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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 125-149 (2. Juni 1902 - 30. Juni 1902)
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Samstag, 21. Jmn 1902. Grftes Blatt. 44. Jahrgang. — 142.

Crscheint täglich Sonntags ausgcnommen. Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholl 40 Pfg. Durch die Post be-

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dorgcschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf dcn Plakattaseln der Heidelberger Zeitnng und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Die Aachener Mede des Kaisers.

Ä achcn, 20. Iuni. Die Rede Les Kaiscrs
beim Ehrentrimke im R a t h a u S s a a l c lautct: Na-
iiiciis der Kaiserin und in iiieiiiciu Wamen sprechc ich
Ihnen von gaiizem Hcrzcn tiefbcwcgt iMsern Dank aus
tür dcn unbcschrciblich patriotischcn und "bcgeistertcu
Enipsang, ben allc Tcilc der Stadt Aachen uns berei-
teten. Es war mir cin HcrzeuSbedürfnis, die -Stadt
Aachen zu besuchen, und icl) danke Fbueu für die Gc-
legenheit, die Sie inir durch die Einladung geboten
haben. Wer solltc auf so historischem Boden, wie Aa-
chen, nicht mächtig erfaßt werden von dcm Wesen und
dem Rauschen der Vergaugenheit und Gegeuwart. Wer
sollte uicht an eine F-ügung des Himmcls denken, wenn
er die Geschichte der Jahrhunderte überblickt, üie unser
Vaterland durchgemacht hat in Verbindung uüt Aa-
chenl Aachen ist die Wiegc dcs d e n t s ch e n
K' a i s e r t u m s , denn hier richtete der grosze Karl fei-
nen Stuhl ans nnd von scinem Glanze gewami auch dic
Stadt Aachen einen Wiederschein. So bedeutend, so
groß war die Jigur dieses gcwaltigcn gcrmanischen F-ür-
lten, daß Rom ihm die Würde des alten römischen Cä-
sajrqn angetragen hat imd cch attsersehLN ivard, die
Crbschast dcr Jmperii Romani anzutreten, gewiß eine
großartige Anerkemiung für die Leistiingsfähigkcit im-
seres eben erst in der Geschichte anftreteiiden germani-
ichen Stnmmes, denn cntsunken war das römfsche Szep»
ter der Cäsaren den Händen ihrer Nachfolger, zerbröckelt
und morsch wankte dcr römische Bau, nnd erst das Er-
scheinen der siegesfrohen Germanen mit ihrem reinen Ge-
müte war imstande, der Weltgefchichte deii rieuen Lauf
Zu weisen, den sie bisher gciiommen hat. Da.verstand
es sich von selbst, daß der gewaltige Karl, der großc
Frankenkönig, die Blicke Roms auf sich lenkte, welches
in ihm seinen Schutz und Hort erblicktc. Allein die
Ansgabe, daS Amt des römischen .Kaisers niit der Würdc
und Bürde des gcrmanischen Königs zn verbinden, war
Au schwer. Was cr mit seiner gewaltigen Pcrsönlichkeit
derniochte, das versagte das Geschick seineu Nachfolgeru,
und uuter der Sorge uin die Welt ging das Jmperium
berlorcu. Tie späteren Kaisergeschlcchter verloren das
germauische Volk und Land aus dem Auge, sie zogen
gen Süden, nm das Weltimperium aufrechtzuerhalten
Und vergaßen darob Germaniens. So ninßte allmählich
>niser dentsches Land nnd Volk verkommen. Gleichwie
hei der Aloe, wenn sie ihre Blüte treibt, die ganze Kraft
^er Pslanze sich zu dieser einen Aufgabe aufrafft und
boch emporstrebend Blüte auf Blüte entwickelt niid das
Aiige des stanncnden Beschauers fesselt, derweilen die
Pflanze selber zusammenbricht nnd ihre Wnrzcl vcrdorrt,

