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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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Donnerstag, 2. Jannar 1902.

Erstes Blatt.

44. Jahrgang. — !lr. 1.

Erschcint täglich, Sonntags ausgenomnicn. — Preis mit Familienblättcrn monatlich 50 Pfg. in's Haus aebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch dic Post be»

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebiihr.

Anzeigcnpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommcn. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Ieutfchland und Denezuela.

Wer die ameritanische Presse auch mrr oberflächlich
kennl .zweifelt nicht daran, daß die Differcnz zwischen
Tcutschland und Vcnezucla ihr die frohe Gelegenheit
geben wird, ein Füllhorn von Sensationslügen
über die Welt auszuleeren. Jhr Vorojehen ist aber
plumper als man erwarten konnte; statt allmählig mit
rmmer stärkeren Lügen zu kommen, fängt sie damit an,
zu erklären, datz ein Krieg zwischen Deutschland und
den Vereinigten Staaten von Nordamerika in Aus-
sicht steht. Ter amerikanische Botschafter in Berlin hat
sich die Mühe gemacht, diese amsrikanische Meldung zu
Lementieren; er bezeichnet sie als absoluten Unsinn. Im
Ernst wird sich mohl niemand durch die Erfindung der
gelben Aankeepresse haben aus der Gemütsruhe anf-
schrecken lassen. Wir haben sie garnicht erwähnt.

Inzwischen ist nun eine weitere Depesche aus Ame-
rika und zwar aus Washington in London eingetrosfen
und in dieser wird Näheres iiber den Verkehr zwischen
-em deutschen Botschaster und dem amerikanischen
S r a a t s s e k r e t ä r Hay und dem Präsidenten
Roosevelt mitgeteilt. Es wird da erzählt:

Der deutsche Botschafter v. Holleben tcilte dem
Maatssekretär Hah amtlich mit, Deutschland beabsich-
rige ein Geschwader nach den venezolanischen
Häfen zu senden, Marinesoldaten dort zu landen und die
Aollämter zn besetzen, so lange, bis die zwei Millionen
Dollars, die Veneznela an deutsche Reichsangehaxige
zu zahlen hat, vcigevracht sind. v. Holleben fügte hinzu,
datz Tcutschland unter teiuen Umständen versucht,
irgend welchcs Gebiet, autzer den Zollhäfen zu besetzen.
Tas Staatsdcpartement ist mit dieser Erklärung be-
sriedigt. Vor ieiner Konferenz mit Hah hatte von Hol-
leben eine Besprcchung mit dem Präsidenten Roosevelt,
wobei dieser erklärte, obwohl die Unionsregierung allen
Versiichen, Schulden von kleinen Skaaten dnrch Waffen-
gewalt einzuziehen, nicht günstig gestimmt sei, sei sie
Loch gezwungen, anzuei-kennen, datz Deutschland und
Venezuela souveräne Staaten seien, mit deren gegen-
seitigen Beziehungen die Unicm nichts zu thun habe.
Ter Präsident erklärte jedoch, die Unionsregiernng
wcrde die Erwerbnng von neuem Gebiet auf der west«
lichen Hennsphäre seitens irgend einer ouropäischen
Macht nicht dulden.

Was da über die amtliche Mitteilimg des deutschen
Borschasters gesagt wird, klingt glaubwürdig. Dagegen
ist Vorsicht^ gegeniiber dem zweiten Teil des Berichts
geboren. Fällt schon die scharfe Sprache Roosevelts so
;ehr auf, datz man billig an der Richtigkeit des ihm
in den Ntund Gelegten zweifeln darf, so ist das Fehlen
seder Eütgegnung Hollebens geradezu mwerständlich,
dcnn es würde späterhin einmal als schweigende Zu-
ftimmung Deutschlands zur amerikanischen Monroe-
Lottrin verwertet werden können. Nun giebt es aber
bekanntlich in Südbrasilien vielc Deutsche deren politi-
sches Schicksal möglicherweise einmal in der Znkunst
uns interessieren wird und dann haben die Vereinigten
Staaten, nachdem sie sclbst durch Besetzung der Philip-
pinen auf die alte Welt übergegriffen haben, gar nicht
mehr den moralischen Anspruch in der neuen Welt ohne
Ronkurrenz zu bleiben. So hätte Herr v. Holleben
unker allcn llmständen seine Vorbehalte machen müssen.
Vermutlich hat er dies auch gethan, wenn ein derartiges

