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Dörpfeld, Wilhelm; Reisch, Emil
Das griechische Theater: Beiträge zur Geschichte des Dionysos-Theaters in Athen und anderer griechischer Theater — Athen, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.5442#0162

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S. Das Theater in Delos.

H7

Form nur noch zwischen den Ecksäulen des Proskenion und den Pfeilern der
Parodos-Thore vorkommen. Da hieraus gefolgert werden muss, dass der Ver-
schluss dieser beiden Öffnungen dauernd oder auch nur vorübergehend abwich
von dem der übrigen Intercolumnien, der aus bemalten Holztafeln bestand, so
liegt die Vermutung nahe, dass hier, wenn es das Drama verlangte, zwei Ne-
benthüren angebracht werden konnten. Eine Bestätigung dieser Annahme dürfen
wir darin sehen, dass gerade diesen Öffnungen gegenüber die beiden schon er-
wähnten Nebenthüren der Skenen-Vorderwand liegen.

Ferner sind die Pfeiler der die Parodoi abschliessenden Seitenthore genau
ebenso gebildet wie die viereckigen Pfeiler der Ringhalle und werden daher
nicht nur dasselbe Gebälk, sondern auch dieselbe Höhe wie das Proskenion und
die ganze Ringhalle gehabt haben. Darin liegt aber ein weiterer Beweis für unsere
Ansicht, dass das Proskenion das Hauptgeschoss der Skene, nicht nur der Unter-
bau für ein solches war. Denn die Durchführung der Architektur des Proskenion bis
an die Stützmauern des Zuschauerraumes, wie ich sie auf Grund des delischen
Theaters auf unserer Tafel VIII bei dem Durchschnitt eines griechisch-hellenistischen
Theaters angenommen habe, ist von hervorragender Bedeutung für die im VIII.
Abschnitt dargelegte Theorie von der Entwickelung des römischen Theaters aus
dem griechischen. Dass die Parodos-Thüren im delischen Theater in schräger Linie
verlaufen, ist durch die geringe Höhe der Stützmauer des Sitzraumes an der der
Proskenion-Ecke gegenüberliegenden Stelle veranlasst; der Thürpfeiler war weiter
seitwärts angeordnet, wo die Stützmauer etwa die Höhe des Thores hatte.

Sodann sind in der Orchestra dicht vor dem Proskenion die Unterbauten
mehrerer Statuen oder anderer Weihgeschenke erhalten, welche einst vor den
Säulen des Proskenion aufgestellt waren. Ihr Vorhandensein ist ein sicherer Be-
weis gegen die vielfach aufgestellte Hypothese (z. B. Wieseler, Griech. Theater,
bei Ersch und Gruber 83, S. 203), dass in dem vor dem Proskenion gelegenen
Teile der Orchestra oft ein grosses Podium, das den Namen Thymele geführt
habe, aufgeschlagen worden sei. Nur die Köpfe der Statuen oder die oberen
Teile der Weihgeschenke würden über diesem Podium sichtbar gewesen sein!

Noch in einem anderen Punkte weicht das delische Skenengebäude von den
entsprechenden Bauten in Athen nnd Epidauros ab: es fehlen die Paraskenien,
welche in diesen und anderen Theatern das Proskenion einschliessen. Diese That-
sache ist um so auffallender, weil in den Inschriften, welche sich auf das de-
lische Theater beziehen, mehrmals Paraskenien erwähnt werden. Diese Schwierig-
keit verschwindet jedoch, wenn wir annehmen, dass der aufgedeckte Bau und die
gefundenen Inschriften aus verschiedenen Jahrhunderten stammen. Die Urkunden,
welche ein Paraskenion erwähnen, gehören der ersten Hälfte des III. vorchrist-
lichen Jahrhunderts, also einer Zeit an, in der wahrscheinlich noch in keinem
Theater ein steinernes Proskenion bestand. Die aufgedeckten steinernen Säulen-
hallen, welche die Skene umgeben, werden dagegen wohl mindestens ein Jahr-
hundert jünger sein.
 
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