1o erging es anch dem römischen Kaisertnm deutscher
Acition. Nuumehr ist eiu auderes Kaiser -
^ u m erstanden. Dem deutschen Volke ist seiu Kaiser
ivieder geworden, den es sich selbst geholt hat. Mit dem
^chwert in der Faust auf dem Schlachtfeld ist die Kroue
.^rworbeu uud das Reichspanier flattert wieder hoch iu
vrn Lüsteu. Aus derselben Begeisterung und Liebe,
viit der das deutsche Volk au seiner alten Kniseridee
kiehangen hat, ist das ueue Kaiserreich ins Lebeu getre-
fon. Ullcin die Aufgaben sind andere: Nach außen
vfschränkt auf die Grenzen, innerlich sich stähleud auf
AilfgabeN Porzubereiteu, die uusercm Volke setzt
'uerdc-u, und die im Mittelalter uicht crfüllt werden konn-

ten. ltud so schen wir denu, daß das Reich, obwohl noch
j juug, sich in sich selbst von Jahr zu Jahr krästigt, wäh-
rcud das Vertauen zu ihm vou allen Seiten imiiicr stär-
ker sich befestigt. Das mächtige deutsche Heer aber gc-
währt Rückhalt dem Frieden Europas. Dein Charak-
ter der Germanen entsprecheud beschränken wir uus uach
außen, uiu nach innen imbeschränkt zu seiu. Weithiu
zieht unsere Sprache ihre .Kreise, auch über die Meere;
weithin geht der Flug unserer Wissenschaft und Forsch-
ung. Es giebt kein Werk aus dem Gebiete neuerer
Forschung, welches nicht in uuserer Sprache abgefaßt
würde und kein Gedauke entspringt der Wisseuschast, der
nicht vou uns zuerst verwertet würde, um nachher von
aiidereu Nationen angeiiüiumen zu werden. llnd dies
ist das W e l t i m P e r i u m, das der germauische Geist
anstre'bt. Wollen wir nun nach jeder Richtung hiu den
wciteren großeu Aufgaben gerecht werden, dann dürfen
wir uicht vergesseu, daß der llrgrund, auf dem das
Reich eutstandeu ist, wurzelt iu der Eiusachheit, der
Gottesfur-cht und den hoheu sittlichen Anschauungeu uu-
serer Vorfahren. Wie hat die prüfende Hand uuseres
Gottes zu Anfaiig des vorigeu Jahrhuuderts auf unse-
rem Lande gelegen, und mächtig hat der Arm der Vor-
sehuiig das Eisen geschmiedet, geschweißt am Ofen des
Eleuds, bis die Wafse sertig wurde. So erwartc ich
auch vou Jhnen alleu, daß Sie mir helsen werdeu, ob
Geistliche oder Laien, die R e l i g i o u im Volke auf-
recht zu erhalten. Zusammen müsseu wir abeitcn, um
dem germanischen Stamnie seine gesunde Kraft und
seiue sittliche Grundlage zu erhalten. Das geht aber
uur, wenn iiiau ihm die Religiou erhält, und das gilt
in gleicher Weise für beide Konfessioueii. Um so grötzer
ist beute meine Freude, den Herreu der Kirche, die hier
vertreten sind, cine Nachricht zu bringen, die Jhnen mit-
teilen zu können, ich stolz bin. Hier steht General von
Loe, ein treuer Diener seiuer Könige. Er ward von
mir gesandt nach Rom zum Jubiläum des heiligen
Vaters, und als er ihm meiue Glückwünsche und
meiue Fubelgabe überbrachte und ihm in intimem Ge-
spräch Aufschluß gab, wie es anssieht in unseren deut-
schen Landen, hat ihm der heilige Vater geantwortet, er
sreue sich, ihm sagen zn köiiueu, daß cr stets hoch gedacht
habe von dcr Frömmigkeit der Deutscheu, zumal des deut-
schen Heeres. Er köune ihm aber noch mehr sagen,
und das solle er seiuem Kaiser bestelleu, das Laud
iu Europa, wo uoch Zucht, Orduuug und Diszipliii herr-
sche, Respekt vor der Obrigkeit. Achtung vor der Kirche
und wo jeder Katholit ungestört frei seinem Glaubeu
lebeu köune, das sei üas deutsche Reich. llnd das dauke
er dem deutschen Kaiser. Dies berechtigt mich zu dem
Ausspruch, daß unserc beideu Kousessionen nebeueinau-
der das eine große Ziel im Auge behalten müssen, die
Gottesfurcht uud Ehrfurcht vor der Religiou zu erhal-
ten uud zu stärken. Ob wir iiwderue Menscheu sind, ob
wir auf diesem oder jeuem Gebiete wirkeu, ist einerlei,
wer sein Lcbeu nicht auf die Basis der Religion stellt, ist
verloreu. So will auch ich, da an diesem Tage uud an
diesem Orte cs sich ziemt, uicht nur zu reden, sondern
auch zu gelobeu, mein Gelöbuis hiermit aussprcchen,
daß ich das ganze Reich, das ganze Volk, ineiu Heer,
shmbolisch durch diesen Kommaiidostab vertreien, inich
selbst und mein Haus unter das Kreuz stelle und unter
den Schutz Desseu, vou dem der große Apostel PetruZ
gesagt: Es ist iu keineiu andereu Heil, es ist auch t'ein

