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Ness, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 10, Teil 1): Stadt Hannover — Braunschweig, 1983

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https://doi.org/10.11588/diglit.44751#0207

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14 HERRENHAUSEN

Der Stadtteil Herrenhausen liegt im Westen
Hannovers. Er wird im Norden von der
Bahnlinie Hannover-Minden und im Westen
vom Leineabstiegskanal begrenzt. An der
Wasserkunst biegt die Grenze nach Osten ab
und verläuft östlich des Großen Gartens an
der Graft entlang bis zur Herrenhäuser Stra-
ße, wo sie erneut nach Osten schwenkt, um
dann an der ehemaligen Obstplantage (heute
Fakultät für Gartenbau der Universität Han-
nover) entlang nach Norden auf die Bahnli-
nie zuzuführen.
Während das Dorf Herrenhausen 1891 in die
Stadt Hannover eingemeindet wurde, erfolg-
te der Anschluß des 1882 gebildeten Gutsbe-
zirks Herrenhausen erst 1928. Zum Gutsbe-
zirk gehörte der ehemals welfische Besitz:
Schloßbereich mit Großer Garten und Her-
renhäuser Allee, Berggarten und Fürsten-
haus.
DAS DORF HERRENHAUSEN
Das erstmals 1022 in einer Urkunde Hein-
rich II. unter dem Namen „Haringehusen"
erwähnte Dorf Herrenhausen liegt auf Sand-
dünen am Maschrand der Leine. Bereits
1204 gelangten Teile der in der oben er-
wähnten Urkunde dem Hildesheimer Michae-
liskloster bestätigten Güter durch Verkauf
in den Besitz des Klosters Marienwerder
(vgl. dort). Bis in das 17. Jh. wechselte der
Ortsname verschiedentlich. Die ehemals
nordwestlich von Herrenhausen gelegenen
Dörfer Wevelse und Alvese gingen als Wü-
stungen möglicherweise im 16. Jh. in Herren-
hausen auf.
Der entscheidende Einschnitt in der Ent-
wicklung des vor allem von der Viehwirt-
schaft lebenden Ortes war eine direkte Folge
der Erhebung Hannovers zur Residenz 1636
durch Herzog Georg von Calenberg. 1638
wurden für die herzogliche Küchenverwal-
tung drei Bauernhöfe angekauft und in eine
Meierei umgewandelt. Bis 1652 wurde die
Meierei zu einem Wirtschaftshof erweitert.
Ein erstes Absteigequartier für den Herzog
wurde 1664 im Mitteltrakt des Wirtschafts-
hofes eingerichtet.
Weitere sieben Höfe wurden erworben. Auf
dem Gelände entstand seit 1665 unter Her-
zog Johann Friedrich ein Lusthaus aus dem
Material des abgebrochenen Jagdschlosses
Lauenstadt bei Coldingen. 1666 richtete Mi-
chael Grosse die erste Gartenanlage ein.
Die allmähliche Beherrschung der Ortsent-
wicklung des alten Dorfes „Haringehusen''
durch die Umwandlung des Wirtschaftshofes
zur herzoglichen Sommerresidenz wird in
der Neubenennung „Herrenhausen" 1666
durch Johann Friedrich deutlich. Durch den
Ankauf weiterer Ländereien im Laufe des
17. Jh. zur Erweiterung der Sommerresi-
denz und durch die Umsiedlung der Höfe
wurde die Ortsstruktur grundlegend verän-
dert. Die umgesiedelten Höfe entstanden
zum Teil neu neben noch bestehenden Re-
sten der alten Dorfsiedlung entlang der Her-
renhäuser Straße (vgl. Herrenhäuser Straße
75a/b). Überwiegend wurden sie an dem al-
ten Weg nach Vinnhorst (heute Schaum-

Umgegend von Hannover, Blatt 1 (Ausschnitt), 1857, Maßstab des Originals 1 : 21.133 73,
Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover, Mappe 165.


