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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0672

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Wxst§s BtrrtL

.4F 83.

Mmierstüg, tl). April 1902.

44. JahrMllg.




^ rscheint täglich, Sonnlags ansgenommen. Preis mit Familienblättern monatlich Sv Pfg. in's Hans gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebllhr.

^nzeigenpreis: 10 Psg. sur dic IspLltige Petitzeile odcr deren Naum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hicsige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
bvrgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit llbcrnommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelbcrger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Chronik.

(Vom 23. März bis zum 5. April.)
ärz 23.: Dcr frühere ungarische Premiermlnister Tisza
stirbt.

„ 24.: S ch a lk Burger und mehrere andere Mitglicder

der Transvaal-Regierung haben sich unter Parla-
mentäiflagge nach Pretoria begeben; von dort sind
sie weiler gereist, um mtt Steijn und Dewet zusam>
menzutreffen.

, 26.: Der bekannte Cap-Politiker Cecil Rhodes stirbt.

„ 27.: Jn Venedig trifft der deutsche Reichskanzler

Gras Bülow mit dem italienischen Minister Vri-
netti zusammen.

, 29.: Der frühere deutsche Botschafter in London und in

PariS, Fürst Münster, sttrbt.

., 29.: L eo XIII. erläßt eine Encyklika, die er als sein

Testament bezeichnet.

„ 31.: Der Zcntrumsführer Dr. Lieber stirbt.

April 2.: Die Buren unter Delarey hatten am 31. März
bei Buschmannskopp ein lebhaftes Gefechtmit
den En g län d er n» die sich zeitweise zurückziehen
mnßten.

„ 2.:Der Kaiser ewpfängt den holländischen Pre-
mierminister Kuyper.

„ 4.: Der Staatssekretär Graf Posadowsky trifft in

München ein, von wo er sich nach Stuttgart und
Karlsruhe begiebt. Es handelt sich um Besprechungen
über die Z o l lt a r tf - Vo rl a ge. Es scheint stcher
zu sein, daß die verbündeten Regierungen über die
Zollsätze der Vorlage nicht hinausgehen wollen.

„ 5.: Cectl Rhodes hat sein großes Vermögen der

Hauptsache nach zuZwecken der getstigen Entwickelung
Englands bestimmt. Dem deutschcn Kaiser hat er
fünf Stipendien für Deutsche, dte dret Jahre in Eng-
land studieren sollen, überwtesen.

„ S.:AustraItsche Offiziere haben sich in S üd-
afrika große S cheußlichk eiten zu Schulden
kommen laffen; unler Anderem haben ste einen
dcutschen Missionar ermordet. Zwei von ihnen find
hingert chtet worden.

Äus der Zoü'tarifkommisston des Hleichstags.

Berliii / 9. April. Jn der geslrigen Nachmittags-
Wung der Z o l l t a r i fK o m m i s sion kam es als-
mld zur Abstimmnng icher die zu den Positionen 44 und
K8 gestellten Anträge. Von diesen gelangt nur der
Mtrag Wallenborn: für Trauben, ohne Unterscheidung
"ö Tafel- oder Keltertrauben, 20 Mark Zoll zur An-
?vhme, im übrigen bleibt die, Vorlage unverändert.
^benso Position 45: Nüsfe (wie bisher 4 Mark Zoll),
bosition 46 betrifst anderes frisches Obst, das bisher
^llfrei war. Aepfel, Birnen, Quitten sollen unverpackt
"°er nur in Säcken zoüfrei bleiben, ebenso Hagebutten
Schlehen. Jn anderer Verpackiing sollen Aepfel,
Arnen, Quitteu 6 Mark Zoll tragen. Für Aprikosen und
.Iirsiche werden acht Mark Zoll, für Pflaumen aller Art,
mvschen, Weichseln, SNispeln 2 Mark Zoll, für Erd-
"?eren 15 Mark festgesetzt, während Himbeeren, Iohan-
cpbbeeren, Stachelbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren,
kMselbeeren und sonstige Beeren zollfrei bleiben sollen.
!f?sition 47 enthült die isätze für getrocknetes Obst
bisheriger Zoll 4 Mark) für Aepfel und Birnen
M 8 Mark, für Aprikosen und Pfirsiche 10 Mcnck, für
rstaumen, unverpackt oder nnr in Fässeru oder säcken
N mindesteus 80 Kilogramm Rohgewicht, 5 Mark, für
l'llaiimen in anderer Verpackung 10 Mark und für
^sderes getrocknetes Obst 8 Mark.

