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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Behne, Adolf: Neue Kräfte in unserer Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.44743#0285

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zu seiner Macht und Fülle nur, wenn es sich selbst treu und ohne Zwitter#
haftigkeit rein sein kann. Ob es, zu seinem Wesen zurückgeführt, viel oder
wenig ist, entscheidet nicht. Ist aus einem Scheinenden, Vorstellenden wie#
der ein Seiendes geworden, so kann es in jedem Falle etwas leisten — und
etwas leisten ist mehr als viel scheinen.
Der Verstreuung entsprach eine gewisse nachgiebige Haltung der Menschen,
eine gewisse Gutmütigkeit. Man ließ ganz gern Fünf gerade und Gott einen

HOLZKIRCHE HANS SÖDER.WETZLAR in Gemeinschaft mit EWALD DOLBERG


guten Mann sein. Über die Spannungen der Objekte sah man wohlwollend
hinweg, wie man über die Spannungen in einer anständigen Familie hinweg#
sieht. Man führte die unverträglichsten Dinge lächelnd zusammen. Alles
vertrug sich miteinander, wem man nur gut zuredete. So bildete man sich
ein. Bis eines Tages die Dinge rebellierten. Sie zeigten ihre Härte und Un#
Versöhnlichkeit gegenüber der bequemen Güte der Menschen, die weniger
Güte als Blindheit war. Im Kriege brach diese Art von Menschlichkeit zu#
sammen, die alles Unmenschliche übersah — und meinte, es sei damit aus
der Welt geschafft. Und es siegte eine neue Art von Sachlichkeit . . . das
Prinzip der rücksichtslosen Erkenntnis.
Das Symbol der schwärmerisch#romantischen Neigung, alles unter einen Hut
zu bringen, war die Sehnsucht nach dem Gesamtkunstwerk, als dessen ge#
waltigste Ausprägung die gotische Kathedrale angesehen wurde.
Von aller Großartigkeit der Ziele blieb wenig übrig. Sie enthüllte sich schnell
als Fata Morgana, und jene, denen es mehr auf verantwortete Arbeit, denn

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