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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0427

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Kleine Kunsl-Nachrichten.

des östlichen Asiens. Wel-
che Formen, welcher Zug
und Flug, welches Atmen in
diesen Wandungen; und dann
die Farben: das Fell des Ti-
gers, das Rotkehlchenei, die
Schale der Schildkröte, die
Haut des Pfirsichs, der Ge-
ruch des Apfels, glühendes
Blau, dämmerndes Rot,
Gloriolen in Gelb und Dämo-
nien in sterbendem Grün. -
Viele, sehr viele der Stücke
waren verkauft. Wann wird
es der europäischen Keramik
gelingen, das Gold so locker
zu machen. r. br.

A

EIN NEUES GESCHÄFTS-
HAUS v.E. H.SCHAUDT.
Die Berliner City arbeitet eif-
rig an ihrer Neugestaltung.
Eine Firma nach der andern
läßt ihren Pseudopalast ab-
brechen, um dafür ein restlos
brauchbares und charakter-
volles Geschäftshaus hinzu-
stellen. Das gelingt zwar
nicht immer, abwechselnd
durch die Schuld des Archi-
tekten, durch die des Bau-
herrn. Das gelingt am besten
dann, wenn Auftraggeber und
Ausführender sich zusammen-
finden in vernünftiger Gesin-
nung. Das ist jetyt wieder ein-
mal in besonderem Grade
geschehen, als E. H. Schaudt,
der Erbauer des „Kaufhaus
des Westens", den Auftrag
bekam, für Cords ein neues
Haus zu schaffen. Er baute
es aus Kalkstein, sehr
schlicht, durchaus als eine
großformige Ganzheit und
doch im Detail sorgfältig aus-
balanciert. Es ist sehr kulti-
viert, wie Schaudt die ein-
zelnen Horizontalen von unten
nach oben bis hinauf zum
Hauptgesims variiert und
steigert; es zeigt sich darin
jene spezifische Architektonik,
die den wahren Baumeister
vom Kunstgewerblerscheidet.
Eine unbedingt architekto-
nische Situation ergibt sich

annemarie koppel dresden.

k. rothe dresden.

annemarie koppel dresden.
entwürfe für kreuzstich.

auch aus dem Widerspiel
der beiden Tendenzen, die
Schaudt schon beim K. d. W.
miteinander kämpfen ließ:
aus dem eigenartigen Gegen-
einander der vertikalen Trag-
mauern und der horizonta-
len Etagenbänder. Es wäre
falsch, von Pfeilern zu spre-
chen, oder von breitentwickel-
ten Mauerflächen. Die Pfei-
ler seßen wohl an, aber sie
werden so kräftig von den
Horizontalen durchbrochen,
dag sie ihre hochstoßende
Kraft nicht entfalten können.
Die gemauerte Fläche ist
wohl überall spürbar; sie
öffnet sich aber doch so oft
und so energisch, dag der
Rest gerade noch hinreicht,
um nicht an das bloße Vor-
handensein eines konstruk-
tiven Gerüstes glauben zu
müssen. Solche Unbestimmt-
heit der Tektonik wirkt eine
nervöse Eleganz, die aber
niemals spielerisch wird, weil
der Ausgleich der beiden
Konstruktionstendenzen mit
ruhiger Selbstverständlich-
keit sich vollzieht. Schweig-
sam und doch lebendig mit
verhaltenem Temperament
steht das Haus im Lärm der
Leipziger Straße; ein Rück-
sprung des Mitteltrakts läßt
vor den Schaufenstern die
Leute sich sammeln, ohne die
Vorübergehenden zu behin-
dern. Im Innern hat Schulze-
Kolbit} eine sehr anständige
Ladeneinrichtung geschaffen;
aus gutem Instinkt für den
Komfort des Einkaufes und
aus reinlichem Geschmack
bekam der nüchterne Appa-
rat der Ladentische und der
Warenregale, der Schreib-
pulte und der Kassengehäuse
einen ebenso dienstbereiten
wie selbstbewußten Ausdruck.
Ohne Zweifel: die beiden
Architekten und ihre Bau-
herren lieferten einen vortreff-
lichen Beitrag zur Kultur des
Kaufmanns. — r. br.

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