Max Pechstein Berlin.
MAX PEC1ISTEIN BERLIN. KOHLE-ZEICHNUNG.
den es zu brechen, als eine Reibung, die es zu
überwinden galt. Und nur dadurch gewannen
sie in den Ahnen, die sie beinahe haßten, Helfer
zum Neuen, zu dem Ihren. Das Fortbrechen
aller Umhüllungen machte die Einzigen zu
Förderern der Konvention des im Wandel Un-
sterblichen. Nur wenn aller Ballast fiel, kann
der Rhythmus schwingen. Das Fleisch stirbt;
der Rhythmus bleibt.
Der Rhythmus ist nicht gegen die Natur, er
ist aus der Natur. Umsonst wäre es, die Natur
zu vergewaltigen j das gäbe immer nur eine
Manier. Darum handelt es sich: der Natur
Innerstes zu entdecken. Wer das vermag, der
ist, einerlei ob die Niederschrift von solchem
Erlebnis kaum ein Stammeln, dennoch ein
Künstler. Es gibt in der Kunst nur ein Dogma :
die Identität von höchster Natur und reinster
Kunstform. Auch das, was die Wörterbücher
„Naturalismus" nennen, birgt seinen Wert in
der immanenten Form. Gegen die wechselnde
Wirklichkeit gehalten, ist jedes Kunstwerk et-
was Bleibendes, etwas Abgesondertes, Aus-
gesondertes. Jedes Kunstwerk entscheidet sich
an seinen dekorativen Funktionen. Dennoch:
MAX PECH STEIN BERLIN. KOHLE-ZEICHNUNG.
es gibt Zeiten, die im besonderen Maße zur
Synthese drängen, zur Form, zum Rhythmus.
Solcher Zeiten Kunst flieht doppelt alle gemeine
Natürlichkeit. Die Kraftlosen solcher gefahr-
vollen Zeiten verirren sich in den Abstraktionen
des Ornamentes; die Starken zwingen eine neue,
unsentimentalische Monumentalität. Das gibt
zuweilen den Eindruck der Roheit; wir späten
Menschen sollten aber gelernt haben, taube
Willkür von fruchtbarem Wollen zu scheiden.
Und glücklich sollten wir dessen sein, ein Zeit-
alter der Synthese zu erleben.
Es gibt eine Art, den Akt wie bekleidet,
und eine andere, die Landschaft oder einige
Äpfel in reiner Nacktheit zu malen. Zu den
bekleideten Akten gehören die der Präraffaeli-
MAX PECHSTEIN BERLIN. PINSEL-SKIZZE.
ten; die Landschaften des Gauguin haben die
statuarische Größe atmenden Fleisches. Wenn
Cezanne einige Früchte zum Stilleben legt,
oder wenn van Gogh die Äcker ansieht, so
weitet sich die scheinbar tote Natur zu einer
blutvollen Animalität. Man empfindet die
Früchte als Spannungen von Kräften, man
möchte meinen, daß diese Äpfel sich selber als
seliges Leben fühlen. Man sieht die Felder in
Erregung sich drängen, als entliefe eines dem
andern; man glaubt die Erde als einen Riesen,
der sich streckt und wirft, der seine berstende
Lebenslust mit rauschendem Grün bekränzt
und die Sonne trinkt. Es steckt etwas Roman-
tisches in solcher Art, die scheinbar tote Natur
zu vitalisieren, sie zu entkleiden: daß man die
Dramatik ihres stummen Lebens hüllenlos sehe.
Es gibt keine Synthese, die ihr Feuer nicht an
der Romantik entzündete; das Metaphysische
ist aller Synthese Ziel.
Es gibt von Max Pechstein Blätter, kaum
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MAX PEC1ISTEIN BERLIN. KOHLE-ZEICHNUNG.
den es zu brechen, als eine Reibung, die es zu
überwinden galt. Und nur dadurch gewannen
sie in den Ahnen, die sie beinahe haßten, Helfer
zum Neuen, zu dem Ihren. Das Fortbrechen
aller Umhüllungen machte die Einzigen zu
Förderern der Konvention des im Wandel Un-
sterblichen. Nur wenn aller Ballast fiel, kann
der Rhythmus schwingen. Das Fleisch stirbt;
der Rhythmus bleibt.
Der Rhythmus ist nicht gegen die Natur, er
ist aus der Natur. Umsonst wäre es, die Natur
zu vergewaltigen j das gäbe immer nur eine
Manier. Darum handelt es sich: der Natur
Innerstes zu entdecken. Wer das vermag, der
ist, einerlei ob die Niederschrift von solchem
Erlebnis kaum ein Stammeln, dennoch ein
Künstler. Es gibt in der Kunst nur ein Dogma :
die Identität von höchster Natur und reinster
Kunstform. Auch das, was die Wörterbücher
„Naturalismus" nennen, birgt seinen Wert in
der immanenten Form. Gegen die wechselnde
Wirklichkeit gehalten, ist jedes Kunstwerk et-
was Bleibendes, etwas Abgesondertes, Aus-
gesondertes. Jedes Kunstwerk entscheidet sich
an seinen dekorativen Funktionen. Dennoch:
MAX PECH STEIN BERLIN. KOHLE-ZEICHNUNG.
es gibt Zeiten, die im besonderen Maße zur
Synthese drängen, zur Form, zum Rhythmus.
Solcher Zeiten Kunst flieht doppelt alle gemeine
Natürlichkeit. Die Kraftlosen solcher gefahr-
vollen Zeiten verirren sich in den Abstraktionen
des Ornamentes; die Starken zwingen eine neue,
unsentimentalische Monumentalität. Das gibt
zuweilen den Eindruck der Roheit; wir späten
Menschen sollten aber gelernt haben, taube
Willkür von fruchtbarem Wollen zu scheiden.
Und glücklich sollten wir dessen sein, ein Zeit-
alter der Synthese zu erleben.
Es gibt eine Art, den Akt wie bekleidet,
und eine andere, die Landschaft oder einige
Äpfel in reiner Nacktheit zu malen. Zu den
bekleideten Akten gehören die der Präraffaeli-
MAX PECHSTEIN BERLIN. PINSEL-SKIZZE.
ten; die Landschaften des Gauguin haben die
statuarische Größe atmenden Fleisches. Wenn
Cezanne einige Früchte zum Stilleben legt,
oder wenn van Gogh die Äcker ansieht, so
weitet sich die scheinbar tote Natur zu einer
blutvollen Animalität. Man empfindet die
Früchte als Spannungen von Kräften, man
möchte meinen, daß diese Äpfel sich selber als
seliges Leben fühlen. Man sieht die Felder in
Erregung sich drängen, als entliefe eines dem
andern; man glaubt die Erde als einen Riesen,
der sich streckt und wirft, der seine berstende
Lebenslust mit rauschendem Grün bekränzt
und die Sonne trinkt. Es steckt etwas Roman-
tisches in solcher Art, die scheinbar tote Natur
zu vitalisieren, sie zu entkleiden: daß man die
Dramatik ihres stummen Lebens hüllenlos sehe.
Es gibt keine Synthese, die ihr Feuer nicht an
der Romantik entzündete; das Metaphysische
ist aller Synthese Ziel.
Es gibt von Max Pechstein Blätter, kaum
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