anderer Name deu Meuscheu gegebeu worden, dariu sis
sollen selig werdeu, uud der von sich selbst gesagt hat,
Himmel uud Erdc werdeu vergeheu, aber meiue Worte
vergehcn uicht! Ich trinke auf das Wvhl, der Stadt
Aachen, iu der sesteu Ueberzeuguug, daß die Worte,
die ich gesprochen habe, in ihr guten Boden fiuden
wcrden, wie niich ja auch das, was ich heute vou der
Bürgerschast dieser Stadt, Alt und Iung, geseheu, sicher
macht, daß auch iu der Zukuiift in ihren Mauern unser
Haus uud uuser Throu eine feste Lstütze finden wird.
Tie Stadt Aacheu lebe hoch! hoch! hoch!

Deutsches Reich.

— Ter K aise r sagte wegeu des AblebeiiS des
KönigS von Sachseu deu Besuch iu Düsseldors ab.
Zugleich gab der Kaiser der Hossuuug Ausdruck, daß er
deu Besuch im August werde nachholen könuen.

— Nach einer Drahtmeldung aus D e u t s ch - S ü d-
i w e st asrika hat der Geleisvorbau der E i s e n b a h n
k Smlikopmund-Wiiidhoek den Endpunkt der Bahn, Wind-
hoek, erreicht. Die Erössnung des Verkehrs auf der
ganzen Linie findet am I. Juli stalt.

— Jn dem Besinden des Divisions - Komman-
deurs Generallentiiaiits v on Bock u n d PoIa ch,
welcher, wic wir wir ineldeten, bei einer Attacke der Til-
sitcr Dragoner verunglückte, ist eine merkliche Bessernng
eingetreten. Eine Dienstunfähigkeit wird der llnfall sür
den Verimglückten voraussichtlich nicht znr F-olge haben.
Herr von Bock imd Polach, welcher sich zur Zeit noch
in einer Tilsiter Privattlinik befiudet, soll uoch etwa 8
Tage dort verbleiben und dauu zur weiteren ärztlichen
Behandlung nach Königsberg in Preußen gebracht wer-
den.

Aadischer Landtag.

L.O. Karlsruhe, 20. Juni. (108. Sitzung der
Zweiten Kammer). Präsident Gönner eröffnet die Sitzung
um VzlO Uhr. Eingegangen ist der Nachtrag zum Ge-
haltsetat der Volksschullehrer.

Die Beratung nber den Nachtragsetat w'ird fort-
gesctzll

Berichterstatter O b k i r ch e r (Natlib.) legt die Griinde
Lar, welche die Errichtung einer dritten Tauüstummen-
as n st a l t in Heide 1 berg nvtwendig machen. Die
Bitte dcr Gemeinde Neckargcmünd, cs möge die Taubstummen-
anstalt in Neckargemünd crrichtet werdcn, bcantragt die Kom-
mission dadurch für erledigt zu erklären.

Abg. Mampcl (Antis.) begründet den von ihm mit
llnterstützung ciniger Zentrumsabgeordneten cingcbrachtcn An-
trag, die Pctition dcr Gcmeinde Neckargcmnnd dcr Regie-
rung zur Kenntnisnahmc zu überweisen.

Abg. Rohrhurst (Natlib.) besürwortet dic Errichtnng
der Anstalt in Heidclberg.

Oberschulratsdircktor Arnspcrgcr betont, datz sich die
Regierung bei der Wahl des Platzcs lcdiglich von sachlichcu
Gcsichtspunkten 'leiten lietz. Oertliche Jstteressen künnen
nicht matzgebend scin. Nach den Erfahrnngcn, die man in deu
beidcn ländlichen Anstalten gemacht habe, lag cs nahe, eins
weitere Anstalt in einer Stadt zu errichten. Anch andere
Staaten haben nenerdings solchc Anstalten in Städten errich-
tet (München nnd Frankfurt). Für Heidelbcrg sprach beson-
ders dcr llmstand, datz dort eine dancrndc ärztliche Aufsicht
vorhanden ist.