Die Abgeordneten v. Wangenheim uiid Graf
Oriola beantragen und befürworten höhere Sätze.
Die Anträge bekümpft Geheimrat van der Borght namens
der Reichsverwaltung. Schließlich wird in acht Ab-
stimmungen unter Ablehnung aller anderen Anträge zu
Aeipfel, Birnen und Quitten beschlossen, außerhalb der
Zeit vom 1. Oktober bis 15. November, für welche Zoll-
freiheit herrscht, einen Zollsatz von 2,50 Aiark zu erheben
für unverpackte Aepfel, Birnen, Quitten in Schiffs- nnd
Wagenladungen. Für verpackte Aepfel, Birnen und
Quitten wird auf Antrag Remboldt ein Zollsatz von zehn
Mark festgesetzt. — Der Antrag Wangenheim, auf Apri-
kosen und Pfirsische einen Zoll von mindestens 40 Mark
zu legen, wird abgelehut und uach der Vorlage ein Satz
von acht Mark beschlossen. Für Pflaumen, Kirschen,
Weichseln, Mispelu wird auf Autrag Wangenheim der
Satz der Vorlage von 2 auf 6 Mark erhöht. Für Hage-
butten uud Schlehen wird, entgegen dem Antrag Wangeu-
heim, einen Zoll von drei Mark eiuzusetzen, nach der
Vorlage Zollfreiheit bewilligt. Endlich wird für Erdbeeren
ein Zollsatz von 20 Mark anstntt der von Wangenheim
beantragten 100 Mark festgesetzt. Jn ähnlicher Weise wird
der Zoll für Himbeeren, Johannisbeeren, Preiseibeeren
auf 6 Mark feftgesetzt, im Gegensatz zur Regierungsvor-
lage, die Zollfreiheit gewährt hatte.

Berlin, 9. April. Die Zolltarifkommifsion des
Reichstages setzte ihre Beratung bei Nr. 47 fort, die
die Zollsätze für getrocknetes Obst (jetzt einheitlich 4 Mark)
beträchtiich erhöht und daher zwischen den einzelnen
Obstsorten und nach der Art der Verpackung unterscheidet.
Vom Abgeordneten Spahn liegen Anträge auf Zoll-
erhöhungen vor, die Geheimrat Wermuth als „reichlich
weitgehend" bezeichnet und natürlich von dem Abgeordne-
ten von Wangenheim noch erheblich überboten wird, so
daß der Rechnungskommissar sie als in ksinem Ver-
häitnis zu den Zollsätzen sür srisches Obst stehend bezeich-
nen muß. Die Anträge Spahn werden angenommen.
Darnach beträgt der Zoll für Aepfel und Birnen 10 M.,
für Pflanmen unverpackt oder in Fässern 10 Mark, in
anderer Verpacknng 15 Mark, Nr. 15, (zubereitetes Obst)
wird na-ch der Vorlage angenommen, ebenso die Nr. 49
bis 67 (Südfrüchte) imd 58—59 (Frucht- und Pflanzen--
säfte.)

DeuMes Reich.

— Beim Tode der F ü r st i n - M n t t e r z n W i e d
cnthielten neulich zahlreiche Blätter zum Teil wohl auf
Grund einer semerzeit ividerspruchslos verbreiteten Nach-
richt der „Münch. Neuest. Nachr." die Mitteilung, die
Fürstin habe eine zweite Ehe mit dem vormaligen
badischen Minister Frhrn. Franz v. Roggenbach
eingegangen. Demgegenüber wird der „Straßb. Post"
von zuständiger Seite erklärt, daß diese Erzählung von
einer zwciten Ehe der jetzt verewigten Fürstin ganz und
gar u nbegründet sei.

— Dem Herausgeker des Organs des Alldeutschen
Berbandes, der „Alldeutschen Blätter", Prof. Dr. Sa-
massa, der österreichischer Staatsangehöriger ist, ist die
nachgesuchte Naturalisation in Preußen, den Leipziger
„Neuesten Nachrichten" zufolge, verweigert worden.

Bade«.