burgstraße) zwischen Eisenbahn und Man-
delslohstraße wieder aufgebaut. Hier baute
man zudem neue Brinksitzerstellen. Die im
Volksmund noch bis zur Eingemeindung
als „Neustadt" bezeichnete neue Dorfsied-
lung war durch den Schloßbereich von den
alten Dorfresten getrennt. Auch in der alten
Straßenbezeichnung Neustädter Straße für
die heutige Schaumburgstraße wurde die jün-
gere Ansiedlung deutlich.
Vor allem seit dem Anfang des 19. Jh. setz-
te eine allmähliche Kultivierung der sandigen
Heidelandschaft ein. Die bisherige Gemein-
dewiese Hegebieck wurde 1814 privatisiert,
die heutige Wendlandstraße als Zugang zu
Mußmanns Haube angelegt. Auf diesen Be-
reich, der im Westen durch den 1879 zum
öffentlichen Weg gewordenen Hegebläch be-
grenzt wird, konzentrierte sich die neue Be-
bauung bis 1890 besonders. Westlich des
Schloßbereichs erfuhr der alte Dorfkern in
Richtung auf die 1846 angelegte Bahnlinie
Hannover-Minden eine Erweiterung, die
durch die Anlage der Brauerei 1869 wesent-
lich unterstützt wurde. Neben der Herren-
häuser Straße wurden die um 1880 angelegte
Markgrafstraße/Hansteinstraße bebaut.
HERRENHAUSEN ALS STADTTEIL
HANNOVERS BIS ZUM ERSTEN
WELTKRIEG
Während der Herrenhäuser Bahnhof an der
Bahnstrecke nach Celle und damit im sich
nördlich anschließenden Stadtteil Leinhau-
sen liegt (vgl. da), wurde der in Herrenhau-
sen errichtete Bahnhof (Herrenhäuser Straße
126) an der Strecke nach Minden als Lein-
häuser Bahnhof gebaut. Es handelt sich bei
dem 1908 nach Entwurf von G. Bär entstan-
denen Bau um einen gut gegliederten Putz-
bau mit betontem Mittelteil aus bossierten
Werksteinquadern. Zugehörig sind die Eisen-
bahnbrücke und eine im Bahndamm einge-
baute Ladenzone ebenfalls aus bossierten
Quadern.

Eine Schule ist in Herrenhausen seit 1720
nachgewiesen. Ältester und bis 1955 einziger
Schulbau ist die 1909 erbaute Grundschule
in der Wendlandstraße (Nr. 4), ein dreige-
schossiger Putzbau mit gliedernden Back-
steinflächen.
1859 erhielt Herrenhausen einen eigenen
Friedhof, da die Stadt Hannover den Voror-
ten die Benutzung des belegten Nikolai-
friedhofes zum 1.1.1860 gekündigt hatte.
Unter den Grabmalen ragt das von C. Dop-
meyer 1886 geschaffene Malortie-Grabmal
heraus.
Ev. Kirche und angrenzende Bebauung
Gleichzeitig mit der Anlage des Friedhofs
wurde erstmals der Gedanke an eine eigene
Herrenhäuser Kirche geäußert. Das Bauvor-
haben konkretisierte sich jedoch erst 1894
mit der Schenkung des Grundstücks, auf
dem 1903—1906 der Kirchenneubau nach
Plänen Eduard Hillebrands entstand. Der
Sandsteinbau wurde über annähernd kreuz-
förmigem Grundriß mit eingezogenem recht-
eckigem Altarraum errichtet. Auf der West-
seite ist der queroblonge Turm mit seitlichen
Treppenhäusern vorgelagert. Hauptraum und
Altarraum sind mit Rippengewölben über-
deckt, die wie die Emporeneinbauten nach
Entwürfen der Gebr. Linnemann (Frankfurt/
Main) bemalt waren. Die im Zweiten Welt-
krieg zerstörten Glasgemälde stammten
ebenfalls von ihnen. Die Ausmalung wurde
1962 anläßlich der Restaurierung weiß über-
strichen; dabei auch weitgehende Entfer-
nung der neugotischen Innenausstattung.
Noch vor dem Kirchenbau wurde die hervor-
ragende Wohnlage der um das Grundstück
herumführenden Böttcherstraße erkannt und
zum Bau von mehrgeschossigen großbürger-
lichen Mietshäusern genutzt. Zunächst ent-
stand 1898/99 nach Entwurf von O. Frantz
ein Doppelhaus (Nr. 8/9) in betonter Eck-
situation als Putzbau mit reichem renaissan-
cistischem und barockisierendem Dekor. Die

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