Gespräch überhaupt stattfand. Noch wahrscheinlicher ist,
datz der Präsident sich gar nicht so geäußert hat. Eine
Berliner Meldung der „Allg. Ztg." stellt die Besprechung
als eine Sache von geringer Bedeutung hin, darin liegt,
daß die hochpolitischen Aeutzerungen des Präsidenten
nicht gefallen sind.

Anzuerkennen ist in dem dentsch—venezolanischen
Streit die Haltung einzelner englischcr Blätter. So er-
hebt „Taily Telegraph" Einsprnch gegen die böswilligen
Uebertreibungeii, welche im Hin blick auf das Verhält-
nis von Venezuela und Teutschland in der Presse vor-
gebracht werden und sagt, zweifellos habe Deutschland
w o h l b e r e ch t i g t e Gründe zu Beschwerden.
Deutschland habe in der ganzen Angelegenheit mit riihm-
lichster Geduld und fraglos in gutem Glauben gehandelt.
Keine andere Macht hätte in anderer oder besserer Weise
vorgehen können.

Zuni Schlutz sei erwähnt, daß die „Timcs" eine
Meldung aus Washington erhält, wonach der deutsch-
venezolanischeZwist dort n i ch t die g e r i n g st e Unruhe
erregt. Die Regierung der Vereinigten Staaten werde
auf keine Weise i» zweckentsprechende Bestrebungen
Deutschlands, seine Forderimgen beizutreiben, eingreifen.
Präsident Roosevelt verurteile, wie nian wisse, die
augenblicklich von einigen Blättern betriebene Sen-
sationsmache._

Ausrveisung poknischer Studenten.

Tie Answei s u n g einiger polnischer Stu-
dentcn welche sich an der Temonstralion gegen Professor
schiemann in Berlin beteiligt haben, kann als ein ge-
rechtes und energisches Vorgehen gegen derartige Aus-
schreitungen seitens Angehöriger fremder Staaten nur
mit Genugthuung bcgrützt werden. Diese jungen Leute
haben das ihnen auf der Berliner Universität bereitwilligst
gewährte Gastrecht in unerhörter Weise geniißbraucht.
Btögen sie versuchen, geger: ihrs eigenen Regierungen
in Rnßland oder Oesterreich zu denwnstrieren, und sie
werden die Erfahrung machen, daß sie dort nicht so
milde behandelt werden, wie hier die polnischen Studen-
ten deutscher Staatsangehörigkeit! Letztere aber von
Ausländern, denen das Gastrecht gewährt wurde, auf-
heyen zu lassen, geht denn doch über die deutsche Lang-
mut hinaus. Daß eine solche ihre bestimmten, nicht zu
überschreitenden Grenzen haben mutz, ließ Reichskanzler
Graf Bülow gelegentlich der jüngsten Poleninterpellation
am 10. Dezember iui Reichstage auf das unzweideutigste
durchblicken. Deshalb sühren wir nicht -ohste gulten
Grund die schärferen Matznahmen gegen diejenigen pol-
nischen Elemente, die unseren häuslichen Frieden stören,
als deren unmittelbare Wirkung auf jene Rede des
Reichskanzlers vom 10. Dczembec zurück und hegtzn
auch die feste Zuversicht, datz die preußische Regierung
sich weder durch die infamen Anschuldigungen galizischer
Blätter, noch durch die Vorgänge im galizischen Land-
tage sich aus dem jetzt beschrittenen Wege aufhalten lassen
wird. Die Erklärung des Polen Fürst Czar-
toryski im galizischen Land-tage zu Lemberg zeigt aber
aufs klarste, wie weit die Polenbewcgung bereits go-
diehen isl und welche unverhüllten Ziele sie schon jetzt
für erreichbar erklärt.

