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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0111

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96

I. Abschnitt. Das Dionysos-Theater in Athen.

auf der Hand. Ich möchte aber bezweifeln, dass das Dionysos-Theater selbst
gemeint ist, weil die Einteilung des Kreises nicht mit derjenigen unseres Zu-
schauerraumes übereinstimmt. Als dritte Figur ist noch eine bogenförmig ge-
schlossene Öffnung im Aufriss gezeichnet. Ich vermute, dass die Figuren sämtlich
zu mathematischen oder architektonischen Vorträgen gedient haben, die in unse-
rem Theater abgehalten wurden.

Zum Abschlüsse der eingehenden Betrachtung unseres Theaters mögen hier
die verschiedenen Entwicklungsstufen, Avelche es durchgemacht hat, übersichtlich

zusammengestellt werden:

1. Im VI. und V. Jahrhundert bildet den
wichtigsten Teil des Theaters ein kreisrun-
der Tanzplatz, die Orchestra. In ihrer Mitte
befindet sich ein Altar und um sie herum
werden auf drei Seiten hölzerne Sitzreihen
für die Zuschauer aufgeschlagen. An ihrer
vierten Seite wird etwa seit der Mitte des
V. Jahrhunderts ein Spielhaus, die Skene, aus
Holz errichtet und dient als Hintergrund für
die in der Orchestra sich abspielende drama-
tische Handlung. Zwischen dem Zuschauer-
raum und dem Spielhause liegen die beiden
Seiteneingänge zur Orchestra, die Parodoi.

2. Im IV. Jahrhundert wird das ganze
Theater neu in Stein ausgeführt. Naturgemäss nahm man dabei diejenige Form
des Theaters zum Vorbild, welche sich bis dahin allmählich herausgebildet hatte.
Ein stattlicher Zuschauerraum mit steinernen Sitzreihen umgiebt einen kreisrunden
Tanzplatz, in dessen Mitte ein Altar liegt und neben dem sich ein steinernes
Skenengebäude erhebt, dessen Vorderwand mit Säulen geschmückt ist. Vor die-
ser Skene wird bei jeder Aufführung als Hintergrund für das Spiel ein Proske-
nion, eine Schmuckwand, aus Holz und Zeug errichtet.

3. In hellenistischer Zeit, vielleicht erst im I. Jahrhundert vor Chr., wird
das bewegliche Proskenion durch einen festen Säulenbau ersetzt, dessen Interco-
Iumnien mit hölzernen Tafelgemälden (Pinakes) geschlossen werden. Das Theater
erhält dadurch diejenige Gestalt, welche Vitruv als griechisches Theater seiner
Zeit beschreibt.

4. Unter Kaiser Nero wird die Orchestra und das Skenengebäude nach römi-
scher Weise umgebaut. Die kreisförmige Orchestra, der alte Tanz- und Spielplatz,
Avird in zwei Teile zerlegt, in ein hochliegendes Logeion für skenische Aufführungen
und in eine tiefer gelegene Konistra für Gladiatorenspiele und ähnliche Vorstellungen.

5- In spätrömischer Zeit baut der Archon Phaidros das Logeion um und
richtet die Konistra zur Vornahme von Naumachien her. (W. D.)

Figur 33. Theatergrundriss.
 
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