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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Westheim, Paul: Gedeckte Tische: Aus der Ausstellung im Hohenzollern-Kunstgewerbe-Haus, Berlin Januar und Februar 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0483

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Gedeckte Tische.

frau lotte v. mendelssohn-b arthold v. frühstückstisch für l8 personen. mahagoni-

tisch , altes silber und geschliffenes kri-
stallglas. fliederstraüss in porzellan vase.

nischen Parfüms. Aber nur so viel Japonnis-
mus, wie er dem kultivierten Europäer im Blute
steckt, wie er als Nuance und Steigerung des
eigenen Seins von ihm erlebt wird. Derbschrö-
tiger, schlemmeriger ist der Gipkens-Raum,
Er bietet den Eßtisch der Leute, die sich die
Wände mit Leonhardschen Weiblichkeiten be-
hängen, die Konfekt-, Obst-, Likör-, Zigarren-
schränke als stumme Diener um sich herum zu
schätzen wissen. Die Tafel selbst mit einem
bemerkenswerten Rosenthaler Porzellan war
ein Beispiel schöner Einheitlichkeit. Noch eine
Nuance schlemmeriger serviert Julius Klinger
sein Souper ä deux; ganz weiß, weiß die Wände,
weiß die Sessel, weiß das Tischzeug, weiß die
Porzellane, die Rosen, weiß auch das Perlen-
kollier und der Hermelinmantel, der als kost-
barstes Stück da als Dessert serviert wird.
Frau von Brauchitsch hat im Garten einen
mit bunten Blumen bestickten Schirm aufge-
schlagen, unter dem aus Korbmöbeln, Sticke-
reien und buntem Leinenzeug sich ein Teetisch-
ensemble rundet. Ein kleines Feuilleton ent-

faltet Frau Cucuel Tscheuschner mit dem
Tennis - Frühstück. Auf künstlichem Rasen
zwischen Rackets, Überkleidern und Tennis-
netzen steht ein niedriger Tisch, über und über
besät mit kleinen Schleckereien, mit Kuchen,
Sandwiches, Likören usw., wie es auch als De-
koration im Schaufenster eines Sportmagazins
stehen könnte. Solch Geistreichelei mag man
sich gefallen lassen in einem Kinderzimmer, wo
zum Geburtstag eine Schokoladenfee mit vielen
süßen Gaben aufgebaut war. Es ist sehr an-
zuerkennen, daß die Damen der Gesellschaft,
Frau von Kardorff, Frau Frankfurter oder
Julia Kulp Wert allein auf jenen Chic legten,
den wir im Kunstgewerbe als gute Form zu
schätzen pflegen. Das kann letzten Endes auch
nur der Sinn dieser Bemühungen sein. Das Pub-
likum will an solchen Musterbeispielen sehen,
wie es mit guten Materialien aus dem Tafeln
ein künstlerisch stimmungsvolles Fest machen
kann. Es will angeregt werden, mit gleicher
Selbstverständlichkeit gleich Schönes daheim
zu arrangieren. — paul westheim.

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