Deutsches Reich.

— Die „Nordd. Allg. Ztg." bemerkt zu der Erklä-
rung des Fürsten Czartoryskiim galizischen Land»
tag über die Wreschcncr Vorgänge: Die Erklärung be-
deutet zunächst die unbefugte, ungehörige ausländische
Einmischung in die inneren deutschen Verhältnisse. Die
gebrauchten matzlosen Wendungen kennzeichnen eben-
sosehr eine völlige Unkenntnis der thatsächlichen Vorfälle
wie nationale Gehassigkeit, woraus jene Manifestationen
hervorgegangen sind. Die Bemerkungen Czartorystis
über die Einheit derPolen und die Notwendigkeit der
Erweiterung des nationalpolnischen Bewußtseins weisen
auf ein Ziel hin, das ohne staatliche Umwälzungen nicht
zu erreichen ist. Keiner der beteiligten Regierungen wird
es angesichts solcher Kundgebungen verdacht werden kön-
nen, wenn sic die Schutzwehren ihrer Verwaltung gegen
die internastonalen Agitationen so bedenklicher Art
verstär k t. Wir vermögen es uns nur aus der Lücke
in der Geschäftsordnung des galizischen Landtages zu
erklären, datz eine solche Demonstraston ohne Wider-
spruch seitens der Regierungsorgane vor sich gehen
kounte.

— Die „Norddeutsche Allg. Ztg." schreibt: Jn ver>
schicdenen Blättern wurde behauptet, datz auf der Strecke
Paderborn—Altenbeken, wo jüngst das Eiscnbahnunglürk
sich ereignete, die elektrische Streckenblockierung, wie sie
die vom Bnndesrat erlassene Betriebsordnung vonr
1. Oktober 1890 vorschreibt, nicht ausgesührt sei. Nach
unseren Informationen ist dies nicht zutreffend, vielmehr
ist auf genannter «trecke die Streckenblockierung nach
jenen bundesrätlichen Vorschristen, wonach das Signalt
süi Einfahrt in einem vorliegenden Abschnitt unter Ver-
fchluß der nächstfolgenden Staston liegen mutz, seit mehr
als einem Jahre in Benutzung.

— Vor kurzem ist berichtet worden, daß alle
Briefe, welche von Amsterdam über London und
Kapstadt nach D e u t s ch - Sü d w e st - A f r i k a tze-
schickt werden, in Kapstadt durch die Hände des eng-
lischc» Zcnsors gingen, anderseits aber sänitliche Briefe,
die bisher über Hamburg direkt nach Swakopmund ver-
sandt wurden, überhaupt nicht ankanien. Das Reichs-
postamt hat nunmehr, wie die „Allg. Ztg." meldet, durch
die Hamburger Oberpostdirekston eine Nntersuch-
ung wegen der Uebergrifse der englischen Zensur an-
geordnet. Zunächst ist festzustellen, ob Verletzungen des
Weltpostvertrages vorgekommen sind. Davon sind die
weiteren Schritte abhängig.

Wittenberg, 31. Tez. (R ei ch s t a g s st i ch°
w a h l.) Nach vorläusiger Feststellung ist Barth (freis.
Ver.) nnt 9463 Stimmen gewählt worden. v. Leipzigec
(tons.) erhielt 8862 Stimmen.

Bade«.

N.6. Karlsruhe, 30. Dez. Die Rcvision der
Klasseneinteilung des laudwirtschaft licherr
Geländes konnte auf Ende des laufcnden Jahres nicht
vollständig durchgeführt wcrden. Die Kosten der Revi-
sionsarbeiten bclaufcn sich jetzt schon auf 200 000 Mk.—
Weit höher stellen sich die Kosten der Neueinschätzung dcr
Waldungen und Gebäude. Hiefür ist im Budget
eine 2. Rate von 300 000 Mk. augefordect.

