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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Behne, Adolf: Neue Kräfte in unserer Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0283

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NEUE KRÄFTE IN UNSERER
ARCHITEKTUR

ADOLF BEHNE


er Weg, den unsere Kunst in allen ihren Disziplinen nimmt, ist zu

charakterisieren als Prozeß der Selbstbesinnung. Überall geht die Ent?

A—S wicklung von einer beschreibenden, erzählenden, referierenden Form
der Breite und des Details zu einer Form knapper, nackter und enger Hers
ausstellung der Sache selbst, unter Vermeidung aller Umwege. Konzentration
und direkter präziser Ausdruck wurden das Ziel.
Das kann nicht verwundern in einer Zeit, die dort, wo sie produktiv aus eige?
nen, nicht geliehenen Kräften ist, überall dem Gesetz der äußersten Auss
nutzung aller Energie folgt. . . zwangsmäßig, aber auch aus klarer Einsicht.
Ich möchte hier, in Beschränkung auf das Thema, nur hinweisen auf die
»Forschungsgesellschaft für wirtschaftlichen Baubetrieb«(Friedrich Paulsen),
die sich vornehmlich zur Aufgabe macht, die neuen Vorschläge für rationelle
Werkzeuge und Gerüste des Amerikaners Gilbreth und die Möglichkeiten
des Taylor?Systems zu studieren; ferner auf den »Normungsausschuß für
das Bauwesen«, der in Gemeinschaft mit den Vertretern der großen In?
dustrien Vorschläge ausarbeitet für den Ersatz der chaotisch zahllosen Masse
von willkürlich vorgenommenen, sachlich keineswegs geforderten Varianten
von Fenstern, Türen, Beschlägen usw. durch eine bestimmte Anzahl von
festgelegten Typen, die in gegebenen Verhältnissen der Tradition, des Kli?
mas, der Landschaft ihre Begründung haben.
Die hier wirkenden Mächte der Rationalisierung sind so überaus stark, daß
sich ihnen auch die Kunst nicht entziehen kann. Und irrtümlich scheint mir
durchaus die Befürchtung jener, die meinen, die Kunst würde, wenn sie nicht
aus ihren tiefsten mystischen Seelenkräften der Mechanisierung unseres Le?
bens entgegenarbeite, notwendig zugrunde gehen oder aus unserer Kultur
ausfallen, was ja wohl die Ansicht Spenglers und des von seinem Pessi?
mismus angesteckten Worringer (»Künstlerische Zeitfragen«) ist. Diese
Kassandras verwechseln aber wieder einmal eine bestimmte, historisch aus?
geformte Erscheinungsweise der Kunst mit dieser Kunst selbst. Mag sein,
daß die Technifizierung unseres Daseins, seine Durcharbeitung im Geiste
konstruktiver Strenge, das zerstört, was wir zuletzt als Kunst bewunderten
und mit ihr identifizierten . . . keineswegs aber widerstreitet sie im Prinzip
und notwendig einer möglichen Kunst, die dann freilich eine neue Kunst...
richtiger: eineneue Erscheinungsweise der jeder Wandlung fähigen Kunst
sein würde.
Wenn nämlich jene meinen, die Kunst könne nur aus Tiefen wachsen, in
welche die Fähigkeiten der Ratio nicht reichen, so scheinen sie nicht zu sehen,
daß das, was wir zusammenfassend »Rationalisierung unseres Lebens« nann?
ten, trotz des Gleichklangs der Worte keine Angelegenheit der engen, uti?

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