätten die Pioniere der neuen Raumkunstidee
sich gewiß nicht so schnell durchsetzen können,
ohne sie wäre alles frommer Wunsch, Ansatz,
Theorie geblieben.

Warum auf einmal verzagen? Warum plötz-
lich das Zutrauen verlieren? Lassen wir uns
doch von ein paar Desperados nicht einreden,
das liebe Publikum pfeife auf alles, was nicht
irgendwie ein bischen kitschig aufgemacht sei.
Es ist die Rechtfertigung des eigenen Unver-
mögens. Mehr nicht. Man muß dem Publikum
nur etwas bieten, was Hand und Fuß, Ge-

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