— Die starke Zuwanderung von Jtalienern regt
in dem Karlsruher „Volksfreund" nationale Empfin-
dungen an. Ja, wenn die Thatsachen stch unangenehm
bemerkbar machen, dann muß der internationale Dusel,
den die Sozialdemokratie bisher vertreten hat, schweigen,
da kommt denn doch die Empfindung zum Durchbruch,
daß wir, die w!r zu einem Volke gehören, einander näher-
stehen, als irgend welche andere Volksangehörigen und
gegen diese zusammenhalten müssen. Genannter sozial»
demokratischer „Volksfreund" schreibt zu dcr Jtaliener-
einwanderung:

Die Znwanderung italienischer Arbeiter ist in diesem
Jahre ganz besonders reichlich. Man könnte
fürwahr glauben, wir seien gegenwärtig miiten in der
Hochkonjunktur, so massenhaft werden ausländische Arbeits-
kräfte importicrt. Nun sind aber auch jetzt noch in allen
größeren Städten eine ziemlich große Anzahl Arbeits-
loser vorhanden. Unser sonst so „national" gesinntes
Unternehmertum stößt fich aber an solchen Kleinigkeitclr
nicht; mögen die deutschen Arbeiter hungern,
ste werden dann vielleicht gefügiger und anspruchSloser.
Selbst die Behörden scheincn nicht auf die große
Zahl der noch arbeitslosen eigenen Volksgenossen Rücksicht
nehmen zu wollen. Soll doch ein großer Teil der im-
portierten italienischen Arbeiter bei Bahnbauten Ver-
wendung finden. Wenn das auch in Baden geschehen
sollte, so wird man sich ja der schönen Reden vom
Regierungstische aus gelegentlich der Arbeitslosen-Debatte
im Landtag erinnern, und man wird dann Betrachtungen
anstellen können über den Unterschied zwischcn Reden
und Handeln.

Wir verzeichnen also die interessante Thatfache, daß
etnem sozialdcmokratischen Blatt die deutschen Unternehmer
nicht „national" genug sind. Es giebt ein sehr
einfaches Mittel, sie „nationaler" zu machen. Erfülle sich
die Sozialdemokratie mit nationalem Geiste, bringe ste ihn
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, soweit es an.
ihr ist, zur Gcltung. dann wird ein solches unwidersteh-
liches nationales Empfinden unser gesamtes Volk durch-
dringen, daß kein Unternehmer, keine Regierung es wagen
wird, irgendwie auch nur im geringsten antinntional zn
handeln. Aber selbst den Internationalen Sozialismus
hochleben lassen und ondererseits die Unternehmer und dte
Regierungen als nicht national genug verurteilen, das ist
doch ein starker Widerspruch. Wohl aber können und sollen
die bürgerltchen nationalgesinnten Parteien fragen, wie es
kommt, daß so viele fremde Arbeiter nach Baden gezogerr
werden, ob etwa Einhcimische für die betreffende Arbeit nicht
zu finden oder zu ihr nicht bereit sind. Der Landtag wird
sich hoffentlich mit dieser Sache eingehend beschäftigen, so»
daßs es zu einer öffentlichen Klarstellung kommt.

Karlsruhe, 8. April. Es steht jetzt fest, daß der
Kaiser am 26. April hier eintreffen wird, um dem
Großherzog seine Glückwünsche zum 50jährigen
Regierungsjubiläum persönlich darznbringen.

Kleme Zeiturrg.

— Straßbnrg, 8. April. Das Oberlandesgericht in
^ °l>nar hatte sich heute mit der A s f a i r e Stieten-
n zu befassen. Rittmeister z. D. v. S-tietencron war
,^,11. Dezember 1901 von der Zivilkammer des Land-
^chts Zabern verurteilt worden, an die Mutter, sowie
^ Großvater des von ihm erschossenen italienischen Ar-

x, stters Fazzi je eine Rente von vierteljährlich 30 Mark
-Ä Lsbenszeit zu bezahlen. Gegen dies Urteil legte
^stencron bcim Oberlandesgericht in Colmar Berufung

Das Oberlandesgericht gab der Berufung Stieten-
statt, hob das Urtei^des Landgerichts Zabern auf
vü entschied dahin, daß Stietencron keinerlei Entschädi-
"üg an die Hinterbliebenen Fazzis zu entrichten habe.

y, > Krcfeld, 7. April. Eine Diiisburger Verlags-
^malt sandte ein Packet an eine hiesige Buchhandlung.