Abg. M ampcl nnd Gcn. bringen cinen Ivciteren An-

Stadttheater.

Heidelbcrg, 21. Juni.

^ Zwcites Operngastspiel dcs Mannheimcr Hoftheaters:
((H c r E v a n g e l i m a n n ", mnsikalisches Schanspicl von
^ühclm Kienzl.

» Untex den nicht allzu zahlreichcn „Schlagcrn", welche im
^tztrm Jahrzehm auf dcm Gebicte der Opernmusik sich dauernde
Unst pcirir Publikum errnngen haben, steht Kienzls „Evangeli-
o-Unn" mjt in crstcr Rcihe. Die llrsachc ist lcicht einznsehen.
M dcmselbe« Mahe, wic dic Mnsik unscrcr Zeit mehr nnd mehx
von aller Volkstümlichkeit cntfernt, wächst bcim Publiknm
u Sehnsucht uach dcm Einfachen, ihm leichter Zugänglichen,
st sehcn wir, datz Werke, wic der „Evangelimann", die
hü allen chrenwertcn Eigenschaftcn doch im Grundc recht we-
ii,->^ ^rvorragend sind, cine unvcrhältnismähig bcgcisterte Auf-
^i'Uue finden, die ihnen anch bci jcder Wicderholung zu Teil
Ktcnzl hat zu scincr Oper einen schlichtcn Stoff in
jjNuickter Weise verwertct, eine einfach klarc Handlnng, ungc-
g ülllte Biotivicrung, Mcnschcn ans der Alltcigswclt ohne ir-
^elche philosophische Anwandlungcn: Zwei Brüdcr licben
iiHll'Ibc Mädchen, welches dcn jüngeren dcm ältcrcn vorzicht.
d^^rer wird aus Hah hicrübcr zum Brandstifter und lenkt
ß^^-ktcrdacht auf seinen Brudcr, welcher zu zwanzigjährigcr
d,i!jj">ausstrafe vcrurteilt wird. Nach Abüühniig dersclbcn
sz.^izieht der nnschuldig Vcrurtcilte als bettelndcr Evangelicn-
das Land, trifft schlictzlich mit scincm von Krankheit
sti> Gcwisscnsbisseii gequältcn Brnder zusammen, dcr ihm
^wrbrcchcn beichtet. Zum Schlnsse Vergebung nnd Tod
jliid ^^uigen Sünders. Diesc einfache Geschichte wird belebt
srhii^ ausgeschmückt dnrch manche gut durchgeführte Milieu-
ilz^H'ungen; nur ist natürlich, wie aus dcr Handlung cr-
.llch, dem Sentimentalen und Rührseligen cin allzu breiter
ötim» Sugefallen, nicht gerade zum Vorteil dcs Gesamtein-
- haben schließlich das Gefühl, einc jcner schönen
auschen Geschichten vom Verfasser der „Ostereicr" gclcsen

zu haben, dic nns in der Jngend so sntze Wehmutsthränen zn
entlocken pflegtcn.

