Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

DOI article:
Westheim, Paul: Leopold Graf von Kalckreuth
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0461

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Leopold Gra f von Kalchreuth.

leopold graf von kalchreuth.

Gemälde: »Cuxhaven«

Gaben des Herzens, deren Echtheit das Volk
zu schätzen weiß, weil sie ihm nicht fingerdick
als eine pädagogisch gemeinte Tendenz unter
die Nase gerieben werden.

Diese Mischung von Objektivität und
innerer Anteilnahme ist das eigentlich
Fesselnde an dem Schauspiel, das die Werke
des Künstlerbundpräsidenten bieten. Wenn er
Cuxhaven oder sonst eine Landschaft auf die
Leinwand bringt, so gibt er sie ganz wie sie
ist, ungeschminkt, wirklichkeitsgetreu. Er malt
sie ab mit dem Ehrgeiz eines Menschen, der
die reine Wahrheit sagen will, ohne etwas
hinzuzutun oder wegzulassen. Und wenn dann
das Bild fertig dahängt, so steckt doch in jedem
Pinselstrich etwas von dem Menschen Kalk-
reuth, etwas von dem Lyriker, von dem ver-
stohlenen Schwärmer. Weshalb er auch als
Porträtist so beliebt werden konnte. Die dar-
zustellende Person ist ihm immer mehr ge-
wesen als nur optisches Phänomen. Selbst-
verständlich ist er Techniker genug, um zu
wissen, daß er eine Fläche durchzugestalten,
Farben gegeneinander abzustimmen, Raum- und
Lichtprobleme zu bewältigen hat. Aber das
alles scheint er nicht höher zu achten, als sonst

eine Fähigkeit, die einem eben im Handgelenk
sitzt und deren man sich, so gut man es über-
haupt vermag, zu bedienen hat. Wenn er es
auch niemals wagen würde, einen Menschen
nicht porträtähnlich zu konterfeien, so sucht
er doch jede dieser gestellten Aufgaben sich
auszuweiten zu einem persönlichen Erlebnis.
Wo ihm das nicht gelingt, wie etwa bei dem
Gruppenbild der Weimarer Künstlervereinsvor-
steher, das wir auf der diesjährigen Secessions-
Ausstellung sahen, kann er versagen. Wo er
aber das Objekt sich auf seine Weise zu eigen
machen verstand, schafft er Porträts von einer
seelischen Anmut, die ihm zweifellos versagt
wäre, so er den Weg der artistischen Wildlinge
gegangen. — paul westheim.

£

Mit einem Portrait von Personen, die man kennt,
ist man niemals zufrieden. Deshalb habe ich die Por-
traitmaler immer bedauert. Man verlangt so selten
von Leuten das Unmögliche, und gerade von diesen
fordert man's. Sie sollen einem jeden sein Verhält-
nis zu den Personen, seine Neigung und seine Ab-
neigung mit in ihr Bild aufnehmen, sie sollen nicht
bloß darstellen, wie s i e einen Menschen fassen, son-
dern wie jeder ihn fassen würde. . . . GOETHE.

454
 
Annotationen