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Ness, Wolfgang [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0176

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10 LIST

Den Stadtteil List begrenzen im Westen die
Hamburger AIlee/Raiffeisen- und Isernhage-
ner Straße, im Norden der Mittellandkanal,
im Süden und Osten die Celler-, Wedekind-,
Walderseestraße bis zur Hermann-Bahlsen-
Allee, die Podbielskistraße bis zum Eulen-
kamp und dieser bis zum Mittellandkanal.
DAS DORF LIST
Der Stadtteil umfaßt damit im südlichen
Bereich Abschnitte der 1859 eingemeinde-
ten Vorstadt (Ostwende), östlich von ,,Vier-
grenzen", nördlich der Podbielskistraße ehe-
mals zu Klein-Buchholz, südlich der Pod-
bielskistraße ehemals zu Groß-Buchholz ge-
hörendes Gelände. Den größeren Teil des
Stadtteils machen Ortslage und Feldmark
des 1304 zum ersten Mal urkundlich erwähn-
ten Dorfes List aus, das zunächst kirchlich
mit Herrenhausen und Vahrenwald zur
Kreuzkirche gehörte und nach der Refor-
mation nach Hainholz zur Marienkirche ein-
gepfarrt wurde. Die Verwaltung lag beim
Amt Langenhagen.

Im 18. Jh. verteilten sich die Hofstellen auf
die Höfe- und Waldstraße; von dem damali-
gen innerdörflichen Wegenetz zeugen mit
diesen beiden Straßen noch die Acker- und
Liebigstraße, die trotz der totalen Verände-
rung des Dorfes nur teilweise begradigt wur-
den. Der Lister Kirchweg als dritte Straße
mit Ost-West-Verlauf entstand dagegen erst
im ausgehenden 19. Jh. Die Verbindung
nach Hannover bzw. zu der südöstlich am
Dorf vorbeiführenden Heerstraße Hannover-
Celle (Celler Straße/Lister Meile/Podbielski-
straße) an der in Höhe der Burckhardtstra-
ße der 1387 zuerst genannte und kurz vor
1900 abgebrochene Lister Turm (vgl. 08
Zoo) stand, stellten außer Liebig- und Wald-
straße mehrere Wege her, die in Teilen im
heutigen Straßenraster noch zu ahnen sind
als Voß- und Lister Straße. Etwa parallel
zur Poststraße nach Stade (Vahrenwalder
Straße) führte die heutige Isernhagener Stra-
ße — angeblich Viehtrift von Isernhagen
zum Klagesmarkt — in die Nähe der Lister
Windmühle (ehemals zwischen heutigem
Lister Bad und Arminius Werft) und in die
Feldmark, während die Wöhlerstraße das
Dorf und die Mühle verband; beide Wege

Das Dorf List, um 1885. Maßstab d. Originals 1 : 2 400 (?), Stadtarchiv K 3017


besitzen abschnittsweise den alten Verlauf.
Außer den erwähnten Straßen zeugen vom
Dorf List nur noch wenige einstöckige meist
unter Satteldach liegende Fachwerkhäuser
mit Halbwalm — Reste ehemaliger Hofstellen
(z.B. Höfestraße 6, Wöhler Straße 34); das
beste Beispiel bildet ein ehemaliges Wohn-
Wirtschaftsgebäude (Waldstraße 18) aus dem
späten 18. Jh. mit Nebengebäude, das trotz
der auf die Nutzungsänderung folgenden
Umbauten das Fachwerkgerüst und den cha-
rakteristischen Umriß eines Vierständerbaus
bewahrt hat. Dieses Relikt einer bäuerlichen
Vergangenheit — ein Teil der Höfe fiel erst
dem Kriegsbombardement zum Opfer —
nimmt sich zwischen der umgebenden mehr-
geschossigen Wohnbebauung des frühen 20.
Jh. und der Nachkriegszeit fremd aus — zu-
mal als Blickfang von der Kollenrodtstraße.
VERÄNDERUNG BIS ZUR
EINGEMEINDUNG
In der 2. Hälfte des 19. Jh. setzte durch die
beginnende Industrialisierung im Dorf List
die Auflösung der bäuerlichen Strukturen
ein. Eine Voraussetzung dafür bildete — ne-
ben Verkopplung und Ablösung der Feld-
mark — die Ausdehnung des Stadtgebietes
bis an die dörfliche Feldmark durch die
1859 erfolgte Eingemeindung der Vorstadt.
Unternehmer fanden hier für die Firmenan-
siedlung preiswerten Baugrund und über die
Celler Chaussee günstige Transportmöglich-
keiten zur Stadt und zum Bahnhof. Vor al-
lem südlich des Dorfes baute man Werkstät-
ten, deren größte die 1862 gegründete che-
mische Fabrik De Haen war. Diese erste
Phase der Industrialisierung vor der Einge-
meindung nach Hannover (1891) ließ infol-
ge der sprunghaft anwachsenden Einwohner-
zahl (1870: 1282, 1890: 3250 Einwohner)
neben den alten Hofanlagen ungeplant klein-
städtische bzw. dörfliche Arbeiter- und Miet-
wohnhäuser zumeist aus Backstein entste-
hen, wie man sie z.B. am östlichen Abschnitt
des Lister Kirchwegs und an der Bothfelder
Straße noch finden kann.
Die Gemeinde reagierte bereits 1874 auf die
Einwohnerzunahme, indem sie neben dem
alten Schulhaus an der Höfestraße (Nr. 35,
37, heute hier die Albrecht-Dürer-Schule)
ein neues Unterrichtsgebäude in Form eines
eingeschossigen Doppelhauses mit zweige-
schossigen, giebelständigen „Seitenrisaliten"
mit Verblendziegelfassade im Stil der Hanno-
verschen Bauschule errichtete, in dem sich
acht Klassenräume und Lehrerwohnung be-
fanden. Dieser nur wenig veränderte Bau re-
präsentiert als älteste erhaltene Schule im
Stadtteil den geschichtlichen Übergang vom
Dorf zum Vorort.
Etwa gleichzeitig entstand auf der Nordseite
der Celler Chaussee (Lister Meile), an der of-
fenbar begradigten Lister Straße und an der
Anfang der fünfziger Jahre quasi als Stich-
wege angelegten Jakobi- (um 1850) und
Eden-/Seidelstraße (1854) heute verschwun-
dene oder überformte Mischbebauung aus
kleinen Fabrikationsstätten und Wohnhäu-
sern, z.T. mit Geschäften.
Die Erschließung neuer Siedlungsbereiche
und der beginnende spekulative Wohnungs-

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