L. 0. Karlsruhe, 30. Dez. Zu Beginn des laufen-
den Jabres beziffertcn sich die lebenslänglichen Ruhe-

Stadttheater.

O Heidelberg, 1. Januar.

„Frauen von hcute', Scbwank von Jakoblon.

Sril jener lustigen Nacht bei Dressel ist dcr Rechtsanwalt
Meier -u eincm neucn Spitznamen gekommen. Er hat. eifrig
nntcrstützt von seiner Frau, die vr sur. der Universiiät Zürich
»st. einc ausgebreitete Proxis, die sich besondeis auf Eheschei-
dungsvrozesse erstreckt. Wte er nun zu dem Svitznomen Schei-
dungsmei^r, trotzdem er im Grund eine snima eanäiäz ist, den
ncuen Uebernamen Scpmvrmeier bekommt, zeigl das Stück. Er
cntdeckt als Tcilnehmerin bei dicsem Souper sein cigenes Stuben-
madchen. laßt üch von einem seiner ktltentcn. d-r, um seincr che-
brcchenichen Frau aus die Spur zu kommen, die Rolle eines
tzrsotzumiers wielt. bedienen, trinkt mit seinem Bureauchef oill
diescm Lwnper Brüderschaft und giebt ihm daS schriftliche Ver-
sprcch^n etner GehaltSzulage. Donn werden noch einige Röcke
und BOestaschen vertauscht, einige Ehcn drohen in dic Brüche
-ierztin wird nachts herausgeklingelt, zu einem
viötzlich Erkrankten in eben jenes Rcstauraut gerufen, und bei
dicser Geicgenbeit emhüllt sich vor tbrem Blick das schnöde Bild
der lockeren V-rgnügunaen ihres Gattcn. Der Autor. durch
Zahre Tdeaterrefercnt dcs „Bcrliner Börsencourier", hat aus
französischen Schwäilkcn zahlreiche Erinnerungen konserviert. Es
ist dies ungefahr das Genre der „No'a Dominos'. Dic Sache hat.
obgleich der sehr lustifle zwcite Akt da ist, eben jene Szenen
Lei Tressel, in denen Meier sich den fürchterlichen Rousch holt,
e,ne zu große AuLdehnung (erst kurz vor 11 Uhr kam man ins
daver ist ober olles von sehr geschickter Aufmachung.
Gesprelt wurde mir Aeuereiser, sodaß der Effekt andaueruder
Lacherschütteniugen des Publikums nicht ausblieb. T° war
cine prenge vr jur. (die ihren Mann zum Examen eingevaukt
hat) des Fil. Hohenau, ein: Frau vr. msä. wit der Nocht-
glocke. rn welcher Rolle Frl. Iungmann rccht glücklich war. Als
drn.e <;t zu ihncii gesellt die Gutsbesitzerin Dobberpfuhl oder
bc'ser: „Bodo Wilderei", Vcifasier drs RomanS u. 1 w- Auch
Frl. Herter machte ihre Sachc recht hübsch. Die unsolide

Frau Sulzki. war in der Darstellung des Fil. Schönberg
elegant und beweglich. Folgt die Gruppe: „V-r lustige Ehe.
mann": Der Gatte der vr. ineä. (sehr gewandt gespielt von
Herrn Bcrnau), dcr Gutsbesitzer mit dem nötigen Ostpreußisch,
gesprochen von Herrn Feldner, der Ersatzkellncr Sulzki in der
ganz vorzüglichen Darstellung des Herrn Schneider. Jn
Nebenrollcn waren recht lustig anzuschaucu: Frl. Müller und
die Herren Lasscn, Brandt und Wiegncr. Die Hauptaibcit
des Abends c-ber lag bet dem Kleeblatt Rudolph, Groß-
mann, Milde (Ches, Bureauchef. Z-fe). Der Scheidangs-
mcyer trinkt sich bci Dressel im Handumdreben einen Bomben-
rausch an und sucht am nächsten Tag, durchaus ein Sklave der
Verhältnisse, ales zu vertuschen. Herr Rudolph schuf etne
humorvolle Figur von großer Ledenstreue. Es war ein schöner
Erfolg- Gnt charakteiisiert ist auch der Bureauvorsteher, der
Amatcur Zongleur, ist eine Mustcikarte menschltchcr Schwäche.
Herr Großmann war von großer Beweglichkeit und d-m besten
Humor. Er, wie nicht minder Frl. Milde, brachten besonders
vicl Leben in den zweiten Akt. L. >V.