Paket wurde am Postschalter beanstandest weil die
s,i^a sich vermessen hatte, Krefeld zn schreiben, während
Post nur den Ort Crefeld kennt. Erst als dcr Zusatz
sP^gierungsbezirk Düsseldors" gemacht worden war,
zj^anden die bnreaukratischen Bedenken, da man jetzt
f,,^Ech sicher sein konnte, daß där Bestimmungsort ge-
hjss^n werde. Man kann es dem Duisburger Hause
berdenken, wenn es auf die dem Packet folgende Rech-
s^,!^die ganz genaue Bezeichnnng „Kreseld bei Linn"

Wirn, 8. April. Die Fliicht der beiden Chefs
),DLommissjonShauses Prager hat an der Pester Pro-
^^.IUbörse großes Aufsehen erregt. Man bringt ihr
iP Wnauden mit dem Umstande in Verbindnng, daß
<urma bei Pester Banken von fremden Firmen hcr-

ausgelockte Wechsel von 160 000 Kronen plaziert hat und
außerdem Privaten noch so viel schuldet.

— Einige deutsche Ansicdelungein !m Südosten der
Kapkolonie sind NUtte März furchtbar schwer durch
Ueberschwemmungen heimgesncht worden, Häuser wurden
fortgeschwenimt, an himdert Btenschen sind ertrunken.
Tansende von Rindern und Schafen gleichfalls, und weite
Strecken fruchtbaren Lcmdes sind zur Wüste geworden.
Der größte Teil der Ernte ist gleichsalls zerstört nnd wird
im Heidelberger Bezirk allein der angerichtete Schaden
anf annähernd zwei Millionen Mark geschätzt.

7— Ueber die Abnnhmc dcs Dnchfteinglctschcrs hat
Dozent Dr. v. Böhm in der Jahresversaminlung der
Geographischen Gesellschaft zu Wien einen Vortrag gehal-
ten. Die „Schlesische Zeitung" berichtet hieraus: Der
Gletscher hat bis 1820 200 Jahre lang zugenommen,
zeigte dann eine kurze Periode der Abnahme und errcichte
1856 seinen höchsten istand. Von da an aber hat er bis
heute geradezu rasend schnell abgenommen. Er Lcdeckte
zum Beispiel bei seinem höchsten Stande eine Fläche von
522 Hektar, heute hat er nur noch 422 Hektar, so daß
er um genau 100 Hektar sich verringert bat. Von dem
Eisverlust knnn man sich kaum eine Vorstellung machen:
er beträgt bisher 180 Millionen Kubikmetcr, das ist eine
so kolossale Masse, daß sie der vollen Fläche des Wivner
Bezirkes Mariahilf entspräche, wenn diese bis znr Höhe
des Stefansturms mit Eis bedeckt wäre. Der jährliche
Eisberlust beträgt vier Millionen Kubikmcter. Der Glet-
scher schmilzt nnten ab, die Grenzc schiebt sich immer mehr
nach oben, und das so stark, daß seine mittlere Höhe seit
60 Jahren um 115 Meter nach oben gerückt ist.

— Francntracht. Jn den Ränmen des Hohenzollern-

Kunstgewerbehauses inBerli n findet im Oktober und
November dieses Jahres eine Ausstellung der neuen
Frauentracht statt. Der Grundgedanke, den die ausge-
stellten Werke verkörpern sollen, läßt sich in folgende
Sätze zusammenfassen: Es darf keinerlei Art von Korset
oder Resormkorset verwandt werden. Das Kkeid mutz
nur von den Schultern getragen werden. Die Kleider
dürfen nicht aus Rock und Blonse der alten Form bestehen.
Neue Gestaltuugen der Blouse, welche die Stelle der
bisherigen Taille durch kein Band markieren, sind wün-
schenswert. Sind Büstenhalter oder weiche, lose Leibchen
beim Tragen des Kleides vorgesehen, so dürfen es nur
solche sein, die von dcn S-chultcrn ans getragen werden,
nicht solche, die ans oder nnter dem Rippenkorbe oder
ans den Hüften ihren Halt finden. Die Ausstellung
soll dnrchaiis nicht allein Gesellschastskleider bringen,
sondern es sind gerade Praktische und brauchbare Haus-
und Straßenkleider fehr willkommen: sie will beweisen,
daß die hygienisch tadellose Kleidimg sich für alle Zwecke
mannigfaltig nnd schön gestaltcn laßt. Toch wird aus-
drücklich bemerkt, daß nicht zu Absondcrlichkeiten angeregt
werden soll.

Einc Lampc vhnc Licht

- Lockt dic Schmettcrlinge nicht,

llnd cin Müdchen ohne Geld

Scltcn nnr dic Münnerwelt.

Wenn sic dich schmühtcn und ivcnn sie dich schalten,
Widcrsprich nickit mit hitzigcm Blnt,

Tchwcig mid schaffe was schvn und gut,
wirst du zulctzt doch Recht behalten.

G e i b e l.
 
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