Kienzl ist cin tüchtigcr Musikcr, aber lcider ist Originalität
nicht scine Stärkc. Ausgehend von dcr Ausdrucksweise Rich.
Wagncrs, dessen Spuren er mit oft ftörender Pietüt nachfolgt,
sncht er andererseits eine gewisse Naivität und Ansprnchs-
losigkeit zn „ crreiche n". Dabci gcrät cr aber ganz in
das Fahrwasser längst vergangcncr Zeiten und so tragcn manche
seiner Melodicn nicht nur das Gcpräge Lortzingschcr Motivc,
oft vermcint man sogar dic biederen Klänge eines Lindpaintner
oder Rcissigcr zn vernehmen, anch Franz Abt wird nicht vcr-
schmäht. Trotzdem hört sich das Ganze gnt an und sind
einzclne Partien von schöner, sclbst packendcr Wirkung. Auch
weiß cr übcr die Oper eincn Hauch von Stimmnng zu giehen,
dcr man sich nicht entzichcn kann. Jm allgemeinen gelingen
ihm die heitercn Szenen am Besten und ist z. B. die Kegelbahn-
episodc des erstcn Aktes ein vortrcfflichcs Stückchen. Dcr zwcite
Akt leidet an grvtzcn Längcn und nnerträglichcn Wioderholnn-
gen, welche dic hübschc Wirkung der Kindcrszenen sehr ab-
schivächen. Besonders langweilig sind die langansgeführtcn
Orcheftervorspiele und -Zwischenspicle, die dcr Komponist schr
zu licbcn scheiiit. Der musikalische Jnhalt reicht hier'für dic
gewählte Form auch nicht annähcrnd aus. Dic Oper crfordert,
nm ihren ganzcn Stimmnngsgchalt zur Geltung zu bringen,
eine schr detaillierte und interessante Ausstattung. Anf nn-
screr kleinen Bühne ist dies von vornhcrein ansgeschlossen. Doch
häkte auch hier manches besscr sein können. So zum Bci-
spiel war das erste Bild des zweiten Aktcs höchst dürftig in-
szeniert. Die Kinderszenen waren sehr steif und nnnatürlich
durchgcführt wie nur möglich, abgcschen, dah diese Kinder
selbst meist recht „ausgetvachsen" warcn, was hier sehr znr
Störnng der Jllnsion beiträgt. Ucberhaupt scheint vom zwei-
ten Akt ab ein Nachlassen der Regiethätigkeit cingetrcten zu
sein.

Hcrr Maikl besitzt cine schöne, oft glänzend klingende
Tenorstimme. Seine Deklamation ist noch nicht vollkommcn

tadekfrci und anch >m Spicle zcigt sich noch Befangenheit. Jm
zwciten Teile der Oper dürftc noch mchr Verinnerlichung im
Spiel und Ausdruck anzustreben scin. Das Rührende in der
Figur dcs „Evangelimanns" kommt noch nicht genügcnd zur
Geltung. Als Johanncs schnf Herr Kr 0 mer bcsondcrs im
1. Akt einc intercssante Fignr; im letzten Bilde wäre eine etwas
schärfere Charakterisicrung, namentlich des Krankheitszustan-
des vonnöten. Frl. Schöne sang nnd spiclte die Magda-
lene mit schönem Erfolgc, wcnnschon diese Partie ihr kanm
so zusagt, wie dic kiirzlich gehörte Santuzza. Frl. K 0 flcr
(Magdalena) erfrente wiederum durch ihre schöne Stimme, die
»nr in der Höhc ctwas schrill klingt, nnd durch ihr dnrchdachtes
Spicl. Di'e kleinercn Partien lagcn in den bewährten Hän-
den dcr Herren Marx (Justiziär), Erl (Zitterbart).
Rüdigcr (Hans). Die Leitnng dcr Oper hatte Herr Hos-
kapellmeister Langcr übernommen. Ein klein wenig mchr Zu-
rnckhaltung beim Fortc würde in nnscrem kleincn Theater der
Wirkung dcs Orchesters von Nutzen scin. — Dic Vorstellung
war -wiedcrnm ansvcrkanft. O. L.

ZussteMllig ch. Kokkes's im Kunstverein.

Hcidelberg, 21. Funi.

Es trifft sich gnt, datz sich zngleich mir der Ansstellung
Klingerschcr Radiernngen einc Sammlnng von Stein-
drncken nnd A q u a r e l l z e i ch n n n g e n cines Schülcrs
von Klinger, G. K 0 l b c s aus Leipzig, im Knnstvcrcin zu-
sammcngefund'en hat. Von ciner cigcntlichen Schnle Klin-
gers kann man znm Glück noch nicht rcdcn, aber Kolbe gchört
zu cincr Richtnng, dic durch Klingcr erstarkt ist und durch ihn
in dem kange kniistunfrcundlichen Leipzig Boden gcfundcn hat,
zn einem Krcis,. zu dcm anch O. Grcincr odcr M. Molitor,
in weitcrcm Sinne S. Schneidcr nnd L. Stöving gchoren. Lätzt
man bei Anerkeiiiiung dcr Viclscitigkeit Äiingcrs als seincn
hcrvorstechcndsten Zng cinc ticfsinnige gedankenschwcre, abcr

Die heutige Nummer umfaßt vier Blätter zusammen 16 Seiten.
 
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