HekepHon und Lieöe.

Dresden, 28 .Dezember. Die hiesige Oberpost-
direttion hatte kürzlich einc Verfügung an die
T e l e p h o n i st i n n e n erlassen, in der sie ihnen em-
Pfahl, fich nicht nnmittelbar ain Dtenstgebäude von Her-
ren abholen zu lassen. Tiese Verfügung ist in den Blät-
tern viel erörtert worden und hat hie und da auch den
Witzblätter als Stoff zu mehr oder weniger geiftreicksen
Versübnngen wie Zeichnnngen herhalten müssen. Zur
Verteidigung der Verfügung führt eine Zufchrift an
die „Dresdener Nachr." Folgendes aus: Ob die Anwälte
der fchrankenlosen Nbholungfreiheit den Dresdener Tele-
phondamen wirtlich einen Dienst aeleiitet haben? Ich
möchte es bezweifelzn<sulu lch ^ljl^chele dieser fleitzigen
nuiVLUsrrxrs

Beamtinnen zu nieinen Freundinnen und bin daher ziem-
lich gnt darüber nnterrichtet, daß die allgemeine Stim-
mnng für die so mißliebig kritisierte Verfügung ist. Um
diese Stimmnng zu verstehen, muß man freilich das
Vorhergegangene init ins Auge fafsen. Bei dein hiefigen
HaiwMmt sind nahezn 300 weibliche Beamte beschäftigt.
Va Herz nnn einmal Herz bleibt, nnd da auch die zahl-
losen Trahte der Telepyonie keine Schußgitter gegen
Amors Pfeile bilden, fo ist es erklärlich, datz unter einer
so grotzen Menge junger Mädchen sich ein ziemlicher Pro-
zentjatz befindet, der ein LiebesverhältniS nnterhält, oder
bereits verlobt ist. Diese betrachten den Telephondienst
nur als eine Durchgangsstation, wollen si-ch bei dem
gnten Gehalt, das die Post bezahlt, etwas znrücklegen,
nrn später ans dem Dicnst zu fcheiden nnd zn heiraten.
Es iit nnn so angenehm, einen Bräntigam zu haben,
man fühtt sich beneidet, nnd nm den lieben Kolleginnen
anch eiwas von seinem Glücke zu zeigen, lätzt man
sich von dem Bräntigam mittagS oder abends gleich
an dü- Ausgangsthür des Amtes in Empsang nehmen„
obwohl der Herzensfreund ebenfo gut an einem anderen
Platze der Bc'arienstratze oder des Postplatzes üie Stunde
dcs Wiedersehens abwarten könnte. Da standen denn zu
einer Zeit sechs bis acht junge Herren vor der Thür des
Telephi namts nnd fchanten sehnsüchtig nach den heraus-
onellenden Tamen, „bis die Liebliche sich zeigt". Der
cine von den Rittern Toggenburg war fogar derrnatzen
emflammt, datz er seine Angebetete anf offener Stratze
abtnsste. Das Publitnm machte znwcilen ob des Stell-
dicheins ini ganzen seine kritischen Benierknngen, und
die andcren Telephonissinnen fühlten sich dadurch geniert.
Noch nnangcnelmier aber war die Sache bei schlechtem
Wetler, da die abholendcn Ritter, nm sich nicht zu
 
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